Zum Inhalt springen

Studienfächer erklärt Was ich als Erstsemester gern über das Übersetzungsstudium gewusst hätte

Warum Übersetzerin werden, wenn es dafür Software gibt? Zum Beispiel, weil nur Menschen zwischen den Zeilen lesen können. Eine Studentin erzählt, was sie an der Uni sonst noch lernt – und wo sie später arbeiten möchte.
Aufgezeichnet von Lukas Kissel
Angehende Übersetzer:innen lernen, zwischen den Zeilen zu lesen (Symbolbild)

Angehende Übersetzer:innen lernen, zwischen den Zeilen zu lesen (Symbolbild)

Foto: Marco VDM / Getty Images
Studienfächer erklärt

In der Reihe »Studienfächer erklärt« stellen wir die beliebtesten Studienfächer in Deutschland vor. Wie viele Studierende an deutschen Hochschulen in welchem Fach eingeschrieben sind, ermittelt das Statistische Bundesamt einmal im Jahr . Unser Ranking bezieht sich auf die Zahlen für das Wintersemester 2019/2020.

Für die Fächer auf den ersten 30 Plätzen dieses Rankings gibt es jeweils ein Porträt – von Betriebswirtschaftslehre auf Platz 1 bis Wirtschaftsrecht auf Platz 30. Für die weiteren Porträts haben wir zusätzlich mit einbezogen, nach welchen Fächern besonders viele Menschen suchen. Weit oben stehen dann etwa Soziologie, Philosophie und Pharmazie. Grundlage ist hier eine Auswertung von Google für den Zeitraum 2021 bis September 2022.

Englisch wird weltweit von mehr als 300 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen, Spanisch sogar von mehr als 400 Millionen. Wer diese Sprachen perfekt beherrscht, hat es nicht nur im Urlaub leichter, sondern kann das auch zum Beruf machen: Absolvent:innen eines sogenannten Translationsstudiums lehren etwa an Volkshochschulen, übersetzen Bücher, dolmetschen im Gericht oder für internationale Organisationen. Beim Übersetzen geht es darum, einen Text in eine andere Sprache zu übertragen; beim Dolmetschen tut man das mit dem gesprochenen Wort.

Emily Heß, 20, studiert im zweiten Semester »Sprache, Kultur und Translation« im Bachelor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und hat dort die Fächer Englisch, Spanisch und Türkisch gewählt. Hier erzählt sie, was ein Übersetzungs- von einem Sprachwissenschaftsstudium unterscheidet und wie man einen Platz für ein Auslandssemester bekommt.

Die Entscheidung für ein Übersetzungsstudium

»In der Schulzeit verbrachte ich ein Auslandsjahr an einer Highschool in Pennsylvania, nach dem Abi war ich ein halbes Jahr als Au-pair in den Niederlanden. Ich liebe Sprachen, Kulturen und das Reisen. Als angehende Übersetzerin kann ich all das verbinden.

Ich habe mich für den Bachelor in Mainz entschieden, weil man Sprachen hier als Translationsstudium studieren kann, also nicht wie anderswo nur auf Lehramt. Am Tag der offenen Tür sah ich Studierenden beim Dolmetschen zu – das beeindruckte mich.

»Wer sich heute für ein Übersetzungsstudium entscheidet, hat auch noch in ein paar Jahrzehnten einen Job.«

In Englisch und Spanisch war ich schon durch den Schulunterricht auf fortgeschrittenem Niveau. Ich musste also keinen Sprachtest mehr machen, um zum Studium zugelassen zu werden. In meiner dritten Sprache Türkisch hatte ich keine Vorkenntnisse, das habe ich erst an der Uni angefangen zu lernen.

Als ich zu Studienbeginn einem Bekannten von meinem Fach erzählte, sagte der nur: ›Wirklich?!‹ Viele denken fälschlicherweise, Übersetzerin sei kein Beruf mit Zukunft – schließlich gebe es ja Google Translate und DeepL. Zwar arbeiten wir im Studium auch mit sehr guten Übersetzungsmaschinen. Aber bei Sprichwörtern, Metaphern und Wortwitz kommen die doch an ihre Grenzen. Ich bin überzeugt: Wer sich heute für ein Übersetzungsstudium entscheidet, hat auch noch in ein paar Jahrzehnten einen Job.«

Formale Voraussetzungen für ein Übersetzungsstudium:

  • Übersetzen und Dolmetschen wird in Studiengängen wie »Translation«, »Internationale Kommunikation« oder »Übersetzungswissenschaft« gelehrt. Dolmetschen ist dann ein Teil dieser Studiengänge, auf den sich Studierende im Master weiter spezialisieren können. Dolmetschen für Gebärdensprache wird an manchen Hochschulen auch als eigenständiger Studiengang angeboten.

  • Studieren kann man die Fächer in erster Linie an Universitäten. Um zugelassen zu werden, benötigt man in der Regel die Allgemeine Hochschulreife.

  • Meist gilt für Sprachstudiengänge kein Numerus clausus (NC). Für verbreitetere Fremdsprachen wie Französisch oder Spanisch werden allerdings in aller Regel Sprachkenntnisse vorausgesetzt, etwa auf Niveau B1. Dafür müssen Interessierte ein Sprachzertifikat vorweisen, zum Beispiel DELE im Spanischen, oder die Sprache mehrere Jahre in der Schule gelernt haben.

Was man noch mitbringen sollte: Lust darauf, sich schnell eine Sprache anzueignen – also Vokabeln zu lernen, viel zu sprechen und zu lesen. Außerdem die Bereitschaft, eine Zeit lang ins Ausland zu gehen. Denn auch wenn Auslandsaufenthalte nicht verpflichtend sind, werden sie von vielen Unis doch »dringend empfohlen«.

