Zum Inhalt springen

Radikale Reform empfohlen Experten fordern billigeren Strom und teurere fossile Brennstoffe

Diesel und Erdgas sollten stärker besteuert werden und Strom günstiger: Das schlägt ein Beratergremium der Bundesregierung in einem Bericht vor. Zudem sei ein weiterer, künftig wichtiger Energieträger zu fördern.
Installation von Solarpanels: Im Jahr 2023 soll etwas mehr als die Hälfte des verbrauchten Stroms aus Windrädern, Fotovoltaikanlagen und anderen regenerativen Quellen gekommen sein

Installation von Solarpanels: Im Jahr 2023 soll etwas mehr als die Hälfte des verbrauchten Stroms aus Windrädern, Fotovoltaikanlagen und anderen regenerativen Quellen gekommen sein

Foto: Johannes Zinner / K2 Systems / obs

Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland geht zwar voran, trotzdem sehen von der Bundesregierung beauftragte Expertinnen und Experten weiter Nachholbedarf in nahezu allen Bereichen der Energiewende.

Damit Deutschland seine Klimaziele einhalten kann, schlägt die unabhängige Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring eine radikale Preisreform vor. Diese ist an den Ausstoß von klimaschädlichem CO₂ gekoppelt.

Das bedeutet konkret: Die Umlagen und Abgaben auf Strom sollen gesenkt und dies mit einer höheren CO₂-Bepreisung fossiler Energieträger gegenfinanziert werden.

Das schaffe Anreize, den Verbrauch fossiler Energieträger zu reduzieren und den Umstieg auf erneuerbare Energien zu fördern, sagte Kommissionsmitglied Anke Weidlich am Mittwoch. »Es fördert insbesondere die verstärkte Elektrifizierung, etwa durch Wärmepumpen für Gebäudeheizungen, Elektroautos im Verkehr und neue Prozesstechnologien in der Industrie.«

Wasserstoff wird große Bedeutung beigemessen

Deutschland habe sich, auch im Kontext der europäischen Selbstverpflichtung zur Klimaneutralität bis 2050, dazu verpflichtet, in nur wenig mehr als zwei Jahrzehnten klimaneutral zu werden, heißt es in einem aktuellen Bericht  der Kommission: »Hierfür ist ein grundlegender technologischer Umbau des Energiesystems erforderlich.«

Die Gruppe bewertet die Energiewende in all ihren Aspekten. Positiv sieht sie die Entwicklung beim Ausbau der Erneuerbaren. Sie verweist etwa darauf, dass im Jahr 2023 mehr als die Hälfte (51,6 Prozent) des verbrauchten Stroms aus Windrädern, Fotovoltaikanlagen und anderen regenerativen Quellen stammte. Ein Jahr zuvor lag der Anteil noch bei 46,2 Prozent.

Um die Entwicklung zu bewerten, benutzt die Kommission zum Energiewende-Monitoring eine Ampel: »Im Wesentlichen steht sie derzeit auf Gelb und manchmal auch auf Rot«, sagte Kommissionsmitglied und Ökonomin Veronika Grimm der Düsseldorfer »Rheinischen Post« (RP). Besonders der Netzausbau und der Ausbau von regelbaren Gaskraftwerken, die mittelfristig mit Wasserstoff laufen müssen, hinkten »massiv hinterher«.

Laut dem Bericht hat Wasserstoff als zukünftiger Energieträger eine große Bedeutung. Weil der Bedarf steigen wird, seien sowohl ein europäisches Netz als auch eine starke Importstrategie wichtig, heißt es.

Der Kohleausstieg indes sei nur möglich, »wenn es gelingt, die Energieversorgung abzusichern, wenn kein Strom aus Wind- oder Solarenergie gewonnen werden kann«, so Grimm dem Nachrichtenbericht zufolge.

Laut der Expertinnen und Experten könnten die Kosten des Netzausbaus gesenkt werden, indem bei der Umsetzung von Gleichstromprojekten Freileitungen vorgesehen werden, statt wie bisher Erdkabeln den Vorrang einzuräumen.

Zielwerte im Jahr 2030 hinterfragt

Der Kommission gehören Andreas Löschel (Vorsitzender), Veronika Grimm, Anke Weidlich und Felix Matthes an. Zuletzt gab es Kritik an der »Wirtschaftsweisen« Grimm und Zweifel an ihrer Unabhängigkeit, da diese in den Aufsichtsrat von Siemens Energy gewählt wurde (DER SPIEGEL berichtete ).

Das Monitoring dient dem Ziel, die Umsetzung von Maßnahmen zur Energiewende, insbesondere zur Erreichung der Zielwerte im Jahr 2030 zu überprüfen. Bis dahin sollen unter anderem 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen. Zudem sollen die Treibhausgasemissionen im selben Jahr um 65 Prozent niedriger sein als 1990. Bis 2045 soll Deutschland dann klimaneutral werden.

Im Bundeswirtschaftsministerium möchte man die Empfehlungen auswerten und mit den Fachleuten diskutieren.

alw/AFP/dpa