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Als erstes Land der Welt Warum Dänemark es schafft, eine Klimasteuer auf Fleisch und Milch einzuführen

Ein CO₂-Preis für Fleisch- und Milchbetriebe: Fast alle in Dänemark sind zufrieden mit dieser Weltpremiere. Das Beispiel zeigt, wie eine solche Reform funktionieren kann und was sie für Bauern, Umwelt und Verbraucher bedeutet.
Kühe auf der Svanholm-Farm auf der dänischen Insel Seeland

Kühe auf der Svanholm-Farm auf der dänischen Insel Seeland

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Gideon Mendel / Corbis / Getty Images

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In Neuseeland hatten sie auch den Plan, eine Klimasteuer auf die Produktion von Milch und Fleisch einzuführen. Bis der heftige Widerstand der Bauern die Regierung in die Knie zwang. Nun wird also aller Voraussicht nach Dänemark der erste Staat der Welt mit einer CO₂-Abgabe für die klimaschädlichen Bereiche der Landwirtschaft. Von Bauernprotesten im nördlichen Nachbarland wird allerdings eher nicht zu lesen sein. Denn viele Landwirte finden die Klimasteuer sogar gut.

Der Grund dafür ist der gleiche, aus dem das Vorhaben mit großer Wahrscheinlichkeit durch das dänische Parlament gehen wird: Die Klimasteuer kommt mit ausreichend Vorlauf, nämlich im Jahr 2030. Und sie ist in einem übergreifenden Konsens erarbeitet worden. An dem über Monate hinweg ausgehandelten Kompromiss  waren Vertreter aller relevanter Betroffenen beteiligt: Minister der drei regierungstragenden Parteien, der Naturschutzverband Danmarks Naturfredningsforening, die Gewerkschaften Dansk Metal und Fødevareforbundet NNF, der Arbeitgeberverband Dansk Industri, der Kommunalverband KL – und vor allem auch die dänische Landwirtschafts- und Lebensmittelindustrie (Landbrug & Fødevarer).

Vorangegangen war die Arbeit einer Expertenkommission. Vorgesehen ist, dass Bauern umgerechnet etwa 40 Euro (300 Kronen) pro Tonne CO₂ im Jahr 2030 zahlen, die dann auf etwa hundert Euro (750 Kronen) im Jahr 2035 steigen sollen. Im Gegenzug sollen die Landwirte Entlastungen bei der Einkommensteuer bekommen – besonders durch großzügige Abzugsmöglichkeiten für grüne Investitionen in der Landwirtschaft. Die effektive Belastung soll damit künftig zwischen rund 15 Euro (120 Kronen) und rund 40 Euro (300 Kronen) pro Tonne CO₂ liegen.

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Darüber hinaus sollen etwa vier Milliarden Euro (30 Milliarden Kronen) für die Stilllegung von Flächen und die Aufforstung bereitgestellt werden. Zum Vergleich: Bezogen auf die Einwohnerzahl wären das in Deutschland rund 65 Milliarden Euro. Weitere 1,3 Milliarden Euro (10 Milliarden Kronen) sollen für die Lagerung von Biokohle aus Pyrolyse zur Verfügung stehen. Dabei wird durch die Verkohlung von ⁠Biomasse CO₂ aus der Atmosphäre entzogen. Die Vereinbarung legt auch neue Regeln fest, um die Ökologie der dänischen Küstengewässer zu verbessern. Der sozialdemokratische Umweltminister Magnus Heunicke hob etwa hervor, dass der Kompromiss auch Verschärfungen für den Einsatz von Stickstoff beim Düngen vorsehe, der das Wasser in Form von Nitrat belastet. »Wir müssen die Fische zurück in unsere Fjorde bringen«, sagte er. »Dafür haben wir jetzt einen klaren Plan.«

Besonders aber will Dänemark mit dem neuen Kompromiss seinem Ziel näherkommen, die CO₂-Emissionen bis 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Dabei zählen Fleisch- und Milchprodukte zu den wichtigsten Exportgütern des Landes. Die Landwirtschaft trägt 35 Prozent zu den Gesamtemissionen bei, und der Anteil könnte weiter wachsen. Zum Vergleich: In Deutschland sind es etwa acht Prozent, die Bundesrepublik hat sich eine Vorgabe gegeben, die CO₂-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent zu senken.

