Etwas zögerlich betritt Tessa den Boden ihrer neuen Heimat Kasachstan. Es ist das Ende eines einzigartigen Umzugs – von vier Przewalski-Pferden aus dem Tierpark Berlin in die Steppe von Kasachstan.
Annette Klein, Tierärztin:
»Es hat extrem gut geklappt. Wir wussten alle nicht, wie es laufen wird. Auch wie die Tiere sich machen, wie gut wir die auseinander sortiert bekommen, wie viel Aufregung in der Gruppe drin ist, wenn wir erst mal anfangen. Aber das hat richtig gut funktioniert.«
Zwei Tage zuvor in Berlin: Die Pferde stärken sich, wenig später beginnt die Reise der seltenen Tiere nach Zentralasien, in die eurasische Steppe, den ursprünglichen Lebensraum der Tiere. Das Przewalski-Pferd wird auch asiatisches oder mongolisches Wildpferd genannt – Namensgeber ist der russische Expeditionsreisende Nikolai Michailowitsch Przewalski. Ende des 19. Jahrhunderts waren die Tiere weitgehend ausgestorben, in den 1960er Jahren wurden die letzten freilebenden Exemplare gesichtet. Zuchtprogramme sicherten das Überleben der Art. Im Tierpark Berlin kamen gerade erst zwei Fohlen zur Welt. Die Reise nach Kasachstan beginnt: Die Boxen mit den drei bis fünf Jahre alten Pferden werden in eine tschechische Militärmaschine geladen. 4000 Kilometer wird die kostbare Fracht zurücklegen: von Berlin mit Zwischenstopps in Istanbul und Baku bis nach Arkalyk in Kasachstan. Mit an Bord ist ein Team von Tierpflegern und Tierärzten. Annette Klein lässt die Tiere nicht aus den Augen.
Annette Klein, Tierärztin:
»Wenn die unruhig werden, dann versuchen wir, sie mit etwas Futter abzulenken, dass sie einfach beschäftigt sind. Aber sie haben die ganze Flugzeit stillgehalten. Aber jetzt schauen wir eben einmal. Heu findet sie toll. Das Wasser ist ihr noch etwas suspekt, weil wir hier diese Kellen haben. Das kennen sie natürlich überhaupt nicht. Man hört sie die Menge rausschnauben. Das ist ihr einfach etwas gruselig. Vielleicht muss sie erst noch erkennen, dass das eigentlich Wasser und Brot ist.«
Die Altyn-Dala-Steppe in Kasachstan – 750 000 Quadrat-Kilometer karge Landschaft. Alles in allem fast 20 Stunden dauert der Flug, bei nicht gerade komfortablen Reisebedingungen. An Bord ist es deutlich kühler als in regulären Passagiermaschinen – so mögen es die Pferde. Landung in Arkalyk. Ein großes Team erwartet die kostbare Fracht. Lokale Ranger helfen beim Entladen. Die Papiere werden geprüft, dann beginnt die letzte Etappe: Acht Stunden mit dem Lkw in die »Goldene Steppe«, wie das neue Zuhause der Wildpferde auch genannt wird. Noch eine Handvoll Heu von Annette Klein – als Wegzehrung und wohl auch zur Beruhigung. Die klimatischen Bedingungen in der Steppe sind extrem: Im Sommer herrschen bis zu 40 Grad Celsius, im Winter bis zu 40 Grad unter null. Ankunft nach zwei strapaziösen Tagen. Die Boxen werden geöffnet - auf diesen Moment haben alle gewartet.
Annette Klein, Tierärztin:
»Die Tessa, die eigentlich sehr forsch ist, war sehr vorsichtig. Man muss dazu sagen, es war natürlich auch noch kein Pferd draußen. Es war einfach nur: Die Box geht auf, da sind Menschen, da sind Geräusche. Man ist irgendwo im Nirgendwo, wo man es noch nie gesehen hat. Deswegen war sie ein wenig zögerlich, da rauszugehen. Während die anderen wahrscheinlich gesehen haben: Okay, Pferd kennt es, da hüpfe ich hinterher.«
Neben den vier Przewalski-Pferden aus Berlin sind noch drei Tiere aus dem Prager Zoo in der Steppe angekommen. In den kommenden Wochen werden die Wildpferde zu einer Herde zusammenwachsen. Noch gut ein Jahr lang werden sie intensiv beobachtet und betreut – und die Herde soll weiterwachsen: In den nächsten fünf Jahren sollen mindestens 40 Przewalski-Pferde in ihrem natürlichen Lebensraum wieder angesiedelt werden.