Tech Update Burn-out und Desillusion in der Start-up-Szene
Liebe Leserin, lieber Leser.
Lange Zeit ging in der Start-up-Szene alles immer weiter bergauf. Schneller, höher, weiter, das war das Mantra der Nullzinsära. Wagniskapitalgeber mit locker sitzenden Millionen pumpten auch deutsche Start-ups immer rabiater auf, wir haben das journalistisch eng begleitet. Die Gründerinnen und Gründer avancierten selbst zu Stars. Bis es irgendwann eben nicht mehr bergauf ging. Der Start-up-Hype ist mittlerweile stark abgekühlt – gleichzeitig wurde deutlich, dass nicht nur im großen Stil Geld, sondern auch die Gesundheit vieler Unternehmerinnen und Unternehmer verbrannt wurde. Den eindrücklichen Report meiner Kollegin Christina Kyriasoglou über Gründerinnen und Gründer am Erschöpfungslimit möchte ich Ihnen in dieser Woche sehr ans Herz legen.
Das sind unsere Topthemen diese Woche:
Burn-out und Desillusion: Start-up-Gründer stellen sich die Sinnfrage.
Münchener Start-up Kinexon: Ihr Sensor im EM-Ball sorgt für Aufregung.
KI-Experte: „Deutschland droht zum KI-Entwicklungsland zu werden“.
Exklusive Recherche: Burn-out und Desillusion in der Start-up-Szene
Wollen anders denken: Pitch-Gründer Christian Reber, Investorin Carolin Gabor, Tonies-Gründer Marcus Stahl und Patric Faßbender (v. l. n. r.)
Fotos [M]: Franziska Turner / Pitch, Dirk Eisel, Marcus Simaitis / laif
Die Krisen der vergangenen Monate stoppten das Hyperwachstum der Start-up-Szene abrupt – und legten die teils krankhaften Strukturen der Branche offen. Dort hat nicht nur deshalb ein großes Hinterfragen begonnen: Viele Gründerinnen und Gründer stehen vor der Erschöpfung – und probieren sich an der Kehrtwende. Wie, darüber hat meine Kollegin Christina Kyriasoglou mit vielen von ihnen in teils sehr persönlichen Gesprächen diskutiert. Ihr Report zeichnet nach, wie es eigentlich so weit kommen konnte und welche Konsequenzen die Betroffenen daraus ziehen .
Köpfe: Oliver Trinchera ++ Alexander Hüttenbrink ++ André Schwämmlein ++ Marianne Janik ++ Jeff Bezos ++ Marc Benioff ++ Melis Sekmen ++ Stephan von Erffa
Ballentwickler: Kinexon-Gründer Alexander Hüttenbrink und Oliver Trinchera
Foto:Louisa Marie Summer / Kinexon
Oliver Trinchera (40) und Alexander Hüttenbrink (40) sind zwar keine Profifußballer, haben aber in der aktuellen Europameisterschaft eine entscheidende Rolle für die deutsche Mannschaft gespielt. Die steht heute im EM-Viertelfinale, auch dank zweier knapper Videoschiedsrichterurteile. Mitentscheidend dabei: ein kleiner Sensor im Ball, den die beiden Münchener mit ihrem Unternehmen Kinexon entwickelt haben. Mein Kollege Tim Spark stellt das Start-up und die beiden Gründer dahinter vor .
André Schwämmlein (42), Co-Gründer und CEO von Flix, bekommt neue Investoren: EQT und Multimilliardär Klaus-Michael Kühne (87) steigen groß ein. Ein Börsengang der giftgrünen Bus-und-Bahn-Bude ist damit aktuell vom Tisch.
Marianne Janik (59), bis Ende März noch Deutschlandchefin bei Microsoft, wechselt das Lager: Bald soll sie offenbar bei Google antreten und Nachfolgerin von Daniel Holz (55) werden.
Melis Sekmen (30), Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Parlamentskreises „Gründungen & Start-ups“, wechselt ebenfalls das Lager: von Grün zu Schwarz. Warum sich die Grünen-Politikerin jetzt der CDU-Fraktion anschließt.
Jeff Bezos (60), Gründer von Amazon, macht richtig Kasse – und das schon zum zweiten Mal in diesem Jahr. Auf dem historischen Höchststand versilbert er Amazon-Aktien im Wert von 5 Milliarden Dollar.
Marc Benioff (59), CEO von Salesforce, würde ebenfalls gern Kasse machen, darf aber womöglich nicht. Die Aktionäre haben gegen die üppigen Vergütungspakete der Salesforce-Führungskräfte votiert . Kleiner Trost: Mr Benioff hat ja noch ein paar Aktien. Geschätztes Vermögen: 9,8 Milliarden Dollar.
Stephan von Erffa, ehemaliger Buchhalter von Wirecard, will aussagen. Seit anderthalb Jahren läuft der Wirecard-Prozess, seitdem hat von Erffa geschwiegen. Seine Verteidigerin kündigte nun seinen Sinneswandel vor Gericht an – was den gesamten Prozess beeinflussen dürfte.
