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„Wegen guter Führung“ Spinne ich – oder spinnen die anderen?

Haben Sie schon einmal in der Kaffeeküche gelästert? Kein Grund, sich schuldig zu fühlen, sagen die Soziologen Judith Muster und Finn Rasmus-Bull. Unternehmen seien wilde Sozialsysteme und Witze über die Chefin oft gesund für die Organisation. So verstehen Sie, wie Ihr Unternehmen wirklich tickt.

Wer sitzt am Konferenztisch vorn am Fenster? Welche Arbeitszeit wird erwartet? Wie kann ich mein Projekt durchbringen? Erfahrene Führungskräfte wissen: Das Organigramm verrät nur einen Teil der Wahrheit. In jedem Unternehmen gibt es mächtige Spieler, die keinen Titel haben, und unausgesprochene Regeln. Diese informelle Seite der Macht ist genauso wichtig wie Fleiß, Talent und Engagement, um Karriere zu machen oder Konflikte zu lösen. Denn Hierarchien sind nicht starr, sondern stets in Bewegung und von Beziehungen beeinflusst.

„Die Organisation ist ein wildes Sozialsystem, das man nicht in Griff bekommen kann“, sagt Judith Muster. Gemeinsam mit Finn-Rasmus Bull durchleuchtet sie Unternehmen anhand der Systemtheorie nach Niklas Luhmann. Führungskräfte können Fragen aus der Soziologie nutzen, um zu verstehen, wie Ihr Unternehmen wirklich tickt. Viele Konflikte sehen in diesem Licht plötzlich ganz anders aus. Und: Wer die Spielregeln entschlüsselt, kann seine Ideen oft schneller voranbringen und Vorgesetzte bis hin zum CEO steuern. Fünf Fragen helfen Ihnen zu entschlüsseln, wie Ihr Unternehmen tickt.

Wegen guter Führung – Der ehrliche Führungspodcast
Foto: [M] Alexander Hagmann

Antonia Götsch, Chefredakteurin des Harvard Business managers, meldet sich alle zwei Wochen mit „Wegen guter Führung“. Sie spricht mit anderen Führungskräften und Expert:innen aus der Wissenschaft. Ehrlich, fundiert, offen und auch mal lustig. Sie teilt, was sie selbst gelernt hat, woran sie scheitert, und sie versucht, auch ihren Gästen zu entlocken, was sie sonst nur ihren Vertrauten verraten.

Alle Folgen

1. Wer kann mein Anliegen fördern oder verhindern? Neben all den Regeln und Organigrammen, gibt es in jedem Unternehmen informelle Hierarchien und Entscheidungswege: den Kollegen mit dem direkten Draht zur Chefin oder den IT-Experten, der die Tickets vergibt und ein Projekt nach vorn schieben oder verzögern kann. Wissen, Ressourcen, Kommunikationsbeschränkungen sind die wichtigsten Machtressourcen in der Organisation“, sagt Muster. Um zu verstehen, wer Ihr Projekt fördern oder sogar verhindern kann, sollten Sie analysieren, wer über besonderes Wissen verfügt, Ressourcen vergeben kann oder Zugang zur „höher bezahlten Einsicht“ hat, so nennt Luhmann den direkten Draht zur nächsten Hierarchieebene.

2. Welches Problem löst dieses Verhalten? Gibt es einen Konflikt oder Probleme, suchen wir in Unternehmen meist reflexhaft nach einem Schuldigen oder überlegen, welche Persönlichkeitseigenschaften dazu führen könnten, dass Menschen streiten oder scheitern („Die Kollegin tickt einfach nicht unternehmerisch genug. Der Kollege ist schwierig“). Viele Probleme und Konflikte sind aber schon in der Organisation angelegt. Drei Teams müssen um eine knappe Ressource ringen oder es gibt unausgesprochene Hierarchien in einem kleinen Team. „Auch pauschale Zuschreibungen und Großdiagnosen sind oft ein Warnsignal, dass handfeste Strukturkonflikte vorliegen“, sagt Muster. Zum Beispiel: „Das Mittelmanagement ist eine Lehmschicht.“ Oder: „Wir brauchen eine bessere Fehlerkultur.“

Jede Organisation hat ihre eigene Art von Hinterzimmern, Orte, an denen sich Netzwerke finden und Informationen fließen.

3. Gibt es eine Abkürzung? Wer immer den vorgeschriebenen Weg geht, wird es schwer haben, in Unternehmen Wirkung zu entfalten. Informelle Prozesse überbrücken Silos und machen Prozesse flüssiger, weil sie oft einen kurzen Dienstweg ermöglichen. Unternehmen seien viel zu komplex, um jeden Fall vordenken und regeln zu können, sagt Finn-Rasmus Bull: „In einer Matrixstruktur zum Beispiel gibt es Hunderte mögliche Berichtswege und Lösungen.“ Deshalb hängt der Erfolg oder Misserfolg oft daran, wie gut die Beziehungen zwischen verschiedenen Abteilungen und Mitarbeitenden sind, gerade in Matrixunternehmen.

4. Was passiert in der Kaffeeküche? Jede Organisation hat ihre eigene Art von Hinterzimmern, Orte, an denen sich Netzwerke finden und Informationen fließen. In der Kaffeeküche werden zum Beispiel oft Allianzen geschmiedet, Karrieren gestartet, Klatsch und kleine Fiesheiten ausgetauscht. Aus soziologischer Perspektive ist dieses Verhalten erwartbar – und für Organisationen oft sogar nützlich als Entlastungsfunktion „Fragen Sie sich, was für eine Funktion ein Verhalten oder eine Struktur hat“, erklärt Muster. Mobbing sollten Chefs und Chefinnen niemals dulden. Aber wenn Mitarbeitende während eines Change-Projekts in der Kaffeeküche oder im Chat Dampf ablassen über die nervige Chefin und ihre neuen Ideen, sollten Führungskräfte das ruhig tolerieren. Denn Meckern und Lästern ist oft ein Weg, mit Druck umzugehen, und kann Stress abbauen.

5. Führe ich oder meine Kollegin? Für die Kunst, seine Vorgesetzten von unten zu lenken, hat Luhmann den Begriff der „Unterwachung“ geprägt. Das klingt manipulativ, aber im Alltag müssen Führungskräfte mit ihrer Aufmerksamkeit haushalten. Sie können nicht alles überblicken und entscheiden. Daher führen im Schatten oft Mitarbeitende. Kluge Führungskräfte erkennen dieses Prinzip und schaffen Räume, in denen sie andere führen lassen. Wichtig dabei: Unterwachung erfordert Vertrauen und Schutz. Gibt es einen Rüffel von der nächsthöheren Ebene, sollten Führungskräfte die Verantwortung übernehmen.

Wie die Kunst der Schattenführung gelingt und wie Machtcliquen in Unternehmen entstehen, erfahren Sie im Podcast „Wegen guter Führung“ mit Judith Muster und Finn-Rasmus Bull.

In „Wegen guter Führung – der ehrliche Führungspodcast“ spricht Antonia Götsch, Chefredakteurin des Harvard Business managers, alle zwei Wochen mit Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Sport über Führung, Strategie und Management. „Wegen guter Führung“ erscheint 14-täglich hier sowie auf Spotify  und Apple  im Podcast.

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