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Studienfächer erklärt Was ich als Erstsemester gern über Tiermedizin gewusst hätte

Lerninhalte zu allen Tierarten, drei Staatsexamen – und ein Pflichtpraktikum im Schlachthof: Eine Studentin erzählt, warum es in der veterinärmedizinischen Ausbildung gerade für Tierliebhaber auch schwierige Stationen gibt.
Aufgezeichnet von Antonia Fischer
Wer Veterinärmedizin studiert, lernt den Umgang mit tierischen Patient:innen – und ihren Besitzer:innen (Symbolbild)

Wer Veterinärmedizin studiert, lernt den Umgang mit tierischen Patient:innen – und ihren Besitzer:innen (Symbolbild)

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Westend61 / Getty Images

Studienfächer erklärt

In der Reihe »Studienfächer erklärt« stellen wir die beliebtesten Studienfächer in Deutschland vor. Wie viele Studierende an deutschen Hochschulen in welchem Fach eingeschrieben sind, ermittelt das Statistische Bundesamt einmal im Jahr . Unser Ranking bezieht sich auf die Zahlen für das Wintersemester 2019/2020.

Für die Fächer auf den ersten 30 Plätzen dieses Rankings gibt es jeweils ein Porträt – von Betriebswirtschaftslehre auf Platz 1 bis Wirtschaftsrecht auf Platz 30. Für die weiteren Porträts haben wir zusätzlich mit einbezogen, nach welchen Fächern besonders viele Menschen suchen. Weit oben stehen dann etwa Soziologie, Philosophie und Pharmazie. Grundlage ist hier eine Auswertung von Google für den Zeitraum 2021 bis September 2022.

Fragt man Kinder, was sie mal werden möchten, steht ein Wunsch oft ganz oben auf der Liste: Tierärzt:in. Beim Gedanken an Welpen und Kätzchen wird vielen Menschen warm ums Herz. Aber wie romantisch ist der Job wirklich?

Alexandra Rimpl, 23, studiert im neunten Semester Tiermedizin – auch Veterinärmedizin genannt – an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Hier erzählt sie, wie das Studium aufgebaut ist, was ihr besonders im Gedächtnis geblieben ist und wo sie später einmal arbeiten möchte.

Die Entscheidung fürs Tiermedizinstudium

»Ich bin mit Tieren groß geworden: Meine Familie führt einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, auf unserem Hof leben Pferde, Hunde und Katzen, früher auch Kühe und Schweine. Als Kind habe ich unserem Tierarzt oft bei der Arbeit zugesehen und gedacht: Das will ich auch machen.

Also strengte ich mich in der Schule an, absolvierte ein freiwilliges Praktikum beim Tierarzt und machte 2018 mein Abitur. Mit 1,5 war mein Schnitt gut genug, noch im selben Jahr wurde ich an der LMU München für Veterinärmedizin angenommen.

Aktuell befinde ich mich im praktischen Jahr, kurz PJ, und durchlaufe Stationen in verschiedenen Praxen. Anfangs hatte ich großen Respekt vor aggressiven Katzen. Mit der Zeit lernte ich aber, ihr Verhalten besser zu lesen und trainierte mir die richtigen Handgriffe an. Zu meiner eigenen Sicherheit habe ich mich gegen Tollwut impfen lassen, eine Pflicht dazu gibt es nicht.«

Formale Voraussetzungen für ein Tiermedizinstudium
  • Wer Tiermedizin studieren möchte, muss sich über das Portal hochschulstart.de  bewerben.

  • 30 Prozent der Studienplätze werden unter den Abiturbesten verteilt. 10 Prozent über die sogenannte Zusätzliche Eignungsquote: Hier wird die Abinote nicht berücksichtigt, dafür die Anzahl der Wartesemester, die Ergebnisse des Tests für Medizinische Studiengänge (TMS) oder eine abgeschlossene, studienrelevante Berufsausbildung. Die restlichen 60 Prozent vergeben die Universitäten über eigene Auswahlverfahren. Hier zählt neben Eignungstests weiterhin der Abiturschnitt, wenn auch in unterschiedlichem Maße.

  • Auch wenn es nicht das einzige Auswahlkriterium ist: Um Veterinärmedizin zu studieren, braucht man also ein sehr gutes Abitur.

  • Die Universitäten veröffentlichen Listen, welche Ausbildungen sie anerkennen. Viele Anwärter:innen machen vor dem Studium etwa eine Ausbildung als tiermedizinische Fachangestellte.

Was man noch mitbringen sollte: Tierliebe, Wille und Mut, anzupacken und hart zu arbeiten, Einfühlungsvermögen im Umgang mit den Tieren sowie ihren Besitzer:innen, Durchhaltevermögen.

Inhalte und Aufbau des Studiums

»Mein Studiengang umfasst drei Abschnitte, insgesamt dauert er elf Semester. Die ersten vier Semester bilden den sogenannten vorklinischen Teil. Darin lernen wir die naturwissenschaftlichen Grundlagen, etwa in Anatomie, Physiologie oder Biochemie. Einmal die Woche gibt es einen Präparierkurs mit anatomischen Übungen an toten Tieren. Den Abschluss bildet das Physikum.

Vom fünften bis zum achten Semester findet der klinische Teil statt, der Fokus liegt auf Krankheiten, ihren Verläufen und Therapien, auf Pathologie sowie Bakteriologie und Virologie. Während dieser vier Semester legen die Studierenden das erste und zweite Staatsexamen ab.

