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Studienfächer erklärt Was ich als Erstsemester gern über Kunstgeschichte gewusst hätte

Den Goldenen Schnitt suchen und alte Kirchen begutachten? Eine Studentin beschreibt, warum Kunstgeschichte auch für politische Diskurse nützt, wie oft es ins Museum geht und wie man hinterher doch einen Job findet.
Aufgezeichnet von Veronika Silberg
Wer Kunstgeschichte studiert, geht oft ins Museum – aber nicht nur (Symbolbild)

Wer Kunstgeschichte studiert, geht oft ins Museum – aber nicht nur (Symbolbild)

Foto: SeventyFour / iStockphoto / Getty Images
Studienfächer erklärt

In der Reihe »Studienfächer erklärt« stellen wir die beliebtesten Studienfächer in Deutschland vor. Wie viele Studierende an deutschen Hochschulen in welchem Fach eingeschrieben sind, ermittelt das Statistische Bundesamt einmal im Jahr . Unser Ranking bezieht sich auf die Zahlen für das Wintersemester 2019/2020.

Für die Fächer auf den ersten 30 Plätzen dieses Rankings gibt es jeweils ein Porträt – von Betriebswirtschaftslehre auf Platz 1 bis Wirtschaftsrecht auf Platz 30. Für die weiteren Porträts haben wir zusätzlich mit einbezogen, nach welchen Fächern besonders viele Menschen suchen. Weit oben stehen dann etwa Soziologie, Philosophie und Pharmazie. Grundlage ist hier eine Auswertung von Google für den Zeitraum 2021 bis September 2022.

Spätgotische Flügelaltäre und viele Rentner:innen im Vorlesungssaal: Dem Studienfach Kunstgeschichte eilt bisweilen ein angestaubter Ruf voraus. Häufig versteckt sich hinter Leinwand oder Büste jedoch ein Netz aus geschichtlichen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Kunsthistoriker:innen versuchen, dieses Netz zu entwirren.

Josephine, 23, studiert im fünften Semester Kunstgeschichte an der Universität Leipzig. Hier erzählt sie, was ihr Fach anderen Geisteswissenschaften voraushat, warum man schon früh über seine Berufsziele nachdenken sollte und was ihr dabei geholfen hat.

Die Entscheidung für Kunstgeschichte

»Ich glaube, viele studieren Kunstgeschichte einfach mal ins Blaue hinein, gern auch als Nebenfach. Bei mir war es ähnlich. Zwar hatte ich schon während der Schulzeit viele Berührungspunkte mit Kunst, meine Mutter ist Kunstschaffende, und meine beste Freundin hat nach dem Abitur an der Akademie Kunst studiert. Ich wollte mich damals erst mal ausprobieren. Ich habe mit Anglistik angefangen und danach ein Semester lang Archäologie studiert. Im Nebenfach hatte ich immer Kunstgeschichte – und irgendwann habe ich gemerkt, dass mich das eigentlich am allermeisten interessiert.

»Durch Kunst lassen sich soziale, politische und geschichtliche Entwicklungen verfolgen.«

Seit fünf Semestern studiere ich Kunstgeschichte jetzt im Hauptfach, erst in Stuttgart, inzwischen in Leipzig. Die Stadt hat kulturell einiges zu bieten, die Mietpreise sind niedrig, und es lehren renommierte Kunsthistoriker:innen an unserem Institut. Mich tagtäglich mit Kunstgegenständen auseinanderzusetzen, gefällt mir – wegen der Geschichte hinter jedem dieser Gegenstände, aber vor allem wegen der Einflüsse, die sich darin widerspiegeln. Durch Kunst lassen sich soziale, politische und geschichtliche Entwicklungen verfolgen.

Auf den ersten Blick sagt so ein Stillleben vielleicht nicht viel. Sieht man genauer hin, steckt aber immer mehr dahinter: Wann und unter welchen Umständen ist das Werk entstanden? Welche ikonografischen Bedeutungen hat jeder Gegenstand und welche Rolle spielte Kunst zu dieser Zeit? Die Auseinandersetzung ist dabei visueller als in anderen Geisteswissenschaften. Wir arbeiten eben mit handfesten Kunstobjekten.«

Formale Voraussetzungen für ein Studium in Kunstgeschichte:

  • Wer an einer Universität studieren möchte, benötigt in der Regel die Allgemeine Hochschulreife.