Interview der Woche: „Deutschland wird zum KI-Entwicklungsland“
Note vier minus für Deutschlands KI: Berater Alexander Thamm
Die Recherche meiner Kollegin Mirjam Hecking zu Aleph Alpha in der vergangenen Woche hat gezeigt: Der lang gefeierte Hoffnungsträger steht wacklig da, sein Produkt schneidet im internationalen Vergleich schlecht ab . Seitdem hat sich eine Debatte entsponnen, wie es aktuell um die KI-Entwicklung in Deutschland bestellt ist. Ich habe mit einem gesprochen, der es wissen kann: Alexander Thamm (41), einflussreicher Berater und so etwas wie der KI-Zar der Bundesregierung. Er warnt: Falls wir nichts tun, könnte Deutschland zum KI-Entwicklungsland mutieren. Ideen hat er schon, wie sich das ändern ließe – und erklärt, in welchen Bereichen er noch Chancen für eine deutsche KI sieht .
Round-up: Vodafone ++ Wero ++ Meta ++ Magic.dev
Setzt auf KI: Vodafone-Chefin Margherita Della Valle
Foto: Albert Gea / REUTERSWer liebt es nicht? KI-Chatbots werden von Telefonanbietern schon seit Jahren verwendet, um Kundenanfragen zu beantworten. Vodafone-CEO Margherita Della Valle (59) nimmt nun viel Geld in die Hand, um den Vodafone-Chatbot mit neuer KI zu verbessern: 140 Millionen Euro sollen in diesem Jahr in die KI-Kundenbetreuung fließen.
Mit der App Wero der European Payment Initiative wollen 14 Banken und zwei Zahlungsfirmen seit dieser Woche Mastercard, Visa und PayPal angreifen. Zum Start des neuen Bezahlsystems beteiligen sich in Deutschland überwiegend Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Deutsche Bank.
„Pay or Consent“: Die EU-Kommission ist überzeugt, dass die Facebook-Mutter Meta mit dem Bezahlmodell auf ihren sozialen Netzwerken gegen den Digital Markets Act (DMA) verstößt. Nutzer würden auf Facebook und Instagram gezwungen, ihre persönlichen Daten herauszugeben.
Die nächste KI-Hoffnung kommt aus Wien: Magic.dev, gegründet von Eric Steinberger (CEO) und Sebastian De Ro (CTO). Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, befindet sich das Start-up aktuell in Gesprächen für eine Finanzierungsrunde in Höhe von 200 Millionen Dollar (bei einer Bewertung von 1,5 Milliarden Dollar). Damit hätten die Österreicher Unicorn-Status erreicht – zwei Jahre nach Gründung und mit gerade einmal rund 20 Mitarbeitenden.
Chart der Woche: Die IPO-Lücke
Börsenparkett in Frankfurt oder doch lieber die Wall Street? Wie viel Techfirmen beim Börsengang wert sind, unterscheidet sich erheblich. Die gesamte Marktkapitalisierung bei Börsengängen in den USA ist etwa 11,6-mal höher als in Europa. Das zeigt eine aktuelle Studie der Beratung McKinsey zu den Börsengängen (europäischer) Techunternehmen. Diese Diskrepanz hat unterschiedliche Gründe: Zum einen gibt es grundsätzlich mehr Börsengänge in den USA, außerdem verzeichnen die US-Firmen höhere Bewertungen bei der Notierung als die europäischen Player.
Podcast-Tipp der Woche: Waymo
Die deutschen Autokonzerne haben ihre Pläne für autonomes Fahren entweder eingestellt oder abgespeckt. Die Google-Tochter Waymo dagegen beweist mit ihren Robotaxis in San Francisco, dass die fahrerlosen Flotten auch in Innenstädten ein alltagstaugliches Verkehrsmittel sind. Mein Kollege Jonas Rest hat sich eine Woche lang mit Waymo durch die US-Metropole bewegt. Im manager-magazin-Podcast „Das Thema“ berichtet er, wieso Waymo Tesla abgehängt hat – und wann die Robotaxis nach Europa kommen.
Skilling me softly: KI-Workshops
An dieser Stelle ein kurzer Hinweis in eigener Sache: Wer beim Thema KI (noch) sattelfester werden will, dem bieten unsere Kolleginnen von manage > forward gleich zwei spannende Masterclasses: „Künstliche Intelligenz – Potenziale erkennen und nutzen“ am 15. Juli und „Ihr persönlicher KI-Assistent: Besser prompten“ am 16. Juli.
Error 404 – das hat noch gefehlt: KI-Turnen
Kopflos, dafür mit drei Armen: Eine Turnerin, ausgemalt von einer KI
Foto: Screenshot Video: Deedy / XDer ultimative Endgegner von KI-Videomodellen ist: die Gymnastik. Diesen Eindruck könnte man zumindest gewinnen, schaut man sich das Video an, das in den vergangenen Tagen auf sozialen Netzwerken wie X viral gegangen ist : Deformierte Körper an Turngeräten sind da zu sehen, oftmals ohne Kopf, dafür mit einem, vier oder sechs Beinen. So „off“, so daneben sind diese Bilder, dass man sich danach bei dem Gedanken erwischt, dass es bis zur von manchen heraufbeschworenen KI-Apokalypse vermutlich doch noch ein Weilchen hin ist. Andererseits: Da auch die meisten Menschen im Schulunterricht nicht gerade ihre Liebe zum Schwebebalken entdeckt haben, sind sich KI und Mensch vielleicht doch schon ähnlicher als gedacht.
Nun wünschen wir Ihnen einen schönen Freitag, denn das war es schon wieder mit dem aktuellen „Tech Update“. Leiten Sie den Newsletter gern an andere Interessierte weiter. Abonnieren können Sie uns hier, damit Sie auch in Zukunft keine Ausgabe verpassen.
Und wie immer: Fragen, Anmerkungen oder Kritik gern an tech-update@manager-magazin.de .
Viele Grüße
Sarah Heuberger