Bauern können sich umstellen

Der Chef der Lebensmittelindustrie-Lobby Landbrug & Fødevarer, Søren Søndergaard, sprach dennoch von einem bahnbrechenden Abkommen, das der dänischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktionen einen neuen Rahmen setze. Man habe in den Verhandlungen dafür gesorgt, »dass es weiterhin möglich ist, die Branche weiterzuentwickeln, anstatt sie zu demontieren«. Die Landwirte haben schließlich auch mehr als fünf Jahre Zeit, sich auf die neue Abgabe einzustellen und die eigene Produktion mit Blick aufs Klima zu optimieren.

Die Landwirtschaft steht wegen hoher klimaschädlicher Emissionen in Dänemark seit Langem unter Druck. Bei der Fleisch- und Milchproduktion wird besonders viel Methan ausgestoßen. Dies gilt als weit klimaschädlicher als CO₂ und wird in sogenannte CO₂-Äquivalente umgerechnet. »Andere Länder werden dazu von uns ermutigt«, sagte der sozialdemokratische Steuerminister Jeppe Bruus zur geplanten neuen Klimasteuer.

Dass die dänischen Landwirte sich nun mit dem Vorhaben einverstanden erkl��rt haben, dürfte auch daran liegen, dass sie damit einen deutlich niedrigeren CO₂-Preis zahlen sollen als ein Großteil der anderen Industriezweige des Landes. Auch in Deutschland gibt es einen CO₂-Preis von aktuell 45 Euro pro Tonne, er ist hierzulande bislang jedoch nur auf fossile Brennstoffe wie Benzin, Heizöl und Gas fällig.

Ein Milchbauer aus Jütland sagte dem Sender Danmarks Radio , durch die neue Steuer gebe es für ihn nun einen Anreiz, auf seinem Hof die Emissionen einzudämmen. So komme etwa eine Umstellung des Futters in Betracht. Durch einen speziellen Zusatz sollen die Methanemissionen der Kühe etwa um 30 Prozent reduziert werden können. Auch über einen anderen Umgang mit der Gülle und einer Umwandlung in Biogas denkt er nach. Wenn die Bauern es geschickt anstellen, dürfte die tatsächliche Belastung für sie sehr niedrig sein.

Die neue Abgabe könnte jedoch auch negative Folgen haben. So dürfte der Preis für das Kilo Hackfleisch zumindest um wenige Kronen steigen. Bis 2035 sei aber auch ein Verlust von rund 2000 Arbeitsplätze in Land- und Forstwirtschaft sowie zugehörigen Industriezweigen denkbar, berichtete der Sender TV2  unter Berufung auf die Regierung. Die liberale Wirtschaftsministerin Stephanie Lose verwies demnach jedoch auch darauf, dass – etwa durch die geplanten Pyrolyse-Projekte – auch neue Jobs entstehen. Es gebe nun einen Rahmen für eine »nachhaltigere, hochtechnologische und effiziente landwirtschaftliche Produktion«, sagte sie.

»Wir können eine so niedrige Steuer nicht akzeptieren«

Der sozialdemokratische Steuerminister Jeppe Bruus wertete den Kompromiss ausdrücklich als Anregung zur Nachahmung: »Andere Länder werden dazu von uns ermutigt.« Außenminister Lars Løkke Rasmussen von den Moderaten sagte, die Einigung auf die CO₂-Abgabe in der Landwirtschaft sei ein Beleg dafür, dass Politik über die politische Mitte hinweg funktioniere. Das üblicherweise von Minderheitsregierungen rechts oder links der politischen Mitte geführte Land, wird seit Ende 2022 von einer für Dänemark unüblichen Großen Koalition aus Sozialdemokraten, Moderaten und Liberalen regiert.

Die Einigung geht zahlreichen Klimaschützern in Dänemark indes nicht weit genug. Die hohen Abzugsmöglichkeiten und die hohen Subventionen würden an der intensiven Viehhaltung nichts ändern, beklagt Niklas Sjøbeck Jørgensen vom »Rat für grüne Umstellung«. Greenpeace wiederum kritisierte die aus seiner Sicht zu niedrige Höhe der geplanten CO₂-Abgabe. Christian Fromberg, der sich bei der Organisation um die Landwirtschaft kümmert, sagte: »Wir können eine so niedrige Steuer nicht akzeptieren, die erst 2030 in Kraft tritt und die eine umweltverschmutzende Landwirtschaft mit der weltweit größten Fleischproduktion aufrechterhält.« Der nun gefundene Kompromiss bleibe selbst hinter dem schlechtesten Vorschlag einer Expertengruppe zu dem Thema zurück.

Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters