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Quiet Vacationing Heimlicher Urlaub auf Firmenkosten

Ein neuer Trend bewegt den amerikanischen Arbeitsmarkt. Beim Quiet Vacationing nehmen Menschen sich eine Auszeit, ohne Urlaub einzureichen oder die Kollegen über den Standortwechsel zu informieren. Setzt sich das auch in Deutschland durch?
Pool statt Schreibtisch: Mithilfe von technischen Mitteln simulieren Arbeitnehmer ihre Anwesenheit, obwohl sie eigentlich ganz woanders sind

Pool statt Schreibtisch: Mithilfe von technischen Mitteln simulieren Arbeitnehmer ihre Anwesenheit, obwohl sie eigentlich ganz woanders sind

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JaySi / Getty Images / iStockphoto

Kennen Sie schon den „Mouse Mover“? Die App hält Ihre Computermaus in Bewegung und kreiert für Ihre Vorgesetzten und Kollegen so die Illusion, Sie säßen am Platz, während Sie es sich anderswo gut gehen lassen. Technik für sich arbeiten zu lassen, ist quasi die Königsdisziplin des „Quiet Vacationing“ – der heimlichen Auszeit.

Das Marktforschungsunternehmen The Harris Poll veröffentlichte kürzlich seine Umfrage „Out of Office Culture “, in der 37 Prozent der 1.170 befragten Arbeitnehmer zwischen 28 und 43 Jahren zugaben, schon einmal eine Auszeit genommen zu haben, ohne offiziell Urlaub zu beantragen oder mit dem Vorgesetzten darüber zu sprechen. Seitdem wird in den USA diskutiert – vom Magazin Forbes bis zum Moderator Jimmy Fallon. Vor allem um Feiertage wie beispielsweise dem bevorstehenden Unabhängigkeitstag am 4. Juli sollten Vorgesetzte besser genauer hinschauen, ob die Mitarbeitenden wirklich arbeiten oder nicht, so der Tenor.

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Dass der Trend – wie auch seine Vorgänger „Quiet Quitting“ und „Quiet Firing“ – besonders im US-amerikanischen Arbeitsmarkt um sich greift, hat seinen Grund: Vor allem jüngere Amerikaner bemängeln, dass es in den USA keine gesetzlich festgelegte Mindestzahl bezahlter Urlaubstage gibt. Laut des U. S. Bureau of Labor Statistics  sind es durchschnittlich 10 bis 14 Tage bezahlter Urlaub. Damit liegen die USA unter dem weltweiten Durchschnitt von 18,2 bezahlten Urlaubstagen.

Ist „Quiet Vacationing“ auch ein Trend in Deutschland?

Hinzu kommt, dass 80 Prozent der von The Harris Poll Befragten sich nicht trauen, den ihnen eigentlich zustehenden Urlaub zu nehmen, weil der Druck, ständig und auch außerhalb der Arbeitszeit für den Arbeitgeber erreichbar zu sein, zu groß sei. Also nehmen die Beschäftigten die Sache selbst in die Hand und machen „Quiet Vacationing“ oder sogenannte „Hush Trips“ – Kurztrips, die zwar nicht mit dem Arbeitgeber abgesprochen sind, bei denen aber trotzdem gearbeitet wird.

„Während die Generation Z dazu neigt, sich lautstark über eine Unternehmenskultur zu beschweren, die Menschen einschüchtert, wenn sie um eine Auszeit bitten, nehmen Millennials die Dinge lieber selbst in die Hand. Sie werden eine Work-Life-Balance finden, die zu ihnen passt, aber das geschieht hinter den Kulissen“, kommentiert Libby Rodney, Chief Strategy Officer von „The Harris Poll", die Umfrageergebnisse.

Kein Wunder also, dass die Stimmen, die eine gänzliche Rückkehr in die Büros fordern, auch in großen Firmen wie Amazon oder IBM wieder lauter werden. Doch ist „Quiet Vacationing“ auch in Deutschland ein Thema?

„Ich sehe durchaus eine Zunahme solcher Fälle in Deutschland“, sagt Jens Niehl, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei ebl esch&kramer. „In vielen Firmen wundern sich Vorgesetzte, dass sie Mitarbeitende nicht erreichen können, obwohl im System oder auf den Kommunikationskanälen angezeigt wird, dass sie arbeitsbereit sind.“ In der Regel werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland für die geleistete Arbeitszeit bezahlt, also zum Beispiel für 38 Stunden pro Woche. „Wenn der Mitarbeiter dann vier Stunden weder erreichbar ist noch arbeitet, spricht viel für einen Arbeitszeitbetrug“, sagt Niehl. Der Arbeitgeber hat dann allerdings die schwierige Aufgabe, diese Pflichtverletzung mit Beweisen zu belegen, um eine fristlose Kündigung auch vor Gericht rechtfertigen zu können.

„Die Arbeitgeberseite muss dafür nicht nur die Tatsachengrundlage vorweisen können, sondern auch den Vorsatz des Arbeitszeitbetrugs nachweisen“, sagt der Düsseldorfer Fachanwalt. „Spätestens aber, wenn etwa eine Maus-Software eingesetzt wird, um eine Tätigkeit zu simulieren, was eine klare Manipulation ist, wird eine fristlose Kündigung wohl Bestand haben.“

Eher zweitrangig sei die Frage, wo sich der Arbeitnehmer aufhält, solange die Arbeitsleistung erbracht wird – egal ob am Urlaubsort oder zu Hause. Selbst wenn der Arbeitgeber nicht über den Aufenthaltsort informiert sei, rechtfertige dies in der Regel keine fristlose Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung, so Niehl. Je nach individueller Vereinbarung könne es aber trotzdem eine Pflichtverletzung sein.