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Studienfächer erklärt Was ich als Erstsemester gern über Philosophie gewusst hätte

Philosophie ist nur Palaver? Eine Studentin erzählt, welche Fähigkeiten man an der Uni lernt – und warum Philosophinnen entgegen allen Klischees auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind.
Aufgezeichnet von Veronika Silberg
Das Beherrschen der Denkerpose ist keine Voraussetzung für das Philosophie-Studium. (Symbolbild)

Das Beherrschen der Denkerpose ist keine Voraussetzung für das Philosophie-Studium. (Symbolbild)

Foto: Panagiotis Maravelis / iStockphoto / Getty Images
Studienfächer erklärt

In der Reihe »Studienfächer erklärt« stellen wir die beliebtesten Studienfächer in Deutschland vor. Wie viele Studierende an deutschen Hochschulen in welchem Fach eingeschrieben sind, ermittelt das Statistische Bundesamt einmal im Jahr . Unser Ranking bezieht sich auf die Zahlen für das Wintersemester 2019/2020.

Für die Fächer auf den ersten 30 Plätzen dieses Rankings gibt es jeweils ein Porträt – von Betriebswirtschaftslehre auf Platz 1 bis Wirtschaftsrecht auf Platz 30. Für die weiteren Porträts haben wir zusätzlich mit einbezogen, nach welchen Fächern besonders viele Menschen suchen. Weit oben stehen dann etwa Soziologie, Philosophie und Pharmazie. Grundlage ist hier eine Auswertung von Google für den Zeitraum 2021 bis September 2022.

»Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen?«, das fragte schon einer der berühmtesten deutschen Philosophen: Immanuel Kant. Auch das Studium der Philosophie kreist um die ganz großen Fragen unseres Daseins. Ethische Probleme werden diskutiert, selbstverständliche Wahrheiten angezweifelt und Handlungsansätze besprochen. Wird man damit zur »Philosophin«? Und welche Berufsmöglichkeiten gibt es?

Maria Fasbender, 25 studiert im Master Philosophie an der Freien Universität Berlin. Sie erklärt, ob man im Studium Antworten findet und warum sie sich mehr weibliche Stimmen in ihrem Fach wünscht.

Die Entscheidung fürs Philosophie-Studium

»Es gibt nicht den einen Grund, der mich ins Philosophie-Studium gebracht hat. Zwar habe ich schon früh bemerkt, wie sehr mich bestimmte Fragen beschäftigen. Erst im Nachhinein habe ich aber gelernt, dass die Philosophie diese Fragen behandelt. Sicher war es ein Faktor, dass meine Eltern beide das Gleiche studiert haben, sodass wir immer schon philosophische Bücher zu Hause stehen hatten, von denen ich absolut nichts verstanden habe. Ich habe die in die Hand genommen und mir gedacht: Es wäre spannend zu wissen, was da drin steht.

Ungefähr mit 16 hatte ich schließlich in der Schule einen kurzen Philosophiekurs. Ab da war es eigentlich beschlossene Sache. Direkt nach dem Abi bin ich nach Heidelberg gegangen und habe dort meinen Bachelor gemacht. Die Stadt ist relativ klein, aber das war für den Einstieg nicht schlecht. So konnte man sich mehr auf die Uni konzentrieren. Für den Master bin ich erst nach München und schließlich nach Berlin gegangen.

Formale Voraussetzungen für ein Philosophie-Studium:

  • Wer an einer Universität studieren möchte, benötigt in der Regel die allgemeine Hochschulreife.

  • Die meisten Universitäten verlangen für ein Philosophie-Studium keinen Numerus clausus. In Erfurt , Heidelberg , Mainz  oder Marburg  etwa ist der Studiengang zulassungsfrei. In München gibt es ein sogenanntes Voranmeldeverfahren, hierbei muss ein (folgenloser) Logik- und Textverständnistest absolviert werden. Einen NC gab es zuletzt an der FU  und der HU Berlin  (1,2 und 1,8), in Leipzig  (2,2), Hamburg  (2,7) und in Dresden  (2,2). Der Schnitt kann über die Jahre jedoch stark schwanken.

  • Im Bachelorstudium werden in den wenigsten Fällen Sprachkenntnisse  vorausgesetzt, meist aber empfohlen. Die Universität Stuttgart  setzt Englisch (B2) und eine weitere moderne Sprache voraus. Grundsätzlich empfehlen einige Hochschulen Vorkenntnisse in Latein und Altgriechisch.

Was man noch mitbringen sollte: Keine Angst vor langen, abstrakten Diskussionen und komplexen Theorietexten. Neugier, sich in andere Köpfe hineinzuversetzen, Eigenverantwortung und Selbstorganisation.

Inhalte und Aufbau des Studiums

»Teilweise haben wir im Studium genau das gemacht, was ich mir vorgestellt habe: Texte lesen und schreiben. Es ist ein sehr intensives Fach, weil man sich mit vielen wichtigen Fragen auseinandersetzt. Ein wenig enttäuscht wurde ich davon, dass man keine Antworten bekommt, sondern lernt, dass jede Frage Tausende weitere Fragen eröffnet. Sechs Semester sind außerdem wenig Zeit. Am Ende des Bachelors merkt man, was für einen winzigen Teil der Philosophie man erst erfasst hat. Fertig wird man eigentlich nie.

