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Studienfächer erklärt Was ich als Erstsemester gern über Sportwissenschaft gewusst hätte

Im Studium sprinten und rudern? Ein Student erklärt, warum man für sein Fach kein Leistungssportler sein muss – sich von der Regelstudienzeit aber verabschieden sollte.
Aufgezeichnet von Franca Quecke
Höher, schneller, Bachelor: Wie kräftezehrend ist ein Studium in Sportwissenschaft? (Symbolbild)

Höher, schneller, Bachelor: Wie kräftezehrend ist ein Studium in Sportwissenschaft? (Symbolbild)

Foto: Chris Ryan / Getty Images
Studienfächer erklärt

In der Reihe »Studienfächer erklärt« stellen wir die beliebtesten Studienfächer in Deutschland vor. Wie viele Studierende an deutschen Hochschulen in welchem Fach eingeschrieben sind, ermittelt das Statistische Bundesamt einmal im Jahr . Unser Ranking bezieht sich auf die Zahlen für das Wintersemester 2019/2020.

Für die Fächer auf den ersten 30 Plätzen dieses Rankings gibt es jeweils ein Porträt – von Betriebswirtschaftslehre auf Platz 1 bis Wirtschaftsrecht auf Platz 30. Für die weiteren Porträts haben wir zusätzlich mit einbezogen, nach welchen Fächern besonders viele Menschen suchen. Weit oben stehen dann etwa Soziologie, Philosophie und Pharmazie. Grundlage ist hier eine Auswertung von Google für den Zeitraum 2021 bis September 2022.

Wer Sportwissenschaft studiert, setzt sich mit Bewegung auseinander: Wie beeinflussen Laufen, Schwimmen oder Tanzen den Körper und die Psyche – und wie lassen sich die Leistungen von Spitzensportler:innen und Freizeitjogger:innen steigern?

Tim Röck, 23, studiert im siebten Semester Sportwissenschaft an der Universität Konstanz, gerade schreibt er an seiner Bachelorarbeit. Neben seinem Studium trainiert er Nachwuchs-Leichtathlet:innen und einen 88-Jährigen, der fit werden will. Hier erzählt er, wie viel Sport er selbst treibt – und warum er Angst vor dem Skifahren hat.

Die Entscheidung fürs Sportwissenschaftsstudium

»Schon als Kind stand Sport für mich an allererster Stelle. Meine Mutter ist Trainerin in einem Leichtathletikverein, mit fünf Jahren schleppte sie mich zum ersten Mal zum Training. Der Sport hat mich so begeistert, dass ich bis zum Abitur dabei geblieben bin. Mit neun Jahren fing ich zusätzlich noch mit Fußball an. Für mich war also schnell klar: Ich will irgendwas mit Sport studieren.

Um für Sportwissenschaft zugelassen zu werden, muss man neben dem Abitur in der Regel eine bestandene Sporteignungsprüfung nachweisen. Die an der Sporthochschule Köln gilt als härteste in Deutschland. Noch während meiner Abiturprüfungen habe ich daran teilgenommen – und nicht bestanden.

Später habe ich es an der Uni Tübingen noch mal probiert. Dort ist der Test etwas anders aufgebaut, Bewerber:innen müssen sich in fünf Disziplinen behaupten. Weil ich in Leichtathletik und Volleyball schon im Abitur geprüft wurde, konnte ich mir das immerhin anrechnen lassen. Weiterer Pluspunkt in Baden-Württemberg: Wer den Test an einer Hochschule besteht, darf sich im ganzen Bundesland immatrikulieren.

Am Testtag war ich eigentlich entspannt, ich wusste ja, wie es abläuft. Und mir war klar: Schlimmer als in Köln kann es nicht werden. Die Videos meiner Turnprüfung habe ich mir im Nachhinein angeschaut, schön war das nicht. Aber es hat gereicht.«

Formale Voraussetzungen für ein Sportwissenschaftsstudium
  • Wer an einer Universität Sportwissenschaft studieren möchte, benötigt in der Regel die Allgemeine Hochschulreife.

  • Die größte Hürde für viele Sportinteressierte: die Eignungsprüfung. An der Sporthochschule Köln  müssen Bewerber:innen innerhalb von zehn Stunden 19 Einzelleistungen in Disziplinen wie Schwimmen oder Turnen erbringen, dazu kommt ein Dauerlauf am Tagesende. Zur Vorbereitung empfiehlt die Hochschule  mindestens sechs bis acht Monate Training. Wer nicht besteht, darf die Prüfung unbegrenzt oft wiederholen, allerdings kostet jeder Versuch 60 Euro.

  • Eine Eignungsprüfung ist aber nicht an jeder Hochschule Voraussetzung, an der Universität Würzburg etwa ist sie nicht notwendig . Umgekehrt erlauben einige Hochschulen ein Studium nur dann, wenn die Prüfung bei ihnen abgelegt wurde. In Bayern  gibt es einen zentral organisierten Test.

  • Wichtig: Eine bestandene Eignungsprüfung garantiert keinen Studienplatz. An vielen Hochschulen entscheidet darüber auch der Numerus Clausus (NC). Im Wintersemester 2022/2023 lag er an der Uni Würzburg  bei 1,4, an der Uni Bielefeld  bei 1,8 und an der Berliner Humboldt-Universität  bei 2,3.

