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Analyse im Auftrag des Bundestags Klimaschonend fliegen könnte erst in Jahrzehnten möglich sein

Wer viel fliegt, schadet dem Klima – und Fachleute machen kaum Hoffnung auf eine schnelle Lösung. Ein Bericht zeigt, wie schwer sich die Branche mit Innovationen tut und welche Ansätze am vielversprechendsten sind.
Grünes Fliegen bleibt leider noch lange ein frommer Wunsch

Grünes Fliegen bleibt leider noch lange ein frommer Wunsch

Foto: Petmal / iStockphoto / Getty Images

Schon heute werben viele Airlines mit angeblich klimafreundlichen Flügen: »Tarife Economy Green, Premium Eco Green, Business Green«, heißt das etwa bei der Lufthansa. Allerdings wird hier nicht wirklich »grüner« geflogen, sondern das ausgestoßene CO₂ lediglich mehrheitlich mit Klimaschutzprojekten in ärmeren Ländern ausgeglichen. Das ist zwar besser als nichts, aber die Flugzeuge fliegen wie eh und je vor allem mit Kerosin – und schaden damit dem Klima.

Eine realistische Hoffnung, dass Flugreisen in naher Zukunft wirklich klimafreundlicher werden, gibt es nicht, schreiben Experten im Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) nun in einem am Mittwoch vorgelegten Bericht . Das TAB wird seit 1990 vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) betrieben.

Keine einzelne Technologie sei bisher ausschlaggebend für eine klimaschonendere Luftfahrt. Bisher gebe es schlicht nicht die eine Lösung, heißt es in der Analyse, in der innovative Antriebe für einen klimaverträglicheren Luftverkehr untersucht wurden. Nötig sei stattdessen ein Technologie- und Maßnahmenmix. Dazu zählten folgende Lösungen:

  • elektrische Flugzeugantriebe

  • nachhaltigere Kraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels – SAF) aus Abfall oder Biomasse sowie die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels)

  • grüner Wasserstoff

  • die Optimierung von Kraftstoffen

  • ein nachhaltigeres Flugzeugdesign sowie eine Emissionsreduktion durch Effizienzsteigerungen

Pilotversuche mit nachhaltigen Kraftstoffen: Bisher ein Nischenmarkt

Pilotversuche mit nachhaltigen Kraftstoffen: Bisher ein Nischenmarkt

Foto: Huchot-Boissier Patricia / ABACAPRESS / picture alliance

Doch selbst wenn man die Lösungsansätze miteinander kombiniere, könnte es noch sehr lange dauern, schreiben die Autoren. Für den Bericht werteten sie zahlreiche Studien aus und führten Experteninterviews.

Lösungen für klimaneutrales Fliegen: zu teuer, zu aufwendig, nicht marktreif

Am vielversprechendsten seien derzeit nachhaltige Kraftstoffe, da diese bereits in der Bestandsflotte einsetzbar seien und Emissionen senken könnten. Allerdings sind die neuen Kraftstoffe oft teuer und bisher kaum konkurrenzfähig. E-Fuels ähneln in ihrer chemischen Zusammensetzung fossilen Kraftstoffen wie Kerosin. Wasser wird zunächst in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Aus dem Wasserstoff und CO₂ wird dann ein synthetischer Kraftstoff hergestellt. Die Methode wird Power-to-Liquid-Verfahren  genannt, kurz PtL . Allerdings müssen laut TAB die erneuerbaren Energien massiv zusätzlich ausgebaut werden, um den Strombedarf von E-Fuels zu decken.

Ein Problem bei der schon länger erprobten Verwendung von Wasserstoff als direktem Treibstoff sei, dass er bei minus 253 Grad in sehr großen, isolierten, schweren Tanks in den Flugzeugen gespeichert werden müsse. Angesichts des technischen Aufwands sei voraussichtlich nicht vor 2035 mit relevanten Anwendungen zu rechnen. Zudem wird Wasserstoff auch in anderen Bereichen dringend gebraucht.