  • In den meisten Fällen ist Kunstgeschichte zulassungsfrei. Einige Studiengänge haben allerdings einen Numerus clausus (NC), etwa die in Hamburg  (2,2), Leipzig  (2,1) oder Köln  (1,7).

  • Sprachkenntnisse sind an den meisten kunsthistorischen Instituten ausdrücklich erwünscht. Häufig sind sie sogar Voraussetzung, um das Fach abzuschließen – etwa in Leipzig , Frankfurt  oder Düsseldorf . Am häufigsten gefordert werden Englisch und Latein, mitunter auch Grundkenntnisse in einer weiteren modernen Fremdsprache.

Was man noch mitbringen sollte: eine gute Beobachtungsgabe, kritisches Denkvermögen und keine Angst vor fremdsprachiger Fachliteratur

Inhalte und Aufbau des Studiums

»In den Seminaren gehen wir oft in Ausstellungen und machen Exkursionen – gern auch ins Ausland, etwa nach Stockholm oder Rom, Portugal oder Polen. Ein Teil der Kosten wird übernommen, einen Teil muss man selbst beitragen. Das kommt immer auf Exkursionsziel und Universität an. Mit 300 Euro Eigenbeteiligung sollte man rechnen. Manche Universitäten bieten auch eine günstige und eine teurere Exkursion an, um den Studierenden entgegenzukommen. Eintritt müssen Kunstgeschichtsstudierende in den meisten deutschen Museen dagegen nicht bezahlen.

Das heißt aber nicht, dass wir den ganzen Tag nur Ausstellungen und Kirchen ansehen. Ein kunsthistorisches Studium bedeutet viel Textarbeit: je höher das Semester, desto aufwendiger die Hausarbeiten. Man muss sich außerdem bewusst sein, dass man mitunter 30 bis 60 Seiten pro Woche lesen muss, als Vorbereitung auf die Seminare. Ich würde empfehlen, das auch nicht zu vernachlässigen – selbst wenn nur Zeit zum Überfliegen bleibt. Im Seminar zu sitzen und gar keine Ahnung zu haben, worum es geht, kann peinlich werden. In der Regel hält man dann pro Seminar noch ein Referat.

Klassische Prüfungen gibt es eher am Anfang des Studiums. Die ersten Semester beginnen mit Grundvorlesungen – in Leipzig waren das »Bildkünste« und eine für den kunsthistorischen Überblick: Man fängt im späten Mittelalter an und bewegt sich von Epoche zu Epoche bis zur zeitgenössischen Kunst.

Gerade weil der Arbeitsaufwand mit der Zeit zunimmt, würde ich Erstsemestern raten, grundlegende Prüfungen früh hinter sich zu bringen. Bei uns in Leipzig sind etwa Lateinkenntnisse Voraussetzung. Die kann man sich zwar auch später im Studium aneignen – ich würde aber unbedingt empfehlen, das gleich am Anfang zu erledigen. Dann hat man später keine zusätzlichen Prüfungen im Kopf, sondern kann sich auf die Hausarbeiten konzentrieren.

Typische Pflichtfächer: Kunstgeschichte des Mittelalters, der Frühen Neuzeit und der Moderne, Bild- und Kunstgeschichte der Vormoderne; Kunstgeschichte der Neuzeit; Christliche Archäologie; Interdisziplinäre Mittelalterstudien; Epochen und Arbeitstechniken

Mögliche Wahlfächer: Aspekte neuzeitlicher Skulptur; Malerei als Wissenschaft: Leonardo da Vincis »Libro di pittura«; Bilder der Liebe im Mittelalter; Stillleben! Eine transkulturelle Bildgeschichte der Gattung

Exkursionen und Praktika sind meist fester Bestandteil des Kunstgeschichtsstudiums und somit häufig verpflichtend in den Studienverlauf integriert.

Einen beispielhaften Semesterplan gibt es bei der TU Dresden , einen Vorlesungsplan bei der Universität Hamburg .

