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Bundeshaushalt und Wachstumspaket So will die Bundesregierung die Wirtschaft ankurbeln

Die Ampel hat sich nach langem Ringen auf einen Bundeshaushalt 2025 sowie ein Konjunkturpaket geeinigt. Geplant sind unter anderem Steuererleichterungen für Unternehmen, Anreize für ausländische Fachkräfte und Sonderabschreibungen für E-Autos.
Haben sich endlich geeinigt: Bundeskanzler Olaf Scholz hat gemeinsam mit Robert Habeck und Christian Lindner einen Finanzplan für die deutsche Wirtschaft bis zum Jahr 2028 ausgearbeitet

Haben sich endlich geeinigt: Bundeskanzler Olaf Scholz hat gemeinsam mit Robert Habeck und Christian Lindner einen Finanzplan für die deutsche Wirtschaft bis zum Jahr 2028 ausgearbeitet

Foto: Michael Kappeler / dpa

Die Spitzen der Ampel-Koalition haben sich nach langen Verhandlungen auf einen Bundeshaushalt 2025 und ein Wachstumspaket für Deutschland geeinigt. Mit dem „Konjunkturpaket“ will die Bundesregierung das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Vorgesehen sind darin etwa Steuervorteile für Unternehmen, Anreize für das Arbeiten im Alter und Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Die FDP hat sich auch mit einer Aufweichung des Lieferkettengesetzes durchgesetzt.

Halbes Prozent Wachstum erhofft

Umfassende Entlastungsschritte sollen im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum von mehr als einem halben Prozent führen können – 26 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung seien möglich. So sind beschleunigte Abschreibungen von Investitionen und eine verbesserte Forschungszulage geplant.

Einen Schwerpunkt legt die Regierung auf Arbeit und Soziales, nachdem die FDP im Sozialbereich Kürzungen verlangt hatte. Langzeitarbeitslose sollen künftig einen Bonus bekommen, wenn sie einen regulären Job annehmen, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (54, Grüne) ankündigte. Umgekehrt werde die Überwachung, dass man angebotene Arbeit auch annehme, strenger, so Habeck.

Langfristige Senkung der Stromsteuer

Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD), hob die langfristige Senkung der Stromsteuer auf das in der EU zulässige Minimum hervor. Auch werde die sogenannte Strompreiskompensation, von der besonders energieintensive Wirtschaftsbereiche profitieren, bis 2030 verlängert. „Beides sorgt für Milliardenentlastung für die deutsche Wirtschaft“, sagte Scholz.

Unternehmen profitieren demnach auch von einer Verlängerung der sogenannten degressiven Abschreibung bis 2028. „Investitionen können also schneller steuerlich geltend gemacht werden“, sagte der Bundeskanzler. Wirtschaftsminister Habeck hob zudem Sonderabschreibungen für gewerblich genutzte E-Autos hervor. Er erhoffe sich davon einen „Impuls“ für die Autoindustrie. „Das kann das Klima gut gebrauchen, das kann die deutsche Automobilwirtschaft gut gebrauchen.“

Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian, begrüßte die Ausweitung der Abschreibungsmöglichkeiten und die Initiative als Ganzes. Bei den Energiepreisen griffen die Ampelbeschlüsse aber zu kurz, erklärte er. „Die Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft bei den Energiepreisen bleiben daher eine große Investitionsbremse.“

Mit Steueranreizen gegen den Fachkräftemangel

Bundesfinanzminister Christian Lindner (45, FDP) zufolge wird der Fachkräftemangel etwa mit Steueranreizen für ausländische Fachkräfte angegangen. In den ersten drei Jahren ihrer Tätigkeit in Deutschland erhalten sie einen Steuerrabatt von zunächst 30, dann 20, dann 10 Prozent, wie er ausführte. Außerdem soll es Asylbewerbern erleichtert werden, eine Arbeit aufzunehmen.

Experten wie die Wirtschaftsweise Veronika Grimm (52) und der Ökonom Sebastian Dullien von der Hans-Böckler-Stiftung begrüßten diese Ankündigungen. „Generell sollte man es für Zugewanderte erleichtern, eine Arbeit aufzunehmen“, sagte Grimm der „Augsburger Allgemeinen“. Dirk Jandura vom Außenhandelsverband sprach von einem „mutigen Schritt“. Kritik kam hingegen von der AfD: Steuerrabatte für Ausländer seien „ein Schlag ins Gesicht der fleißigen deutschen Arbeitnehmer“, erklärte der Bundestagsabgeordnete Leif-Erik Holm.

Mehr Geld für längeres Arbeiten

Lindner stellte des Weiteren Anreize zur Mehrarbeit in Aussicht. So sollen Arbeitnehmer, die über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten, den Arbeitgeberanteil für die Rentenversicherung erhalten – „also ein ganz deutlicher Anreiz, länger zu arbeiten“, sagte der Finanzminister. Auch Überstunden sollen demnach steuer- und beitragsfrei vergütet werden können. Der Verband der Familienunternehmer mahnte, dass an dieser Stelle neue Bürokratie oder alternativ Missbrauchsanfälligkeit drohten.