Ab dem neunten Semester beginnt das praktische Jahr. Anders als Studierende der Humanmedizin absolvieren wir unser PJ schon während des Studiums. Im letzten Semester folgt dann das dritte Staatsexamen.

Wir behandeln alle Tierarten. Besonders viel wird zu Hund, Katze, Wiederkäuer, Schwein und Pferd gelehrt. Wahlpflichtfächer gibt es auch zu Greifvögeln oder Fischen. Themen wie Tierschutz, Qualzuchten und illegaler Handel werden thematisiert, nehmen aber eher eine kleinere Rolle ein.

Es ist ganz normal, am Anfang überfordert zu sein bei all den Themen. Wichtig ist, dass man sich vom Lernaufwand nicht abschrecken lässt. Mein Rezept: an die Zukunft denken, nicht aufgeben und genug Raum für Freizeit lassen.

»Man therapiert die Besitzer:innen immer ein bisschen mit.«

Vor Kurzem durfte ich zum ersten Mal selbstständig eine Katze kastrieren. Das war eines meiner persönlichen Zwischenziele, es zu erreichen, hat mich stolz gemacht. Es ist das Schönste, wenn eine Behandlung anschlägt und es den Tieren besser geht – und den Menschen. Denn die Besitzer:innen therapiert man immer ein bisschen mit. Man spürt ihre Sorge und die Liebe zu ihrem Tier.

Es gibt aber auch negative Erlebnisse. Im Kopf geblieben ist mir ein Fall von illegalem Welpenhandel: Der junge Hund verstarb innerhalb weniger Tage am Parvovirus. Das hätte verhindert werden können, gegen dieses Virus impft man normalerweise.

Vielen Studierenden bleibt auch das Pflichtpraktikum im Schlachthof im Gedächtnis. Allen dürfte bewusst sein, dass Tiere in der Lebensmittelkette nicht totgestreichelt werden. Trotzdem ist es emotional belastend, tote Tiere auf einem Fließband zu sehen. In meinem Studiengang gibt es recht viele Vegetarier:innen.«

Test für Medizinische Studiengänge (TMS)

Der Test für Medizinische Studiengänge (umgangssprachlich »Medizinertest«, kurz TMS) ist ein bundesweit einheitlicher Studierfähigkeitstest, der auch für Veterinärmedizin gilt. Die erreichten Punkte werden anteilig auf die Abiturnote angerechnet. Die Teilnahme ist zwar freiwillig, erhöht aber die Zulassungschancen.

Der TMS ist kein reiner Wissenstest. Er setzt sich aus sieben Aufgabengruppen zusammen, in denen maximal 158 Punkte erreicht werden können. Unter anderem werden naturwissenschaftliches Denken, Textverständnis und die Fähigkeit zur Interpretation von Diagrammen und Tabellen geprüft.

Der Test wird zweimal jährlich (Frühjahr-TMS und Herbst-TMS) zeitgleich an verschiedenen Standorten durchgeführt, kostet 100 Euro und darf nur zweimal geschrieben werden. Über alle weiteren Fragen klärt dieses FAQ  auf.

Berufsaussichten nach dem Studium

»Nach meinem Abschluss möchte ich als angestellte Tierärztin in einer Gemischtpraxis für Rinder und Kleintiere arbeiten. Diese Kombination fühlt sich für mich richtig an. Ich liebe die Arbeit an der frischen Luft, schätze die ruhigen Gemüter von Kühen und den Umgang mit Landwirt:innen. Gleichzeitig sehe ich Haustiere als Familienmitglieder an und will jede medizinische Möglichkeit nutzen, ihnen wieder auf die Beine zu helfen.

Ich schließe es nicht aus, mich später auch mal selbstständig zu machen, mit einer eigenen Praxis oder in einer Gemeinschaftspraxis. Davor möchte ich einen Doktortitel erwerben oder einen Fachtierarzt machen. Das ist aber kein Muss. Der Facharzt ist eine Weiterbildung mit Spezialisierung, zum Beispiel in Chirurgie oder Reproduktion, also Zucht und Vermehrung.

Leider gehört auch zur Realität, dass mein Beruf im Verhältnis zu anderen ärztlichen Berufen eher schlecht bezahlt ist. Vor allem in Anbetracht des schweren Studiums und der Verantwortung, die wir jeden Tag tragen. Ich habe Hoffnung, dass die Bezahlung in Zukunft besser wird. Dafür setzen sich auch die Tierärztekammern und -verbände ein.«

Branchen und Gehälter

Viele Tierärzt:innen machen sich mit einer eigenen Praxis selbstständig, andere arbeiten in einem Angestelltenverhältnis. Neben Praxis oder Klinik können Absolvent:innen in der Forschung oder Pharmaindustrie und in Veterinärämtern arbeiten.

Für angestellte Tierärzt:innen empfiehlt der Bundesverband praktizierender Tierärzte  zwei Vergütungsmodelle: Festgehalt und Prämien. Im Festgehaltsmodell bekommen Angestellte im ersten Berufsjahr ein Bruttomindestgehalt von 3500 Euro monatlich, das mit jedem weiteren Berufsjahr steigt. Das Prämienmodell basiert auf einem Bruttomindestgehalt von 3000 Euro monatlich, auf das Prämien aufgeschlagen werden, abhängig vom Umsatz. Ähnliche Gehälter empfiehlt auch die Bundestierärztekammer : für die ersten sechs Monate ein monatliches Bruttoeinstiegsgehalt von 3130 Euro, danach 3657 Euro.