In der Regel gibt es wenig verpflichtende Veranstaltungen, in Heidelberg musste ich zum Beispiel lediglich eine Vorlesung ›Einführung in die Philosophie‹ und eine Logikvorlesung belegen. Zusätzlich gab es sechs Bereiche, aus denen man Seminare völlig frei wählen konnte.

Dass das Studium so offen strukturiert ist, sehe ich als Vorteil. Nur am Anfang hätten sich viele von uns mehr Unterstützung gewünscht, glaube ich. Manchmal stolpert man völlig orientierungslos in Seminare, ohne zu wissen, worum es eigentlich geht und was einen erwartet.

Mögliche Pflichtfächer: Einführung in die Philosophie, Theoretische Philosophie, Praktische Philosophie, Einführung in die formale Logik, Interdisziplinäre Studien, Klassiker

Mögliche Wahlfächer: »Erkenntnis, Wissenschaft und Technik«, »Ethik, Ästhetik und technologische Kultur«, »Geist und Maschine«, »Tiere wie wir«, Politische Philosophie, Metaphysik und Sprachphilosophie

Einen beispielhaften Studienverlauf gibt es auf der Website der Universität Leipzig . Seminar-Beispiele lassen sich im Vorlesungsverzeichnis der LMU München  nachlesen.

Anfangs fiel es mir zudem schwer, mich überhaupt in Veranstaltungen zu melden. In den Seminaren sitzen Studierende vom ersten bis zum sechsten Semester, das hat mich verunsichert. Ich habe, glaube ich, die ersten eineinhalb Jahre einfach gar nichts gesagt. Das würde ich heute anders machen.

»Für Studentinnen kann es schwierig sein, an eine Uni zu kommen, an der fast alle Lehrstühle von Männern besetzt sind. Da fehlen die Vorbilder.«

Studentin Maria Fasbender

Abgeschreckt hat mich außerdem, dass die theoretische Philosophie in Heidelberg sehr männerdominiert war. In Berlin ist das ein wenig besser. Für Studentinnen kann es schwierig sein, an eine Uni zu kommen, an der fast alle Lehrstühle von Männern besetzt sind. Da fehlen die Vorbilder. Zudem gibt es diesen männlich geprägten Genie-Gedanken. Gerade deshalb benötigt die Philosophie neue weibliche Stimmen.

Ich würde Erstsemestern, egal welchen Geschlechts, dazu raten, keine Scheu zu haben – weder, sich in Seminaren zu melden, noch vor klassischen Texten. Lesekreise zu gründen und außerhalb des Studiums mit Freund:innen das Philosophieren zu üben, kann dabei helfen. Auch das Schreiben muss man nicht von Anfang an beherrschen. Das ist ein Handwerk, das man mit der Zeit lernt. Je mehr du liest, desto eher findest du deinen eigenen Stil.

Die meisten Prüfungen im Studium sind Hausarbeiten. Tests, die man nur begrenzt wiederholen darf, gibt es kaum. Je nach Seminar ist der Aufwand unterschiedlich hoch. Wählt man seine Kurse entsprechend aus, könnte man auch durchkommen, ohne viel Zeit zu investieren. Aber das ergibt wenig Sinn – niemand studiert Philosophie für den Abschluss.«

Berufsaussichten nach dem Studium

»Leider bekommt man immer zu hören, wie wenig man mit einem Abschluss in Philosophie machen kann. Während des Bachelors war das für mich kein Problem – ich wusste immer, dass es danach mit dem Master weitergeht. In den letzten Semestern kam aber doch der Schock: Eigentlich weiß ich nicht, was als Nächstes kommt. Aktuell schreibe ich meine Masterarbeit zu Hegels Begriff des Wissens und spiele mit dem Gedanken, noch zu promovieren. Aber das würde ich eher für mich machen und nicht mit dem festen Ziel, in der Wissenschaft zu bleiben. Je mehr ich von den Arbeitsbedingungen mitbekomme, desto weniger sehe ich Universitäten als einen angenehmen Arbeitgeber.

Viele setzen auf das Philosophie-Studium noch ein anderes Studium darauf  oder sammeln nebenher praktische Erfahrungen. Damit hat man dann gute Chancen, in allen möglichen Bereichen Fuß zu fassen. Die Fähigkeit, kritisch und analytisch zu denken, wird letztlich überall benötigt.«

Branchen und Gehälter:

Nach dem Studium wartet auf Philosophie-Absolvent:innen ein »heterogenes Berufsfeld«, wie es die Uni Kiel  nennt. Wer für die akademische Arbeit brennt, kann eine Laufbahn an der Universität anstreben. Auch als Lehrer:in Philosophie oder Ethik zu unterrichten, ist möglich. Andere verschlägt es in die Unternehmensberatung oder in den Marketingbereich. In Verlagen, Medienhäusern, Stiftungen oder im pädagogischen Bereich können Philosophie-Absolvent:innen in beratenden Positionen tätig werden. Die Universität Konstanz bietet eine Broschüre  mit Einblicken in Berufsfelder an.

Wie viel Gehalt Absolvent:innen verdienen, fällt dementsprechend unterschiedlich aus. Laut der Job-Plattform StepStone  können Akademiker:innen mit einem Abschluss in »Geisteswissenschaften oder Philosophie« im Schnitt mit rund 36.500 Euro Einstiegsgehalt jährlich rechnen. Insgesamt liegt der Durchschnitt bei etwa 52.000 Euro brutto im Jahr.

In jedem Fall empfiehlt sich allerdings neben dem Studium Praxiserfahrungen (Praktika) zu sammeln oder Zusatzqualifikationen anzustreben.