Ab dem dritten Semester konnte ich dann die meisten Seminare frei wählen und mit der Zeit einen individuellen Schwerpunkt setzen. Der kann sehr unterschiedlich aussehen: Es gibt Studierende, die sich auf moderne Architektur spezialisieren, niederländische Malerei oder Provenienzforschung  – die Liste ist lang. Anfangs hat mich Denkmalschutz sehr interessiert. Ein Kurs behandelte den Umgang mit kontroversen Denkmälern, ein politisch sehr aktuelles Thema. Jetzt beschäftige ich mich gerade besonders mit feministischer Kunst in den USA der Siebzigerjahre.

Man muss sich nicht unbedingt früh auf etwas festlegen – gerade im Bachelor. Meine Strategie war, erst mal alles Mögliche auszuprobieren. Dann kristallisiert sich schon ein Schwerpunkt heraus. Auch später ist ein Richtungswechsel noch möglich: Ich habe letztens mit einem Kurator gesprochen, der hatte zu Caravaggio promoviert, einem italienischen Maler des Frühbarock – inzwischen plant er Ausstellungen zur Leipziger Kunst ab 1900.«

Kunstgeschichte studieren – aber welche?

Das Themenfeld der Kunstgeschichte ist sehr weit – zeitlich, aber auch geografisch. Möglichkeiten, sich zu spezialisieren, gibt es dementsprechend viele. Die kunsthistorischen Institute können sich je nach Schwerpunkt der Lehrenden also erheblich unterscheiden. Hier lohnt sich ein Blick in die jeweiligen Fachbeschreibungen. In Augsburg  gibt es etwa einen Schwerpunkt für italienische, in Bonn  für niederländische Malerei. Die Freie Universität Berlin  bietet separate Studiengänge für europäische, afrikanische oder asiatische Kunst an.

Das von Kunsthistoriker:innen geführte Portal Kunstgeschichte  bietet eine geografische Übersicht zu den verschiedenen kunsthistorischen Instituten in Deutschland.

Berufsaussichten nach dem Studium

»Mir war wichtig, von Anfang an auch in meiner Freizeit viel Kultur mitzunehmen. Man kann etwa auf Vernissagen gehen oder sich in der lokalen Kunstszene einbringen. Seit vergangenem Jahr engagiere ich mich im Leipziger Kunstverein. Kommiliton:innen von mir haben gerade eine Pop-up-Ausstellung organisiert, andere helfen ehrenamtlich in Galerien aus.

»Kunstgeschichte ist nicht Lehramt – man weiß nicht sicher, wo man später landet.«

Diese Art zu netzwerken gehört für mich dazu und macht viel Spaß. Sie hilft außerdem bei der späteren Berufswahl. Kunstgeschichte ist nicht Lehramt – man weiß nicht sicher, wo man später landet, und am Ende zählt nicht allein der Notendurchschnitt. Deshalb ist es wichtig, sich früh mit möglichen Berufswegen auseinanderzusetzen und Menschen aus der Branche kennenzulernen. Auch Auslandssemester oder Praktika können helfen. Letzteres ist bei uns in Leipzig verpflichtend. Man kann zum Beispiel in Museen und Galerien mitarbeiten, aber auch in Archiven, Verlagen oder Bibliotheken. Hauptsache, es hat einen kunsthistorischen Bezug.

Ich würde später gern in den Ausstellungsbereich und als Kuratorin arbeiten. Erst mal mache ich aber noch meinen Master. Kunstgeschichte ist eins der Fächer, wo sich das auf jeden Fall lohnt. Im Museum etwa kommt man meines Wissens ohne Masterabschluss nicht weit. Ich habe auch schon Volontariatsstellen gesehen, die Bewerber:innen mit Doktortitel bevorzugen.«

Branchen und Gehälter:

Viele Absolvent:innen der Kunstgeschichte zieht es in den Bereich der Kunstvermittlung und -erhaltung. Sie arbeiten in Museen und Galerien, im Kunsthandel, in Archiven oder in der Denkmalpflege. Aber auch in Medienhäusern, Verlagen oder im Tourismus ist kunsthistorisches Wissen gefragt.

Je nach Branche kann das Gehalt nach dem Studium ganz unterschiedlich ausfallen. Laut der Karriereplattform Stepstone  liegt das durchschnittliche Jahresgehalt von Kunsthistoriker:innen bei etwa 56.000 Euro. Berufsanfänger:innen starten demnach mit etwa 49.000 Euro. Wer nur einen Bachelorabschluss hat, verdient in der Regel weniger.