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Anlage im Emsland Die ersten E-Fuels für Flugzeuge sind da – wenigstens fünf Tonnen

Fliegen, ohne dem Klima zu schaden? In Niedersachsen wurde erstmals Alternativsprit gewonnen, der einigen Passagieren bald einen Weg in die grüne Zukunft weist. Der Initiator empfiehlt dennoch: weniger fliegen.
Atmosfair-Geschäftführer Dietrich Brockhagen (r.) beim Betankungstest mit einem Tanklaster an der Anlage in Werlte

Atmosfair-Geschäftführer Dietrich Brockhagen (r.) beim Betankungstest mit einem Tanklaster an der Anlage in Werlte

Foto: atmosfair

Eine Anlage im Emsland hat die erste kleine Menge klimaneutraler Treibstoffe für Flugzeuge hergestellt. Man habe fünf Tonnen E-Kerosin produziert, sagte der Geschäftsführer der Klimaschutzfirma Atmosfair, Dietrich Brockhagen, am Freitag. Dies sei ein »erster Meilenstein zum Regelbetrieb«.

Die Pilotanlage  wurde bereits im Herbst 2021 in Werlte eingeweiht. Damals hatte die Lufthansa erklärt, sie werde die auf Basis von Ökostrom erzeugten E-Fuels für ihre Frachtflugzeuge nutzen. Davon ist nach weiteren zweieinhalb Jahren Verzögerung, um die Produktion in Gang zu bringen, keine Rede mehr. Ab dem Herbst wollen stattdessen zwei Münchner Reiseveranstalter (Hauser Exkursionen und Neue Wege Reisen) Flüge anbieten, bei denen der Stoff aus Werlte zu 0,1 Prozent dem herkömmlichen Kerosin beigemischt wird. Zudem nutzt Atmosfair die Anlage zum Verkauf von Gutschriften, mit denen Geschäftsreisende den durch ihre Flüge verursachten CO₂-Ausstoß kompensieren können.

Nach Angaben von Atmosfair und der Betreibergesellschaft Solarbelt handelt es sich um die erste auf Flugkerosin ausgelegte Anlage mit Industriegröße, die erfolgreich produziert hat. Sie solle zeigen, dass das Verfahren im Prinzip funktioniert – auch wenn die Technologie noch nicht reif sei. Zuletzt häuften sich Nachrichten von ähnlichen Projekten:

  • In der vergangenen Woche eröffnete im rheinischen Jülich eine erste Forschungsanlage für sogenannten Solartreibstoff. Dabei wird die Sonnenenergie in Form von Wärme statt Strom genutzt und über ein Feld aus Spiegeln auf einen 20 Meter hohen Turm gerichtet, in dem ein thermochemischer Reaktor künstliches Rohöl für die Kerosinproduktion erzeugt. Die Produktion von einigen Tonnen pro Jahr solle »voraussichtlich 2024« beginnen, ab dem kommenden Jahr ein größeres Projekt in Spanien folgen.

  • In Frankfurt-Höchst sind »die Vorbereitungen in vollem Gange« für die Inbetriebnahme einer Anlage, die wie die im Emsland auf eine Synthese aus Wasserstoff und CO₂ setzt. Ursprünglich sollte sie in diesem Jahr schon laufen und bis zu 2500 Tonnen Kraftstoff pro Jahr liefern, wobei Wasserstoff aus Abfallprozessen des dortigen Industrieparks verwendet wird.

  • Die weltweit größte Forschungsanlage entsteht in Leuna  (Sachsen-Anhalt). Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erklärte in der vergangenen Woche, nun beginne die Umsetzungsphase des semi-industriellen Projekts mit einer Kapazität von 2500 Tonnen pro Jahr. Um das lange geplante Vorhaben zu starten, hatte man einen Förderbescheid des Verkehrsministeriums über 130 Millionen Euro abgewartet. Zuvor erschien die Finanzierung wegen des Haushaltsstreits in der Ampelkoalition fraglich.

Zum Vergleich: Allein am Frankfurter Flughafen werden fast fünf Millionen Tonnen Kerosin pro Jahr getankt. Um einen bedeutenden Anteil des fossilen und klimaschädlichen Sprits zu ersetzen, wären also weit größere Pläne nötig. Die Umweltorganisation »Transport & Environment« zählte zuletzt  europaweit 56 Projekte zur Produktion von E-Kerosin mit mindestens 10.000 Tonnen Kapazität. Endgültig beschlossen sei die Investition noch für keines davon.

Deutsche E-Fuel-Quote auf der Kippe

In der Luftfahrt sind E-Fuels weniger umstritten als im Straßenverkehr, weil es auf absehbare Zeit an praktikablen Alternativen zum Verbrennungsmotor fehlt. Als kritisch gelten die hohen Energieverluste in der Produktion, die viel mehr grünen Strom als für elektrische Antriebe erfordern. Das hohe Batteriegewicht lässt trotz rascher Fortschritte nach heutigem Stand jedoch nur leichte Akkuflugzeuge mit kurzer Reichweite zu. Auch beim Wasserstoffantrieb als Alternative sind viele Probleme noch ungelöst.

Die Europäische Union will den von der Luftfahrt verursachten Klimaschaden mindern, indem sie Mindestquoten für nachhaltige Treibstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF) vorschreibt und deren Produktion fördert. Neben Biosprit, für den es an Rohstoffen und Anbauflächen mangelt, sollen die Fluggesellschaften ab 2030 dafür mindestens ein Prozent strombasiertes E-Kerosin verwenden. Deutschland legt sogar schon 2026 mit einer Power-to-Liquid-Quote von 0,5 Prozent vor. Atmosfair-Geschäftsführer Brockhagen zufolge sei »aber wahrscheinlich, dass diese deutsche Quote von der EU noch gekippt wird«.

Als vollständig klimaneutral gilt auch das mit »grünem« Wasserstoff auf Basis von erneuerbarem Strom erzeugte E-Kerosin aus dem Emsland noch nicht. Weil das synthetische Rohöl noch transportiert und in einer Raffinerie weiterverarbeitet werden muss, bescheinigte der T��V Süd dem Atmosfair-Produkt immerhin eine Ersparnis von 96 Prozent CO₂ im Vergleich zu fossilem Rohöl. Flugverkehr im heutigen Ausmaß sei für die nächsten Jahrzehnte nicht klimafreundlich möglich, sagte Brockhagen. Die wichtigste Klimaschutzmaßnahme bleibe: »weniger fliegen«.

ahh/dpa