Zum Inhalt springen

Klimawandel Der wärmste Sommer seit 2000 Jahren – und seine Folgen

Noch nie seit 2000 Jahren war ein Sommer auf der Nordhalbkugel so heiß wie der von 2023. Und die Erhitzung schreitet fort, besonders stark in Europa – mit gesundheitlichen Folgen auch für die Bevölkerung.
Trinkwasserbrunnen in Frankfurt: Der Sommer 2023 war mit seinen hohen Temperaturen der mit Abstand heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen 1940

Trinkwasserbrunnen in Frankfurt: Der Sommer 2023 war mit seinen hohen Temperaturen der mit Abstand heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen 1940

Foto: Tim Wegner / laif

Auf der Nordhalbkugel der Erde war der Sommer 2023 der wärmste seit 2000 Jahren. Also auch in Europa. Wie die Erderwärmung vorangeschritten ist, berichtet eine internationale Forschergruppe um Jan Esper  von der Universität Mainz in der Fachzeitschrift »Nature« .

Welche gesundheitlichen Folgen die steigenden Temperaturen für die Menschheit haben und noch haben könnten, haben zwei weitere Gruppen untersucht. Demnach ist die Zahl hitzebedingter Todesfälle angestiegen. Zudem sollen bis zum Jahr 2050 weltweit bis zu 246 Millionen mehr ältere Menschen einer gefährlichen akuten Hitze ausgesetzt sein als bislang. Das geht aus dem Bericht im Fachmagazin »Lancet«  sowie einer Studie in »Nature Communications«  hervor.

Klimakrise

Lesen Sie mehr über die neuesten Entwicklungen, Hintergründe und spannenden Lösungsansätze in unserem Themenspezial.

Alle Artikel

Mehr Langzeitdaten im Norden als im Süden

Laut den Autoren der aktuellen »Nature«-Studie war der Sommer 2023 im Vergleich zum sogenannten vorindustriellen Zeitraum (Jahr 1850 bis 1900) – um 2,07 Grad Celsius wärmer. Bezogen auf den gesamten untersuchten Vergleichszeitraum (Jahr 1 bis 1890) war der Sommer 2023 um 2,20 Grad wärmer. Dieser Unterschied ist laut den Forschenden auf mehrere Kälteperioden vor dem Jahr 1850 zurückzuführen.

Das Team hat verschiedene Datensätze mit aktuellen Messungen und historischen Rekonstruktionen analysiert, um die Veränderungen der Oberflächenlufttemperaturen zwischen Juni und August im Verlauf der Jahrhunderte zu beurteilen. Dazu nutzten sie Daten aus den Regionen von 30 bis 90 Grad nördlicher Breite.

Auf die Nordhalbkugel beschränkten sich die Wissenschaftler nach eigener Aussage, weil es für den Süden weniger Langzeit-Temperaturdaten gibt.

Alarmierendes Ereignis

Schon vorab hatten Forschende berichtet, dass sich die nördliche Hemisphäre schneller erwärmt als der Rest des Planeten. Auch hatten Fachleute angenommen, dass der vergangene Sommer aufgrund des Klimawandels und des El-Niño-Phänomens  weltweit besonders warm werden würde.

»Daten für 2000 Jahre zu analysieren, ist nicht trivial, da die Daten immer ungenauer werden, je weiter wir in die Vergangenheit zurückgehen«

Anna Cabré, Klimawissenschaftlerin

»Das ist also kein unerwartetes Ergebnis«, sagte die Klimawissenschaftlerin Anna Cabré  gegenüber dem spanischen Science Media Centre. Dennoch sei es alarmierend. Es erinnere erneut daran, Emissionen schnell auf null zu bringen, sagte die Forscherin weiter.

Bemerkenswert ist laut Cabré auch die Methodik, mit der das Team zu seinem Ergebnis kam: »Daten für 2000 Jahre zu analysieren, ist nicht trivial, da die Daten immer ungenauer werden, je weiter wir in die Vergangenheit zurückgehen, was die Analyse technisch erschwert«, sagte sie.

Lebensbedrohlich heiß ist es immer häufiger

Einen kürzeren Zeitraum – mehrere Jahrzehnte – haben die Verfasser des »Lancet«-Berichts betrachtet. Wie sie berichten, hat die Zahl der hitzebedingten Todesfälle zwischen den Jahren 2003 und 2012 sowie 2013 und 2022 in den meisten europäischen Ländern zugenommen.

Rettungsdienst in Essen: Schon Temperaturen über 30 Grad können zu ernsten Gesundheitsproblemen führen

Rettungsdienst in Essen: Schon Temperaturen über 30 Grad können zu ernsten Gesundheitsproblemen führen

Foto: Gottfried Czepluch / IMAGO

Auch die Zahl von Tagen mit extremer Hitze ist laut der Auswertung gestiegen. Im Sommer 2023 war die südliche Hälfte Europas von schweren Hitzewellen betroffen, in einigen Gebieten herrschten Temperaturen von mehr als 45 Grad Celsius. Das zeige, heißt es im »Lancet«-Report, dass die Gesamtzahl der Personentage, an denen Menschen Hitzewellen ausgesetzt waren, im letzten Jahrzehnt (2012 bis 2021) im Vergleich zum vorangegangenen Jahrzehnt (2000 bis 2009) um 97 Prozent gestiegen ist – und zwar von 650 Millionen auf insgesamt 1,28 Milliarden Personentage.

Um sich an extrem heißen Tagen zu schützen, setzten 16 Prozent der europäischen Haushalte im Jahr 2021 Klimaanlagen ein. Diese sollen zusammen so viel CO₂ ausgestoßen haben wie ganz Bulgarien.

»Betroffen sind vor allem kleine Kinder, Schwangere, ältere Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und – ganz wichtig – alle, die draußen arbeiten«

Maike Voss, geschäftsführende Direktorin am Centre for Planetary Health Policy

Bei steigender Hitze ist es gefährlich, draußen zu arbeiten oder Sport zu treiben. Außerdem steigt das Risiko für Waldbrände, und Tropenkrankheiten breiten sich aus.

»Europa ist der Kontinent, der sich am schnellsten erhitzt. Ein milder, sonniger April mag uns angenehm erscheinen, aber zunehmende Hitzewellen im Sommer sind gefährlich für unsere Gesundheit«, sagte Maike Voss geschäftsführende Direktorin des Berliner Centre for Planetary Health Policy (CPHP) in einer Pressemitteilung zum Report. »Betroffen sind vor allem kleine Kinder, Schwangere, ältere Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und – ganz wichtig – alle, die draußen arbeiten.«

Immer mehr Ältere leiden

Wie sehr sich der Leidensdruck gerade für ältere Menschen im Zuge des Klimawandels erhöhen wird, deutet die Studie in »Nature Communications« an. Der Anteil von Menschen weltweit im Alter von 70 oder mehr Jahren, die extremer Hitze ausgesetzt sind, könnte von heute 14 Prozent auf etwa 23 Prozent im Jahr 2050 steigen. Es wären bis zu 246 Millionen mehr Leute als bisher, berichtet die Gruppe um Giacomo Falchetta  vom Euro-Mediterranean Center on Climate Change in Venedig.

Extreme Hitze bedeutet dabei, dass die Tageshöchsttemperatur an mehreren Tagen im Jahr einen Wert von 37,5 Grad Celsius überschreitet.

Die Zahl der über Sechzigjährigen wird sich demnach bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts voraussichtlich nahezu verdoppeln: von 1,1 Milliarden im Jahr 2021 auf fast 2,1 Milliarden im Jahr 2050. Bevölkerungen vor allem im Globalen Süden, die aktuell schnell wachsen und einen niedrigen Altersdurchschnitt haben, werden 2050 einen erheblichen Anteil älterer Menschen haben.

Klimaneutralität im Jahr 2100?

Forschende weltweit sind sich einig, dass es Fortschritte im Kampf gegen die Erderwärmung gibt. Die Menschheit nutzt etwa mehr erneuerbare Energien als früher, auch ergreifen Länder weltweit immer mehr Maßnahmen, um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Herausforderungen aber würden bleiben, schreibt das »Lancet«-Autorenteam. So seien die Klimaneutralitätsbemühungen der europäischen Länder nach wie vor völlig unzureichend. Nach ihren Schätzungen werde dieses Ziel in Europa erst im Jahr 2100 erreicht.

alw/dpa