Inhalte und Aufbau des Studiums

»Mir gefällt, dass mein Studium so praxisnah ist: Wie verwende ich Sprache bei einem wissenschaftlichen Aufsatz, einem Gutachten oder einer Kinderzeitschrift? Welche Ausdrucksweise wähle ich für eine 50-jährige Leserin und welche für einen 14-jährigen Jugendlichen? Wie dolmetsche ich auf einem Fachkongress und wie in einer Verhandlung? Andere sprachwissenschaftliche Studiengänge sind theoretischer. Da lernt man vielleicht eher, warum und wie genau sich ein Wort über die Zeit entwickelt hat.

Das Translationsstudium zielt auf drei Kompetenzen: die Sprachkompetenz, also die Fähigkeit, die Fremdsprache lesen, sprechen und schreiben zu können. Die translatorische Kompetenz, bei der es ums eigentliche Übersetzen geht. Und schließlich die kulturwissenschaftliche Kompetenz, also, sich mit der Geschichte, den Bräuchen und Kulturen der jeweiligen Länder auszukennen. Da gibt es etwa eine Vorlesung zu Frauen in Lateinamerika oder Kurse zu gendergerechter Sprache im Spanischen.

Prüfungen fallen unterschiedlich aus. Mal hat man mündliche Tests, Hausarbeiten oder Klausuren. Und mal besteht man einfach durch aktive Teilnahme.

»Ein Auslandssemester ist nicht vorgeschrieben, aber eigentlich gehört es dazu.«

Translation ist kein Massenfach, bei uns bestehen die meisten Kurse nur aus vier oder fünf Leuten. Man muss also mitmachen und Vokabeln lernen. Denn bei so wenigen Teilnehmenden wird man sowieso drangenommen. Dadurch habe ich aber auch schnell Fortschritte gemacht: Türkisch übe ich erst seit einem halben Jahr – aber wenn ich Serien auf Türkisch schaue, verstehe ich trotzdem schon viel. Im Spanischen hatte ich manchmal das Gefühl, nicht auf demselben Niveau zu sein wie andere. In den Kursen sitzen auch viele Muttersprachler:innen mit einer besseren Aussprache und einem größeren Wortschatz. Zum Glück achten die Dozierenden darauf, dass man auch mit einem geringeren Niveau mitkommt.

Ein Auslandssemester ist nicht vorgeschrieben, aber eigentlich gehört es dazu. Meine Erfahrung: In den Sprachen, die viele studieren, ist es echt schwer, einen Platz an einer passenden Partneruni zu bekommen. Für Spanien zum Beispiel gibt es bei uns ein Auswahlverfahren und Vorstellungsgespräche, bis zuletzt muss man um seinen Platz bangen. Erfolg versprechender ist es, sich auf Unis in Lateinamerika zu bewerben, da wollen weniger Studierende hin. Allerdings bekommt man dort auch kein Erasmus-Stipendium. Ich habe mich dagegen für die Türkei beworben und wurde direkt angenommen – dieses Jahr geht es los.«

In Übersetzungsstudiengängen belegen Studierende typischerweise viele praktische Kurse zur Sprachkompetenz, in denen Grammatik, Schreibfertigkeit oder mündlicher Ausdruck gelehrt werden. In Wahlpflichtmodulen zur Regionalkompetenz setzen sie sich mit den Herkunftsländern der jeweiligen Sprache auseinander.

Sprachstudiengänge ohne Übersetzungsschwerpunkt sind dagegen meist in Sprachpraxis, Linguistik/Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft gegliedert. Wer nicht auf Lehramt studiert, belegt ein Kern- oder Beifach in einer anderen Sprache oder in einer Geisteswissenschaft. Als Lehramtsstudium werden Sprachen meist mit einem zweiten Fach kombiniert.

Berufsaussichten nach dem Studium

»Ich könnte mir vorstellen, später bei einer Hilfsorganisation und dann etwa an der mexikanischen Grenze zu arbeiten. Ich bekomme viel von der Situation der Geflüchteten an der US-Grenze mit, gern würde ich dort in der Flüchtlingsarbeit helfen. Mit Spanisch kämen auch viele andere Länder infrage, ich wäre nicht darauf festgelegt, in Deutschland zu arbeiten. Mich reizt aber auch, Bücher zu übersetzen. Vom Englischen ins Deutsche, vom Spanischen ins Deutsche. Und dann stünde mein Name drauf: ›Übersetzt von …‹

Es gibt nicht viele Menschen, die so speziell ausgebildet sind wie wir. Manche Absolvent:innen unseres Studiengangs finden schon nach dem Bachelor einen Job. Ich bin überzeugt, dass ich mit meinem Studium gute Berufschancen habe. So schnell werden uns Roboter nicht ersetzen.«

Branchen und Gehälter:

Mit einem Abschluss in Translation übersetzt man später etwa fiktionale Texte und Betriebsanleitungen oder schreibt Untertitel für Filme. Mit einer entsprechenden Spezialisierung dolmetscht man auch in Verhandlungen oder in der Wirtschaft. Wer Sprachen in einem Studiengang ohne Übersetzungsschwerpunkt studiert, kann später etwa in Schulen oder in der Erwachsenenbildung arbeiten, in Verlagen, Medien, im Tourismus oder in internationalen Organisationen.

Als Absolvent:in einer Kulturwissenschaft verdient man laut StepStone Gehaltsreport  durchschnittlich 39.400 Euro brutto im Jahr – im ��ffentlichen Dienst etwas mehr, in den Bereichen PR und Marketing etwas weniger. Übersetzer:innen verdienen laut StepStone  durchschnittlich 36.700 Euro.