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Hilfe nach Hochwasser Expertenrat fordert Pflichtversicherung für Elementarschäden

Wozu sich gegen Hochwasser versichern, wenn ohnehin der Staat hilft? Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen wirbt für eine Versicherungspflicht und stellt klar, an welche Bedingungen sie gebunden wäre.
Versicherungsfall: Helfer in der überfluteten Altstadt von Passau

Versicherungsfall: Helfer in der überfluteten Altstadt von Passau

Foto: Jana Islinger / DER SPIEGEL

Angesichts der jüngsten Hochwasser fordert der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) beim Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz erneut eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden. Ein juristisches Gutachten des Gremiums habe ergeben, dass eine solche Pflicht zulässig sei, wenn sie eine freie Wahl unter den Versicherern erlaube.

»Voraussetzung ist, dass sich die Prämien grundsätzlich am versicherten Risiko orientieren«, sagte der Vorsitzende Christoph Busch der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (»NOZ«). Die Versicherungsnehmer sollten dabei die Wahl zwischen unterschiedlichen Selbstbehalten haben. Denkbar sei auch ein Modell, bei dem zusätzliche Maßnahmen für den Hochwasserschutz seitens der Versicherten zu einem Prämienrabatt führten.

Als Elementarschäden gelten im Versicherungswesen Schäden, die durch die Natur verursacht werden – also durch Sturm, Hagel, Überschwemmung, Erdbeben, Lawinen, Schneedruck oder Vulkanausbrüche.

Der Status quo sehe so aus, dass sich Immobilieneigentümer darauf verließen, dass der Staat einspringt, wenn Elementarschäden eintreten, sagte Busch. »Ökonomen sprechen hier von einem ›charity hazard‹. Wenn ich weiß, dass der Staat hilft, gibt es für mich keinen hinreichenden Anreiz, selbst für eine Versicherung zu sorgen.« Hinzu komme, dass das Risiko von Elementarschäden häufig unterschätzt oder verdrängt werde, so der Sachverständige.

Die Länder hatten die Bundesregierung bereits vor mehr als einem Jahr aufgefordert, einen Vorschlag für eine bundesgesetzliche Regelung zur Einführung einer Pflichtversicherung vorzulegen. Eine hierzu später eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll bis zum nächsten Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 20. Juni ein Ergebnis vorlegen.

Nur gut die Hälfte der deutschen Wohnhäuser versichert

Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind im Bundesdurchschnitt 54 Prozent aller Wohnhäuser gegen alle Naturgefahren versichert – und nicht nur gegen einzelne Wetterphänomene wie Sturm und Hagel. »In Niedersachsen sind es sogar nur 32 Prozent. Das bedeutet, dass bei einem Großschadensereignis die Allgemeinheit für einen großen Teil der Gebäudeschäden aufkommen muss. Das ist auf Dauer für die öffentlichen Haushalte nicht tragbar«, sagte Busch.

Ein freiwilliger Versicherungsschutz, den Verbraucher aktiv ablehnen müssten, ist nach Ansicht Buschs »allenfalls ein Kompromiss«. »Es ist davon auszugehen, dass sich dann immer noch nur maximal 80 Prozent versichern würden.«

In Deutschland ist vor allem der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gegen eine Pflichtversicherung, diverse Grundeigentümerverbände und das Justizministerium unter Marco Buschmann (FDP). Eine Versicherungspflicht wäre für viele Haushalte »mit drastischen finanziellen Mehrbelastungen verbunden«, behauptete eine Ministeriumssprecherin am Montag. Sie könnte nicht verhindern, dass solche Elementarschaden-Großereignisse eintreten.

mamk/dpa