Zum Inhalt springen

Lebensmittel aus dem Labor Fleisch? Reis? Fleischreis!

Ein Forschungsteam aus Südkorea präsentiert eine klimafreundliche Lösung für Nahrungsprobleme. Der neue Reis ist rosa, riecht buttrig und enthält Protein wie Rindfleisch. Vegetarisch sind die Körner allerdings nicht.
Schüssel mit Fleischreis: Rinderzellen in Reiskörner injiziert

Schüssel mit Fleischreis: Rinderzellen in Reiskörner injiziert

Foto:

Anthony Wallace / AFP

Hong Jin Kee und sein Team von der Yonsei Universität in Seoul wollen die Ernährung revolutionieren. In einem kleinen Labor in Seoul injiziert das Team südkoreanischer Wissenschaftler gezüchtete Rinderzellen in einzelne Reiskörner. Die Fleischzellen wachsen weiter, es entsteht eine Art Fleischreis. Ist das die neue tier-, umwelt- und klimafreundliche Proteinquelle für Menschen?

Mithilfe von Laborfleisch »können wir tierisches Eiwei�� gewinnen, ohne Tiere zu schlachten«, sagt Hong. Der rosafarbene Fleischreis könne etwa bei Hungersnöten helfen. Auch als Astronautennahrung sei er denkbar.

Die Fleischindustrie steht regelmäßig in der Kritik, zum einen aus ethischer Sicht wegen des Leidens der Tiere, zum anderen wegen der schlechten Klimabilanz der intensiven Tierhaltung. Unternehmen und Forscher weltweit arbeiten deshalb seit Jahren an der Entwicklung von Ersatzprodukten.

Rosa Farbe, buttriger Duft

Die Südkoreaner entschieden sich für Reis als Basis für ihren Fleischersatz – vor allem, weil das Getreide bereits die wichtigste Proteinquelle für Menschen in Asien ist. Außerdem habe Reis eine »leicht poröse Struktur«, sagt Hong. Wenn Fleischzellen – im vorliegenden Fall Rinderzellen – in den Reis injiziert werden, biete das Korn »eine ideale Struktur für ein gleichmäßiges Wachstum der Zellen von innen nach außen«.

Forscher Hong Jin Kee: »Tierisches Eiweiß gewinnen, ohne Tiere zu schlachten«

Forscher Hong Jin Kee: »Tierisches Eiweiß gewinnen, ohne Tiere zu schlachten«

Foto: Anthony Wallace / AFP

Der so entstehende Fleischreis unterscheidet sich von normalem Reis optisch nur durch seine Rosafärbung. Außerdem riecht er leicht buttrig. Bei den Nährwerten weist er den Forschern zufolge einen acht Prozent höheren Protein- und einen sieben Prozent höheren Fettgehalt auf.

Das Herstellungsverfahren ist bislang allerdings sehr aufwendig. Die Reiskörner werden mit Fischgelatine beschichtet, um die Haftung zu verbessern, und dann einzeln mit Rinderzellen injiziert. In einer Petrischale wachsen anschließend elf Tage lang die Fleischzellen im Reis heran.

Hong und sein Team wollen den Herstellungsprozess weiter vereinfachen. Er hoffe, dass der Fleischreis schon bald eine Zulassung als Notnahrungsmittel in Hungergebieten erhält, sagt der Forscher. »Für diejenigen, die nur eine Mahlzeit am Tag zu sich nehmen können, ist eine leichte Erhöhung des Proteingehalts, selbst um nur ein paar Prozent, unglaublich wichtig.«

Deutlich bessere Klimabilanz

Die Klimabilanz des Fleischreises fällt deutlich besser aus, weil keine Tiere mehr aufgezogen und gehalten werden müssen. Hong schätzt den Treibhausgasausstoß auf 6,27 Kilogramm CO₂ pro 100 Gramm Eiweiß. Der Ausstoß von Treibhausgasen bei der Produktion von Rindfleisch sei achtmal so hoch.

Im Labor hergestelltes Fleisch »wird seit Langem als Klimalösung im Vergleich zur traditionellen Viehzucht dargestellt«, sagt Neil Stephens, Dozent für Technologie und Gesellschaft an der Universität Birmingham. Bisher falle es aber noch schwer, »in großem Maßstab und billig zu produzieren, mit geringem Energiebedarf und umweltfreundlichen Zutaten«. Der Fleischreis habe hier als Hybridprodukt möglicherweise Vorteile.

»Dennoch muss es seine Umweltfreundlichkeit in großem Maßstab unter Beweis stellen«, sagt Stephens weiter. »Und die Menschen müssen überzeugt werden, den Reis zu essen. Beides könnte eine Herausforderung sein.«

Viele Experten räumen Laborfleisch jedenfalls großes Potenzial ein. Die Beratungsfirma A. T. Kearney etwa rechnete bereits vor fünf Jahren damit, dass bis 2040 nur noch 40 Prozent des Fleischkonsums von konventioneller Fleischproduktion abgedeckt wird. Auch Milch, Eiklar, Gelatine und Fisch könnten künstlich hergestellt werden.

ahh/AFP