Auch bei sogenannten hybriden Antriebskonzepten – herkömmliche Düsentriebwerke kombiniert mit Elektromotoren – dauert es noch etwas. Sie könnten ab 2030 auf Regionalstrecken, ab etwa 2040 auf Kurzstreckenflügen und ab etwa 2050 auf Mittelstreckenflügen zum Einsatz kommen. »Es ist davon auszugehen, dass es vermutlich noch mindestens 20 bis 30 Jahre dauern wird, bis die vorgestellten Innovationen in relevanter Größe zur Anwendung kommen«, schreiben die Experten. Der Grund: Die Technologien seien entweder noch nicht ausgereift oder die alternativen Kraftstoffe schlicht nicht ausreichend vorhanden.

Schnelle Lösungen seien weder bei Antrieben noch bei neuen Kraftstoffen zu erwarten, heißt es vom TAB. »Der Luftfahrtsektor ist geprägt von vergleichsweise langen Entwicklungs- und Zulassungszeiträumen für neue Technologien.« Die Entwicklung und Zulassung neuer Flugzeugdesigns oder Triebwerke dauere schätzungsweise bis zu 15 Jahre, die Marktdurchdringung dann noch einmal bis zu 30 Jahre.

Klimaneutrale Luftfahrt bis 2050 wohl »unerreichbar«

Stefan Gössling von der Linnaeus University im schwedischen Kalmar fällt im Bericht ein klares Fazit: »Das Ziel einer auch nur annähernd klimaneutralen Luftfahrt ist bis 2050 unerreichbar, sofern nicht deutlich drastischere Maßnahmen wie Besteuerung oder Einspeisequoten getroffen werden.«

Gössling kritisiert, dass sich viele Aussagen des Berichts auf das Jahr 2050 beziehen würden – dabei müssten andere Branchen bereits weitaus früher klimaneutral werden müssen. »Es ist unklar, warum die Luftfahrt weniger ambitiöse Klimaziele als andere Sektoren erreichen soll, insbesondere, da es sich um einen Wachstumssektor handelt«, kritisiert der Professor, der selbst nicht an der Analyse beteiligt war. »Hier wird gern auf die globale Entwicklung verwiesen, dabei aber ignoriert, dass gerade die Deutschen besonders hohe Reiseemissionen verursachen«, sagt er. »Diese werden wiederum von nur etwa einem Drittel der Bevölkerung verursacht, und hier besonders von den Vielfliegern.«

Gössling plädiert deshalb auch dafür, weniger zu fliegen. Dabei gehe es etwa um die Besteuerung vor allem von Langstreckenflügen, die die größten Emissionsbeiträge verursachen. »Etwa 25 Prozent der Flüge mit den weitesten Strecken machen 70 Prozent der Emissionen aus.«

Die internationale Luftfahrt hat Schätzungen zufolge einen Anteil von rund 3,5 bis 5 Prozent an der menschengemachten Erwärmung, wie es im TAB-Bericht heißt. In Europa verursache der Luftverkehr rund vier Prozent der gesamten jährlichen Treibhausgasemissionen. Hinzu kommen Nicht-CO₂-Effekte: Rußpartikel, Wasserdampf, Schwefel- und Stickoxide, die aus der Verbrennung von Kerosin entstehen und zur Bildung von Kondensstreifen und Zirruswolken führen.

Ein Grund dafür, warum es so schwer ist, die Emissionen in der Flugbranche zu senken, ist auch die steigende Zahl der Flugreisen weltweit. »2050 könnten bereits 60 Prozent mehr CO₂-Emissionen entstehen als noch 2019«, heißt es im TAB-Bericht. In der Gesamtbilanz klimafreundlicher zu werden, stelle für die Branche allein schon deshalb eine große Herausforderung dar. In Deutschland stieg die Zahl beförderter Passagiere  dem TAB zufolge von etwa 136 Millionen im Jahr 2004 auf rund 227 Millionen im Jahr 2019.

sug/dpa