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Studienfächer erklärt Was ich als Erstsemester gern über Medienwissenschaft gewusst hätte

»Etwas mit Medien« studieren wollen viele. Aber was heißt das? Eine Studentin beschreibt, warum ihr Fach oft missverstanden wird. Und wieso Praxiserfahrungen wichtiger sind als ein Abschluss in Regelstudienzeit.
Aufgezeichnet von Antonia Fischer
Irgendwas mit Medien: Was Studierende lernen und wo sie später Jobs finden (Symbolbild)

Irgendwas mit Medien: Was Studierende lernen und wo sie später Jobs finden (Symbolbild)

Foto: miniseries / Getty Images
Studienfächer erklärt

In der Reihe »Studienfächer erklärt« stellen wir die beliebtesten Studienfächer in Deutschland vor. Wie viele Studierende an deutschen Hochschulen in welchem Fach eingeschrieben sind, ermittelt das Statistische Bundesamt einmal im Jahr . Unser Ranking bezieht sich auf die Zahlen für das Wintersemester 2019/2020.

Für die Fächer auf den ersten 30 Plätzen dieses Rankings gibt es jeweils ein Porträt – von Betriebswirtschaftslehre auf Platz 1 bis Wirtschaftsrecht auf Platz 30. Für die weiteren Porträts haben wir zusätzlich mit einbezogen, nach welchen Fächern besonders viele Menschen suchen. Weit oben stehen dann etwa Soziologie, Philosophie und Pharmazie. Grundlage ist hier eine Auswertung von Google für den Zeitraum 2021 bis September 2022.

Fernsehserien, Kinofilme, Computerspiele: Wir beschäftigen uns jeden Tag mit Medien, ohne groß über sie nachzudenken. Dabei dreht sich eine ganze Wissenschaft um sie. Medienwissenschaftler:innen suchen Antworten auf Fragen wie: Warum ziehen uns Videospiele in ihren Bann? Und wie lösen Filme Emotionen in uns aus?

Kha Anh Thai, 25, hat im Bachelor Medienwissenschaft und Medienpraxis an der Universität Bayreuth studiert und steht kurz vor dem Abschluss. Hier erzählt sie, wie sie durch einen Zufall zu ihrem Studium kam und wieso ihre Uni regelmäßig einen Kinosaal anmietet.

Die Entscheidung für das Medienwissenschaft-Studium

»Was jetzt? Ich hatte gerade ein abgebrochenes Anglistikstudium hinter mir, als ich wieder vor dieser Frage stand. Im Radio hörte ich zufällig einen Beitrag über den Bachelorstudiengang ›Medienwissenschaft und Medienpraxis‹ an der Uni Bayreuth. Mein Interesse war sofort geweckt, schließlich hatte ich mein erstes Studium abgebrochen, weil es mir zu theoretisch war. Außerdem wollte ich immer irgendwas mit Medien machen.

Die Uni Bayreuth fokussiert sich stärker als andere Universitäten auf Computerspiele. Ich finde E-Sport total spannend und zocke selbst gern. Das passt, dachte ich, und setzte mich an die Bewerbung.

In Bayreuth gibt es keinen NC, sondern ein Eignungsfeststellungsverfahren. Die Prüfer:innen stellen Fragen zu audiovisuellen Medien, zum Beispiel ›Was ist ein Medium?‹ oder ›Was ist dein Lieblingsfilm und warum?‹. Mir wurde außerdem ein Filmausschnitt gezeigt, und ich sollte ihn kurz einordnen, also maximal zwei Minuten darüber sprechen.

Vor dem Verfahren hatte ich echt Angst. Heute weiß ich, dass sie unbegründet war. Die Prüfer:innen wollten einfach sehen, dass ich interessiert an dem Studium bin und keine falschen Vorstellungen habe. Einer meiner Mitbewerber wollte Schauspieler werden, das hat natürlich nicht gepasst.«

Formale Voraussetzungen für ein Medienwissenschaft-Studium:

  • Wer an einer Universität studieren möchte, benötigt in der Regel die Allgemeine Hochschulreife.

  • An den meisten Hochschulen gibt es für Medienwissenschaft-Studiengänge einen Numerus clausus (NC). Der schwankt je nach Hochschule und wird daher lokaler NC genannt. Im Wintersemester 2022/2023 lag er für das Bachelorfach Medienwissenschaft an der Uni Hamburg  bei 1,5, an der Uni Köln  bei 1,3.

  • An manchen Hochschulen ist der Studiengang dagegen zulassungsfrei. Im vergangenen Aufnahmeverfahren wurden etwa an der Uni Regensburg  und der Uni Halle  alle Bewerber:innen zugelassen.

  • Gute bis sehr gute Englischkenntnisse sind wichtig, denn die Fachliteratur ist überwiegend auf Englisch verfasst. Die Uni Köln etwa setzt B2-Niveau voraus.

Was man noch mitbringen sollte: Keine Angst vor theoretischen Texten, Diskussionsbereitschaft, Abstraktionsvermögen und Interesse an Medien

Inhalte und Aufbau des Studiums

»Die Medienwissenschaft beschäftigt sich vor allem mit audiovisuellen Medien – also Film, Fernsehen, Radio und Computerspielen –, seltener mit Printprodukten oder Social Media. In Bayreuth besteht der Studiengang aus drei Säulen: Medienwissenschaft, Medienpraxis und einem Kombinationsfach.

