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Mutmaßliche Betrugsfälle Umweltministerin Lemke verkündet Stopp von Klimaprojekten in China

Deutsche Ölkonzerne sollen von betrügerischen Klimaprojekten in China profitiert haben. Die Aktivitäten wurden laut Umweltministerin Lemke zum 1. Juli eingestellt, doch die Union schäumt.
Steffi Lemke: Mutmaßlicher Zertifikatebetrug auf Kosten der Umwelt

Steffi Lemke: Mutmaßlicher Zertifikatebetrug auf Kosten der Umwelt

Foto: picture alliance / dts-Agentur

Deutsche Mineralölkonzerne finanzierten Projekte, mit denen CO₂ in China eingespart werden sollte. Nachdem das ZDF mutmaßlichen Betrug bei den Aktivitäten aufgedeckt hatte , hat Umweltministerin Steffi Lemke nun einen sofortigen Stopp der betroffenen Aktivitäten verkündet. Es sei möglich, dass es sich hier um einen Fall von »schwerer Umweltkriminalität« handle, sagte die Grünenpolitikerin im Bundestag.

»Ich nehme diese Vorwürfe sehr ernst. Wir haben es hier mutmaßlich mit einem Betrugsversuch zu tun, mit einem Betrugsgeflecht«, sagte sie. Das System sei zum 1. Juli gestoppt worden. Seitdem sei es für die deutschen Mineralölkonzerne nicht mehr möglich, neue Projekte im mutmaßlichen Betrugssystem zu beantragen.

Hintergrund ist, dass sich deutsche Konzerne möglicherweise bislang mehrfach einen Klimaschutzbeitrag anrechnen ließen, den es nie gegeben hat – weil einige Projekte in China wohl nicht existiert haben. »Es ist klar, dass Vertrauen erschüttert wurde, dass jetzt diese Vorwürfe deshalb konsequent aufgeklärt werden müssen.« Bei den Projekten geht es um sogenannte Upstream-Emission-Reduction–Projekte, die sich Mineralölkonzerne zum Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehrssektor anrechnen lassen können.

Betrugsverdacht bei 40 von 69 Projekten

Das Umweltbundesamt gehe allen Hinweisen auf Betrugsverdacht nach, versicherte Lemke. »Hier wird konsequente Aufklärung betrieben.« Es sei ein Fehler der Vorgängerregierung gewesen, dieses betrugsanfällige System überhaupt einzuführen. Dort musste die Ministerin am Mittag zu den dubiosen Vorgängen Rede und Antwort stehen.

Lemke erklärte im Umweltausschuss, dass von insgesamt 69 Projekten in China derzeit 40 wegen Verdachts auf Betrug besonders im Fokus stünden. Es sei außerdem Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt worden. Zwei der Projekte würden »wegen Verstoßes gegen die Vorgaben« jetzt rückabgewickelt, sagte sie. Insgesamt überprüfe das Umweltbundesamt derzeit alle Projekte in China sowie zehn weitere in anderen Ländern. Nach Angaben von Ingrid Hanhoff, Abteilungsleiterin im Umweltministerium, handelt es sich unter anderem um Projekte in Nicaragua, Usbekistan und Aserbaidschan.

Scharfe Kritik am Umgang mit den mutmaßlichen Betrugsfällen kam von der Union. Die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Anja Weisgerber, sprach von einem »Kontrollversagen«, für das Lemke verantwortlich sei. »Die Ministerin trägt dafür die politische Verantwortung und kommt zunehmend unter Druck«, sagte die CSU-Politikerin nach der Ausschusssitzung. Lemke habe viele Fragen offengelassen.

»Die Ministerin muss sich die Frage gefallen lassen, wie so eine große Anzahl offensichtlicher Fehler jahrelang unbemerkt bleiben konnte«, sagte Weisgerber. Außerdem sei es unverständlich, weshalb die Vorgänge erst mit Wirkung zum 1. Juli gestoppt worden seien. Bereits genehmigte Projekte könnten außerdem noch länger laufen, kritisierte sie.

Aus dem Umweltministerium heißt es dazu, dass ein Projekt, das vor dem 1. Juli genehmigt worden ist, »im Höchstfall ein Jahr lang Minderungen und Zertifikate erzeugen« könne. Am 1. September 2025 sei »auch damit definitiv Schluss, unabhängig davon, wie lange das Projekt lief«. Zum 1. September 2025 könnten keine neuen Zertifikate mehr erzeugt werden.

Lemke sieht die Verantwortung für die aktuellen Betrugsfälle bei der Vorgängerregierung aus Union und SPD. Zum Zeitplan der Aufarbeitung erklärte Lemke, dass das Umweltbundesamt ihrem Ministerium erst Ende August des vergangenen Jahres einen ersten Fall gemeldet hätte. Dieser sei aber diffus gewesen. Erst gegen Jahresende hätten sich die Hinweise auf möglichen Betrug verdichtet, erklärte die Ministerin. Lemke räumte aber ein, dass die Kontrolle der Aktivitäten nicht an jeder Stelle funktioniert habe.

apr/dpa