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Gazakrieg Zehntausende Israelis demonstrieren für schnellen Geiseldeal

Vor neun Monaten überfiel die Terrororganisation Hamas Israel und verschleppte 250 Menschen. Etwa die Hälfte von ihnen ist noch immer nicht frei. Mit landesweiten Protesten sollte jetzt der Druck auf Premier Netanyahu erhöht werden.
Massenprotest in Tel Aviv: Druck auf Netanyahu

Massenprotest in Tel Aviv: Druck auf Netanyahu

Foto: Abir Sultan / EPA

In Israel steigt der Druck auf Regierungschef Benjamin Netanyahu, einen raschen Geiseldeal mit der islamistischen Hamas zu erreichen. Bei landesweiten Protesten am Samstagabend forderten Zehntausende Menschen einen Erfolg bei den indirekten Verhandlungen über eine Freilassung der Geiseln und eine Waffenruhe in Gaza.

»Abkommen jetzt!«, skandierten Menschen bei einer Massendemo in Tel Aviv. Vor genau neun Monaten, am 7. Oktober, hatte die Hamas Israel überfallen, 1200 Menschen ermordet und 250 weitere verschleppt. Nach israelischer Schätzung befinden sich noch knapp 120 Geiseln in der Gewalt der Entführer; viele sind aber womöglich nicht mehr am Leben.

Protest an der Grenze

Zum Auftakt eines von Protestgruppen geplanten »Tages der Störung« versammelten sich Aktivisten am Sonntagmorgen nahe der Grenze zum Gazastreifen, um schwarze und gelbe Luftballons steigen zu lassen. Das berichtete die »Times of Israel«. Die Farbe Gelb dient als Symbol für das Schicksal der Geiseln. Die Ballons waren an Schildern angebracht, die die Gemeinden repräsentieren, die am 7. Oktober überfallen worden waren.

Die Proteste wurden durch Berichte geschürt, wonach es nach langem Stillstand Fortschritte bei den von Katar, Ägypten und den USA vermittelten Verhandlungen gibt. Sie sollen nach israelischen Angaben kommende Woche fortgesetzt werden. »Zum ersten Mal seit vielen langen Monaten haben wir wieder Hoffnung«, sagte eine Demonstrantin, deren Sohn während des Terrorüberfalls vor neun Monaten in den Gazastreifen entführt wurde. »Das ist eine Chance, die wir nicht verpassen dürfen«, rief sie der Zeitung »Haaretz« zufolge.

An Israels Regierungschef gerichtet, sagte die Mutter: »Netanyahu, wir haben gesehen, wie Sie immer wieder die Abkommen im Moment der Wahrheit torpediert haben und unsere Herzen jedes Mal in Stücke gerissen haben.« Mit eindringlichen Worten flehte sie den Ministerpräsidenten an: »Wagen Sie es nicht, unsere Herzen noch einmal zu brechen.« Netanyahu regiert zusammen mit ultrareligiösen und rechtsextremen Koalitionspartnern, die Zugeständnisse an die Hamas ablehnen und auf die Netanyahu Rücksicht nehmen muss.

Video von Geisel eingespielt

Auf der Kundgebung in Tel Aviv wurde auf einer Großleinwand ein Video mit einer ehemaligen Geisel eingespielt. Der 22-jährige Almog Meir Jan, den Israels Militär vor einem Monat befreit hatte, sagt darin: »Wir brauchen einen Deal, damit alle Mütter ihre Kinder und Ehemänner umarmen können, so wie ich jetzt meine Mutter jeden Morgen umarme.« Dass die Hamas nun offenbar mehr Flexibilität zeigt, macht vielen Menschen Hoffnung. Laut dem Büro von Israels Regierungschef gibt es aber weiter Streitpunkte zwischen beiden Seiten.

Auf dem Tisch liegt ein Stufenplan, der zunächst eine zeitlich befristete Waffenruhe vorsieht sowie den Austausch von weiblichen, älteren und kranken Geiseln gegen eine größere Zahl von palästinensischen Häftlingen in israelischen Gefängnissen.

Während der Waffenruhe sollen die Seiten über die Beendigung des Krieges und die Freilassung der restlichen Geiseln verhandeln. Bislang machte die Hamas zur Bedingung, dass Israel sich vorab zum Ende aller Kampfhandlungen verpflichtet. Von dieser Kernforderung soll sie laut Medien abgerückt sein.

Unterdessen gehen die Kämpfe in Gaza vorerst weiter. Bei einem Luftangriff auf eine Flüchtlingsunterkunft im mittleren Abschnitt des abgeriegelten Gebiets wurden nach palästinensischen Angaben 16 Menschen getötet. Es handele es sich um eine ehemalige Schule des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA, hieß es.

Das israelische Militär teilte mit, dass es mehrere Kämpfer der Hamas im Areal der UNRWA-Schule angegriffen habe. Das Objekt habe den Terroristen als Versteck und Operationsbasis für Attacken auf das israelische Militär gedient. Im Vorfeld des Angriffs habe man Schritte unternommen, das Risiko für Zivilisten zu minimieren. Die Angaben beider Seiten ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

sms/dpa