  • Was man noch mitbringen sollte: körperliche Fitness, die Motivation, neue Sportarten auszuprobieren – aber auch Interesse an natur- und sportwissenschaftlichen Fragen, theoretischen Texten und Methodenlehre

Inhalte und Aufbau des Studiums

»Für Sportwissenschaft muss man kein Leistungssportler sein. Es reicht, wenn man grundlegende sportliche Fähigkeiten mitbringt – oder genug Disziplin, um sie sich während des Studiums anzueignen. Wichtig ist vor allem, dass man Spaß an Bewegung hat und sich auf neue Sportarten einlassen kann. Und auch für die theoretischen Hintergründe muss man offen sein, also etwa für Anatomie oder Bewegungs- und Trainingswissenschaften. In Konstanz wird außerdem viel Wert auf forschungsorientierte Lehre gelegt, wir bekommen also erste Einblicke in qualitative und quantitative Methoden.

Was ich nicht wusste: Anders als in anderen sportwissenschaftlichen Studiengängen gibt es hier einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt. Mathematik und Experimentalphysik habe ich zum Glück gleich in den ersten Semestern bestanden. Außerdem müssen wir fachfremde Schwerpunkte wählen, etwa in Biologie, Chemie oder Psychologie. Ich habe mich für Letzteres entschieden.

Insgesamt besteht der Studiengang aus 16 Modulen. Die Einzelsportarten sind vorgegeben: Turnen, Tanzen, Leichtathletik und Schwimmen muss jeder machen. Zusätzlich kann man sich in alle Richtungen ausprobieren: Ich habe Fußball belegt, Handball, Volleyball, Rudern, Erlebnispädagogik, Judo, Beachvolleyball. Die meisten Kurse laufen über zwei Semester, eineinhalb Stunden pro Woche, deshalb nimmt man zwangsläufig viel mit: Ich könnte aus dem Stegreif eine Judoeinheit leiten oder erklären, wie man in ein Ruderboot steigt.

Prüfungen gibt es sowohl praktische als auch theoretische. Glücklicherweise musste ich meist nur Multiple-Choice-Klausuren schreiben, und insgesamt nur vier Hausarbeiten. Dagegen sind die praktischen Prüfungen deutlich anspruchsvoller: Ein halbes Jahr lang habe ich zwei bis dreimal die Woche geübt, um fit fürs Turnen zu werden.

Im Laufe des Studiums hat sich bislang jeder mindestens leicht verletzt; ich hatte schon zwei Muskelfaserrisse und einen angebrochenen Knöchel. Trotzdem bin ich vorsichtig, war zum Beispiel noch kein einziges Mal Ski fahren – obwohl ich so nah an den Bergen lebe. Denn wer sich kurz vor einer Prüfung verletzt, muss im schlimmsten Fall ein ganzes Jahr bis zum nächsten Versuch warten. Regelstudienzeit ist bei uns daher eher ein theoretisches Konstrukt.

Was ich sinnvoll fand: In Konstanz müssen wir vier sogenannte Schlüsselqualifikationen belegen. Meist sind das Blockseminare, die auf den Beruf vorbereiten sollen: etwa dazu, wie man eine Präsentation erstellt oder richtig verhandelt. Außerdem müssen wir ein achtwöchiges Praktikum absolvieren.«

Seminare und Module

Einen einheitlichen Studiengang »Sportwissenschaft« gibt es nicht. In der Regel vereinen die Hochschulen unterschiedliche Disziplinen und setzen eigene Schwerpunkte. Zu den typischen Studieninhalten gehören etwa:

  • Sporttheorie

  • Sportmedizin

  • Sportsoziologie

  • Trainingslehre

  • Gesundheitsförderung

  • wissenschaftliches Arbeiten und Forschungsmethoden

Ein Praxissemester, ein Pflichtpraktikum oder ein Auslandssemester sind häufig ebenfalls feste Bestandteile.

Berufsaussichten nach dem Studium

»Die Hälfte meiner Kommiliton:innen studiert auf Lehramt, bei ihnen ist der Weg also vorgegeben. Wir Sportwissenschaftler:innen haben aber noch deutlich mehr Karrieremöglichkeiten: Schon im Studium können wir naturwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Bereiche wie Biologie oder Soziologie kennenlernen und beruflich darauf aufbauen, in die Vereins- oder Trainerarbeit einsteigen oder als Personal Trainer arbeiten. Manche machen hinterher auch eine Ausbildung zum Physiotherapeuten.

Ich kann nur empfehlen, möglichst viel auszuprobieren. Im Seminar Fitnesskrafttraining habe ich etwa die B-Lizenz als Fitnesstrainer erworben. Seitdem arbeite ich nebenbei in einem Studio, leite eine Outdoorgruppe – und bin Personal Trainer eines 88-Jährigen, der fit werden will. Davor habe ich ein Jahr lang Leichtathletiktraining für Kinder unter zwölf Jahren gegeben.

Im Sommer schließe ich meine Bachelorarbeit ab, danach möchte ich für den Master ›Sport Science for Health‹ in Konstanz bleiben. Damit könnte ich zum Beispiel weiter als Coach arbeiten, aber auch in die Forschung gehen. Mal sehen, wofür ich mich entscheide.«

Branchen und Gehälter

Sportwissenschaftler:innen können in unterschiedlichen Bereichen arbeiten, unter anderem in der Trainings- und Sportwissenschaft, Biomechanik, Sport- und Bewegungstherapie oder Gesundheitsvorsorge. Sie trainieren unter anderem Mannschaften, begeistern Kinder spielerisch für Sportarten oder analysieren die Motorik erkrankter Menschen. Potenzielle Arbeitgeber:innen sind dementsprechend Sportvereine, Trainings- oder Rehazentren, Kliniken oder Krankenkassen.

Das Gehalt fällt je nach Bereich unterschiedlich aus. Der Jobplattform Stepstone  zufolge können Absolvent:innen mit einem Abschluss in Sportwissenschaft ein durchschnittliches Bruttojahresgehalt von 35.700 Euro erwarten. Die Gehaltsspanne reicht demnach von 30.900 Euro bis 42.500 Euro.