Wir beschäftigen uns in erster Linie mit theoretischen Überlegungen, etwa der Frage, wie die historische Entwicklung der Medien unsere Gesellschaft geprägt hat und welche soziale Funktion sie übernehmen. Besonders in den ersten Semestern gibt es zu solchen Themen verpflichtende Veranstaltungen. Dazu lesen wir viel Fachliteratur, die Länge der Texte variiert zwischen 15 und 60 Seiten. Erstsemestern empfehle ich, sich von den grundlegenden Theorien nicht abschrecken zu lassen, später werden abwechslungsreichere Seminare angeboten.

Besonders gern erinnere ich mich an eine Vorlesung zur Filmgeschichte. Der ganze Kurs traf sich abends und schaute gemeinsam Filme, um sie anschließend zu analysieren. Es kam Kino-Feeling auf, das hat echt Spaß gemacht. Solche Analysen sind qualitativ, wir beschäftigen uns eher selten mit quantitativen Daten oder Statistiken. Ein Beispiel: Eine Umfrage, warum Menschen durch einen bestimmten Horrorfilm Angst verspüren, gehört zur Medienwirkungsforschung. Medienwissenschaftler:innen wählen eher eine philosophische, historische oder ästhetische Herangehensweise. Bei dem Horrorfilm würden wir also zum Beispiel analysieren, ob Farbgestaltung oder Kameraführung bestimmte Emotionen transportieren sollen.

In den Seminaren der Medienpraxis lernte ich den Umgang mit einer Filmkamera, probierte das Programmieren von Computerspielen und erstellte 3D-Modelle. In Bayreuth ist besonders das dritte Semester stark praxisorientiert: Man schreibt Drehbücher für Kurzfilme und verfilmt sie. Am Ende des Semesters findet dann die Mediennacht statt. Dafür wird ein Kinosaal angemietet, und man schaut gemeinsam alle Arbeiten an.

Die dritte Säule des Studiums an der Uni Bayreuth bildet das frei wählbare Kombinationsfach. Ziel ist, sich in einem anderen Bereich weiterzubilden. Das Angebot ist breit. Ich habe Anglistik gewählt, andere Möglichkeiten sind etwa Soziologie, Informatik, Wirtschaftswissenschaft oder Geschichte.

Ich hatte insgesamt nur zwei Klausuren. Die meisten Prüfungen sind Projekte oder Hausarbeiten. Wie man wissenschaftlich schreibt und methodisch vorgeht, lernt man zum Glück gleich zu Beginn des Studiums.«

Aufbau des Studiums:

  • Ein-Fach-Bachelor: Die Studierenden belegen ein zentrales Hauptfach, das sie in Vollzeit studieren. Klassische Ein-Fach-Bachelor sind naturwissenschaftliche Fächer oder Ingenieurstudiengänge.

  • Zwei-Fach-Bachelor: Medienwissenschaft wird meist als Haupt- oder Nebenfach angeboten. Neben dem Hauptfach wird ein weiteres Fach studiert, für das man meist weniger ECTS-Punkte erbringen muss. An den meisten Universitäten gibt es verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, sodass Studierende sich ihren Studiengang individuell zusammenstellen können. An der Humboldt-Universität zu Berlin  wird Medienwissenschaft nur als Nebenfach im Bachelor angeboten.

Berufsaussichten nach dem Studium

»Ich sehe vier Richtungen, in denen die meisten Absolvent:innen arbeiten: in der Filmbranche, der Computerspielindustrie, im Projektmanagement und in der Forschung. Das Studium bildet aber nicht zur Kamerafrau oder zum Game Designer aus. Wir lernen die Basics. Zusatzqualifikationen erlangt man durch studentische Initiativen wie Hochschulradio oder -fernsehen, Praktika und Werkstudierendenjobs. Ich habe nebenbei als Mediengestalterin gearbeitet und Grafiken etwa für Plakate, Flyer und Plakate konzipiert.

Wer lieber in der PR oder im Marketing arbeiten möchte, dem empfehle ich, Kommunikationswissenschaft zu studieren. Viele denken, dass die Studiengänge identisch seien. Aber es gibt große Unterschiede: In der Medienwissenschaft lernen wir nichts über strategische Kommunikation, Social-Media-Marketing oder Datenanalyse.

Durch mein Studium habe ich gelernt, mich selbst zu organisieren – und wie wichtig mir die Verzahnung zwischen Theorie und Praxis ist. Inzwischen bin ich schon im elften Semester, ich habe bewusst verlängert. Mir war wichtiger, spannende Kurse zu belegen und Erfahrungen zu sammeln, als in Regelstudienzeit durchzuziehen. Gerade warte ich noch auf die Note meiner Bachelorarbeit, danach möchte ich als Grafikdesignerin arbeiten.«

Branchen und Gehälter:

Medienwissenschaftler:innen können in verschiedenen Bereichen arbeiten, etwa beim Film, im Radio und Fernsehen, bei Medienagenturen oder im Eventmanagement. Es kann von Vorteil sein, neben dem Studium zusätzliche Qualifikationen zu erwerben, etwa durch Werkstudierendenjobs oder Praktika. So sammelt man Praxiserfahrungen und verdient gleichzeitig etwas Geld.

Das Gehalt fällt je nach Bereich unterschiedlich aus. Laut der Jobplattform StepStone  können Absolvent:innen mit einem Abschluss in Medienwissenschaft im Schnitt rund 41.100 Euro brutto im Jahr verdienen. Die Gehaltsspanne reicht von 34.100 bis 50.100 Euro. Laut der Plattform gibt es die meisten Jobs in Berlin, München und Hamburg.