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Ralph Denk

Pedale und Performance Warum Erfolg bei der Tour de France Kopfsache ist

Ralph Denk
Ein Gastbeitrag von Ralph Denk, CEO von Red Bull Bora Hansgrohe
Bei der Tour de France kämpft das deutsche Team Red Bull Bora Hansgrohe mit Topfahrer Primož Roglič um den Sieg. Hier spricht CEO Ralph Denk darüber, warum Erfolg im Radsport vor allem Kopfsache und welches das richtige Mindset ist.
Der Kapitän des deutschen Teams: Der Slowene Primož Roglič wurde beim Zeitfahren am Freitag dritter

Der Kapitän des deutschen Teams: Der Slowene Primož Roglič wurde beim Zeitfahren am Freitag dritter

Foto:

David Pintens / Belga / IMAGO

Seit ein paar Tagen begeistert die Tour de France wieder Abermillionen Zuschauer. Weltweit sind Menschen im Rennradfieber. Der Rennradsport boomt, die neue Netflix-Staffel über das weltgrößte Radrennen ist jetzt schon ein Hit.

Zum ersten Mal seit Langem startet ein deutsches Team bei der Tour wieder mit einem Topfavoriten. Ich habe dieses Team aufgebaut – und ich bin stolz, dass wir so weit gekommen sind. Mit Red Bull haben wir gerade eine weltweit bekannte Marke als unseren neuen Partner gewonnen.

Wer im Radsport Erfolg  haben will, muss immer wieder an die Basis ran: Es geht um die richtige Einstellung. Im vergangenen Jahr habe ich dazu ein Buch herausgebracht: „Nur alles zählt“. So lautet das Mindset für Erfolg im Profiradsport.

Wer nach oben und dort bleiben will, braucht vor allem eins: Fleiß. Wie heißt es so schön? „Hard work beats talent when talent does not work hard.“ Wir sehen das bei unseren Fahrern. Auch an einem nassgrauen Frühjahrsmorgen mit dichtem Verkehr steigen sie aufs Rad, um sich auf eine Schlüsseletappe für den Sommer vorzubereiten. Akribisch studieren sie mit ihren Trainern die Daten, hinterfragen jedes Gramm Nahrung und schwitzen nicht nur in der kalten Jahreszeit im Kraftraum. Das alles kostet Überwindung, enorme geistige Kraft. Aber es lohnt sich.

An Wettbewerb wachsen

Wer sich durchsetzen will, braucht Widerstandskraft und muss dem dauerhaften Druck standhalten. Im Leistungssport herrscht extremer Wettbewerb. Meine Aufgabe als Teamchef ist es, wie bei CEOs in Unternehmen, diese Konkurrenz in den Köpfen zu verankern, sie zu akzeptieren und positiv zu sehen. Bei der Tour de France treffen unsere acht Fahrer auf 168 andere. Sie alle haben sich bis ins letzte Detail vorbereitet. Im Hintergrund wurde außerdem enorm an Plänen und Material getüftelt. Dennoch nimmt nur ein Fahrer das Gelbe Trikot mit nach Hause.

Diesen Wettbewerb nicht nur hinzunehmen, sondern an ihm zu wachsen, ist eine Riesenaufgabe. Und ein ständiger Kampf. Denn unsere Tour-Fahrer haben sich erst einmal unter 29 eigenen Leuten unseres Rennstalls durchgesetzt. Wenn wir ein Team zusammenstellen, kommt es darauf an, dass sich die Stärken und Persönlichkeiten für das gemeinsame Ziel perfekt ergänzen. Gelingt es uns, dieses positive Mindset für Wettbewerb im eigenen Team und mit anderen Mannschaften zu kultivieren, dann spornt das alle extrem an.

Teamwork stützt den Favoriten bei seiner Mission

Radsport ist vor allem Zusammenspiel der Individuen, Teamwork pur. Damit das Individuelle und das Team sich perfekt ergänzen, hat unsere Tour-Auswahl die zurückliegenden zehn Wochen mit Teambuilding verbracht: beim gemeinsamen Höhentraining in der Sierra Nevada, bei gemeinsamen Rennen und danach gleich wieder in den Alpen.

Es ist ein Leben mit Verzicht. Es sind Wochen ohne Familie, ohne Ablenkungen – mit maximalem Fokus auf das Ziel. Diese Phase ist essenziell, sie schweißt das Team zusammen. Starke Persönlichkeiten finden zueinander. Darum haben wir uns im Teammanagement dazu entschieden, den Fahrern nicht alles vorzusetzen, sondern sie auch einmal miteinander kochen zu lassen. Ein Setting, in dem einige der besten Vertreter ihrer Zunft ohne Eitelkeiten zusammenwachsen. Es sind eben nicht nur die Wattzahlen, die entscheiden – gerade das Gemeinsame stützt den Favoriten bei seiner Mission.

Das Mindset des Leaders

Es ist ein großes Glück, mit den Allerbesten zusammenzuarbeiten. Das gilt nicht nur für die sportlichen Leistungen, sondern auch für ihre Einstellung. Das merke ich ganz besonders in diesen Wochen. Wir haben im Winter Primož Roglič (34) als Kapitän verpflichtet. Er kam vom erfolgreichsten Team und wechselte zu uns mit einem klaren, ehrgeizigen Ziel: Er will seinen ersten Tour-Sieg, alles für das berühmte Gelbe Trikot. Primož ist ein wahrer Leader, der dieses Mindset immer verkörpert: Er hinterfragt, er arbeitet nach, er achtet auf Nuancen, er diskutiert und akzeptiert auch, wenn es bessere Argumente gibt. Er lebt den Sport, inspiriert seine Teamkameraden und zahlt es zurück mit Erfolgen.

Wer meint, ein Ausdauersportler müsse nur nach Plan trainieren, sollte mal bei ihm reinschnuppern. Was ihn als Kapitän ausmacht, ist die unnachgiebige Art, für unsere Ziele und vor allem an sich selbst zu arbeiten. Es sind solche Persönlichkeiten, an denen sich andere erfolgreiche Sportler ausrichten.

Sich weiterentwickeln und neue Ziele setzen

Primož bei uns zu haben ist für mich eine großartige Geschichte. Es zeigt: Mein Team ist weit gekommen. Ich will nicht stagnieren, denn das bedeutet den sofortigen Abstieg. Um im Radsport an der Spitze zu bleiben, muss ich vor allem an den Gedanken der Fahrer feilen. Ich muss Neues finden, anders denken als andere Teammanager und mit Routinen brechen.

Bei der Tour oben mitzumischen scheint jetzt erstmals in Reichweite. Das war immer ein großer Traum. Aber Träume sind nichts Statisches. Das Erreichte darf uns niemals genügen. Darum geht es im Radsport: den Kopf so ausrichten, dass er sich dauerhaft weiterentwickelt.

Für mich bedeutet dies, dass ich längst daran arbeite, die beliebteste Marke im Radsport zu schaffen. Für unser Team bedeutet es, bei der Tour auf neue Ebenen vorzudringen. Ob sich das auszahlt, ob das Mindset aus Fleiß, Teamwork und Leadership zum Erfolg führt, sehen wir in zwei Wochen. Aber auch das ist punktuell. Denn schon heute ist klar, dass wir uns auf etwas noch Größeres vorbereiten werden: dass wir uns auch nach der letzten Tour-Etappe 2024 weiterentwickeln.

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