An dieser Straßenecke in Buenos Aires wird pausenlos die Luft gereinigt - und zwar von diesem »Liquid Tree«, auf Deutsch: flüssiger Baum. Der kleine Bioreaktor wandelt Kohlendioxid in Sauerstoff um.
Maria Elena Oneto, Leiterin der »Y-TEC«-Umweltabteilung:
»Unsere Reaktoren im Rahmen des Projekts werden in städtischen Umgebungen installiert, also an Orten, die komplett versiegelt sind und an denen es nicht möglich ist, einen Baum zu pflanzen, oder zumindest im großen Maßstab. Wir sagen immer, dass wir einen Baum dort pflanzen, wo es möglich ist, aber dort, wo es nicht möglich ist, haben wir diese Option.«
Und so funktioniert’s: In den Wassertank mit Mikroalgen wird Luft gepumpt. Die kleinen Algen nehmen darin enthaltenes CO₂ auf und wandeln es durch Fotosynthese in Sauerstoff und Biomasse um. Der Prozess ähnelt dem eines Baumes, die Algen sollen jedoch mehr Kohlendioxid auf einmal speichern und besser mit schmutziger Luft umgehen können.
Ein solcher Bioreaktor sei mit zwei zehn Jahre alten Bäumen oder mit einer 200 Quadratmeter großen Rasenfläche vergleichbar, sagen die Forscherinnen und Forscher. Er soll pro Jahr eine halbe Tonne CO₂ binden können. Zum Vergleich: Argentinien stößt knapp 200 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr aus. Im großen Stil können die Anlagen das Treibhausgas also nicht aus der Atmosphäre filtern. Dort erreicht die CO₂-Konzentration aktuell einen neuen Höchstwert. Der Anteil von Kohlendioxid steigt nicht nur, er steigt sogar schneller als noch vor 20 oder 40 Jahren.
Der Treibhausgaseffekt sei zwar ein Problem vor allem für das globale Klima, doch bei der Bekämpfung von Luftverschmutzung konzentriert sich die Forschung auf andere Aspekte, sagt Mira Pöhlker vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung.
Mira Pöhlker, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung:
»Wenn wir über Air Pollution sprechen, sprechen wir meistens eigentlich nicht über den Klimaaspekt der Aerosole, sondern wir sprechen eigentlich darüber, was diese Aerosole und die Gase auf den menschlichen Körper bewirken. Und da ist es ganz wichtig, genau wie bei radioaktiver Strahlung, da kennt man das ja so ein bisschen, dass es da um die Exposition geht. Also wie viel bekomme ich von dem Stoff ab? Und das hängt natürlich auch von der Zeit ab.«
An Orten mit einer hohen CO₂-Konzentration, wie etwa viel befahrenen Straßen, seien solche Bioreaktoren sinnvoll, da sie frischen Sauerstoff liefern. Doch Pöhlker bleibt skeptisch, wie viel die »Liquid Trees« tatsächlich bringen. Denn bei der fossilen Energieerzeugung und im Straßenverkehr werden auch Schwefeldioxid und Stickoxide freigesetzt, die von den Mikroalgen nicht gefiltert werden.
Mira Pöhlker, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung:
»Die Luftverschmutzung setzt sich aus verschiedenen Stoffen zusammen. Und es ist eben nicht nur CO₂. CO₂ ist schon auch ein Teil der Luftverschmutzung, also ist jetzt auch nicht so gesund. Das merkt man ja gerade, wenn man in einem Raum ist und viel atmet, die Konzentration lässt nach. Man wird müde, man kriegt Kopfschmerzen, wenn man eben zu viel CO₂ in der Luft hat. Das heißt, es ist nicht ganz gesund. Das Problem mit CO₂ haben wir jetzt in Deutschland aber mehr in den Räumen. Außerhalb der Räume ist es, was die Luftverschmutzung und der Effekt auf unseren Körper angeht, da würde man eher von CO sprechen, von Ozon und auch von Partikeln.«
Und es gibt noch ein Problem: Wie effizient die »Liquid Trees« sind, ist umstritten. Studien zeigen, dass Mikroalgen zwar prinzipiell aus Kohlendioxid Sauerstoff produzieren, die Fotosynthese aber bei höheren Temperaturen sowie hohen Schwefel-, Stickstoffoxid und Partikelkonzentrationen in der Luft deutlich weniger effizient ist. Diese winzigen Teilchen sind mit dem bloßen Auge nicht zu sehen und können sich je nach Größe auch in der Lunge ablagern oder sogar in die Blutbahn gelangen. Die Erforschung der Auswirkungen der Partikel sei herausfordernd, sagt Mira Pöhlker.
Mira Pöhlker, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung:
»Wie wirken die sich wirklich auf den Körper aus? Also was sind die exakten Effekte? Weil das ist gar nicht so einfach zu untersuchen, weil jeder Mensch ist ja anders und jeder Mensch reagiert anders auf diese Effekte, die diese Aerosole haben können. Und dann ist es auch das Problem, dass es oft auch andere Sachen gibt, die gleichzeitig passieren. Also sagen wir mal, es ist gleichzeitig heiß oder gleichzeitig ist es besonders kalt und ich habe sowieso einen Schnupfen und deswegen habe ich sowieso Husten. Deswegen ist es sehr, sehr schwer zu untersuchen. Und deswegen wissen wir da auch wirklich noch nicht viel, was dieses Thema angeht.«
Auch in Serbien wird ein »Liquid Tree«-Ansatz verfolgt. In der Hauptstadt Belgrad steht ebenfalls ein solcher Wassertank mit Mikroalgen. Hier geht es den Machern auch darum, Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Eine integrierte Bank mit USB-Anschlüssen zum Aufladen von Smartphones soll dabei helfen. Der weltweite CO₂-Ausstoß wird erstmal weiterwachsen, daran ändern auch die »Liquid Trees« nichts.