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TV-Interview Netanyahu kündigt Ende der intensiven Kampfphase in Gaza an

Laut dem israelischen Premier neigt sich die heißeste Kampfphase in Gaza dem Ende zu. Der Krieg sei aber noch lange nicht vorbei. Vielmehr könne man nun Kräfte nach Norden verlegen – in Richtung Libanon.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (im Oktober 2023)

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (im Oktober 2023)

Foto: Abir Sultan / AP

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat im Gazakrieg ein baldiges Ende der intensiven Kampfphase in Aussicht gestellt. Er will den Krieg aber erst mit der Zerschlagung der islamistischen Hamas beenden. Das sagte Netanyahu am Sonntagabend im israelischen Fernsehsender Channel 14.

Auf die Frage, ob er nach Ende der intensiven Kampfphase bereit sei, mit der Hamas eine Vereinbarung zu treffen, die eine Verpflichtung zur Beendigung des Krieges darstellen würde, antwortete Netanyahu mit Nein.

Er sei zu einer vorübergehenden Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung einiger Geiseln bereit. Danach aber müssten die Kämpfe weitergehen, bis die Hamas zerstört sei. Netanyahus Äußerungen bei dem seltenen Liveauftritt vor heimischem Publikum lösten laut israelischen Medienberichten Wirbel aus.

Gleich darauf sah sich das Büro des Ministerpräsidenten zu einer Klarstellung veranlasst: »Es ist die Hamas, die ein Abkommen ablehnt, nicht Israel«, hieß es am Abend in einer knappen Mitteilung. Netanyahu habe deutlich gemacht, »dass wir Gaza nicht verlassen werden, bis wir alle 120 unserer Geiseln, lebende und verstorbene, zurückgebracht haben«, hieß es weiter.

Ende Mai hatte US-Präsident Joe Biden überraschend einen dreistufigen Plan für eine Waffenruhe vorgestellt. Dieser sieht vor, dass eine vorübergehende Feuerpause eingehalten wird und währenddessen einige der Geiseln freikommen. In einer zweiten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln auf freien Fuß kommen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Nachdem die intensive Phase im Gazakrieg beendet sei, werde man die Möglichkeit haben, einen Teil der Truppen nach Norden zu verlegen, sagte Netanyahu. »Und das werden wir auch tun«, so der Premierminister. Dort, im Grenzgebiet zum Libanon, beschießen sich Israel und die libanesische Hisbollah seit mehr als acht Monaten. Zuletzt nahm die Intensität der Gefechte deutlich zu.

Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht – so wie es eine Uno-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem größeren Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant.

Baerbock in Israel – zum achten Mal seit dem 7. Oktober

Vor seiner Abreise am Wochenende in die USA bekräftigte Gallant, sein Land sei »auf jeden Einsatz vorbereitet, der erforderlich sein könnte, im Gazastreifen, im Libanon und in anderen Gebieten«. Es wird befürchtet, dass ein offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon sich zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch die USA als wichtigster Verbündeter Israels hineingezogen würden. Angesichts der wachsenden Sorgen vor einer Eskalation reist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock an diesem Montag nach Tel Aviv.

DER SPIEGEL

Es ist der achte Israelbesuch Baerbocks seit der Terrorattacke der Hamas auf das Land am 7. Oktober. Der blutige Überfall war der Auslöser des Krieges gewesen. Bei den Gesprächen der Grünenpolitikerin in Israel und den palästinensischen Gebieten am Dienstag werden nach Angaben einer Sprecherin des Auswärtigen Amts der Krieg im Gazastreifen sowie die katastrophale humanitäre Lage in dem abgeriegelten Küstengebiet im Zentrum stehen. Am Dienstagabend will Baerbock auch Gespräche in der libanesischen Hauptstadt Beirut führen.

Unterdessen wiesen der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sowie der EU-Kommissar für Krisenschutz, Janez Lenarčič, in einer gemeinsamen Erklärung auf die verheerende Versorgungslage in Gaza hin. Es sei inzwischen nahezu unmöglich geworden, in dem Kriegsgebiet nennenswerte humanitäre Hilfe zu leisten. Die hungernden Menschen griffen zu verzweifelten Maßnahmen, um an die wenigen Hilfsgüter heranzukommen, die ins Land gelangen. »Wir appellieren erneut an alle Konfliktparteien, ihrer völkerrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden«, hieß es. Zuvor hatte auch Uno-Generalsekretär Guterres beklagt, Chaos und »totale Gesetzlosigkeit« verhinderten die Verteilung humanitärer Hilfe.

jok/dpa