Lieferkettengesetz gelockert

Auch von Änderungen beim umstrittenen Lieferkettengesetz erhofft sich die „Ampel“ wirtschaftliche Impulse. Zwei Drittel der Unternehmen würden künftig nicht mehr unter die deutschen Vorschriften zur Achtung auf Menschenrechts- und Umweltverstöße entlang ihrer Lieferkette fallen, sagte Lindner. Auch werde die Umsetzung des europäischen Lieferkettengesetzes so weit wie möglich hinausgezögert. Applaus dafür kam etwa vom Einzelhandelsverband HDE.

FDP setzt sich bei Schuldenbremse durch

Durchgesetzt hat sich die FDP bei der Schuldenbremse. Bis 2028 ist sie einzuhalten. Eine Notlage soll demnach nicht festgestellt werden. Kommendes Jahr plant die Regierung mit neuen Schulden in Höhe von 44 Milliarden Euro – im Rahmen der Schuldenbremse, wie Lindner versicherte. Geplant seien Ausgaben von 481 Milliarden Euro, davon 57 Milliarden Euro Investitionen. Es handle sich „mitnichten“ um einen Sparhaushalt. Es sei jeder Stein im Haushalt umgedreht worden, wo Ausgaben verringert werden könnten. Für das laufende Jahr ist ein Nachtragshaushalt geplant. 2024 steige die Nettokreditaufnahme im Rahmen der Schuldenbremse auf 50,5 Milliarden Euro.

Reformen beim Bürgergeld

Lindner kündigte „Reformen beim Bürgergeld“ an: Mitwirkungspflichten würden geschärft. Neue Meldeverpflichtungen für kurzfristig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Menschen würden eingeführt: Betroffene sollten sich einmal monatlich bürokratiearm bei der Bundesagentur für Arbeit melden müssen. Regeln dafür, welche angebotene Arbeit als zumutbar gelte, würden weiterentwickelt. Die Karenzzeiten beim Schonvermögen würden zudem halbiert, so Lindner. Heute gelten im ersten Jahr nach dem erstmaligen Bürgergeld-Antrag erhöhte Freibeträge auf das Vermögen sowie das Aussetzen von Prüfungen zu Unterkunftskosten.

Habeck kündigte an, dass 100.000 Menschen, die Bürgergeld beziehen, durch die Maßnahmen die Leistung dann nicht mehr benötigten sollten. Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe seien dadurch möglich. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte, die Treffsicherheit des Sozialstaates steige – soziale Leistungen schränke die Regierung aber nicht ein. Habeck betonte, die Belebung des Arbeitsmarkts und das Verkleinern der Fachkräftelücke hätten „das größte Wachstumspotenzial“. Beispielsweise sollten künftig die Ausländerämter nur 14 Tage Zeit haben, einem Antrag eines Ausländers auf Arbeit in Deutschland zu widersprechen – sonst soll die Arbeitsaufnahme als genehmigt gelten.

Faeser zufrieden mit Sicherheitsausgaben

Zufrieden zeigte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (53, SPD). Der Schutz der Menschen in Deutschland werde mit starken Investitionen in die innere Sicherheit gestärkt. Aus Regierungskreisen hieß es, auch im kommenden Jahr werde es 1000 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten bei der Bundespolizei geben. Lindner kündigte rund eine Milliarde Euro mehr als bisher vorgesehen für die Sicherheitsbehörden an. Auch der Katastrophenschutz, das Technische Hilfswerk (THW) und der Zoll sollen nach Regierungsangaben besser ausgestattet werden.

23 Treffen für einen Haushalt

Scholz, Lindner und Habeck hatten sich nach Lindners Angaben 23 Mal für den Haushalt getroffen. Bis gegen fünf Uhr am Morgen brauchte es, um die Ausgaben des Bundes im kommenden Jahr zu planen. Spekulationen über einen möglichen Koalitionsbruch, die in den vergangenen Tagen immer lauter geworden waren, hielt Scholz entgegen: „Die Nerven zu verlieren, hinzuschmeißen, vor der Verantwortung wegzulaufen – dafür hätte ich als Bundeskanzler keinerlei Verständnis.“ Deutschland müsse in dieser Zeit ein Stabilitätsanker in Europa sein.

Ein Hinziehen des Hickhacks über die Sommerpause sollte verhindert werden. Am 17. Juli soll nun der Entwurf im Kabinett beschlossen werden.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger begrüßte die Haushaltseinigung und das Wirtschaftspaket als „Lebenszeichen der Koalition“. Es seien auch richtige Prioritäten erkennbar. Doch „Ankündigungen sind keine Gesetze“, und die Vorlage des Pakets kurz vor Beginn der Sommerpause spreche „nicht für eine rasche Umsetzung“. Ähnlich äußerte sich auch Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.

dri, mhe/dpa-afx, AFP