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Kochbuch-Tipps So lernt die Generation TikTok kochen

Auf Videoplattformen sind Kochvideos beliebt. Diesen Trend haben auch Verlage erkannt und pressen die Tipps und Rezepte der neuen Stars zwischen zwei Buchdeckel. Wir haben uns drei Werke genauer angesehen.
Kochbuch-Tipps: Neue Rezepte für die nächste Generation

Kochbuch-Tipps: Neue Rezepte für die nächste Generation

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Hinterhaus Productions / Getty Images

Dieser Text enthält sogenannte Affiliate-Links, über die der Verlag, aber nie der Autor individuell, bei Verkäufen eine geringe Provision vom Händler erhält.

Jede Generation sucht und findet ihre eigenen Kochlehrer. Früher waren es die Großmütter, später der Zabert-Sandmann-Wälzer mit dem Kochlöffel und bis vor nicht allzu langer Zeit die TV-Mützen von Schuhbeck bis Zacherl. Heute geht das viral: Kochvideos gehören zu den beliebtesten Inhalten auf TikTok. Dort (und meist parallel auf Instagram, YouTube oder im klassischen Foodblog) zeigen junge Heimkochende, wie aus leicht verfügbaren Lebensmitteln mehr oder weniger essbare Gerichte zubereitet werden.

Diesen Trend  haben inzwischen auch die Kochbuchverlage registriert und pressen den Spaß zwischen zwei Buchdeckel. Drei dieser Bücher haben wir mal aufgeschlagen.

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Privat

Der zwischen Hamburg und Palma de Mallorca pendelnde Foodjournalist Peter Wagner kocht länger, als er für Geld schreibt. Er veröffentlicht Ernährungssachbücher und Kochbücher, aktuell ist sein Buch »Esst mehr Vleisch!«  im Handel – eines der ersten Kochbücher zum Thema Fleischalternativen für Flexitarier und angehende Vegetarier.

Nick DiGiovanni: »Knife Drop – Keine Regeln, einfach kochen«

Foto: DK

Mit seinen 27 Jahren wird der ehemalige »MasterChef«-Teilnehmer Nick DiGiovanni  nicht nur von den Medien als »Celebrity Chef« gehypt – zusammengerechnet mehr als 25 Millionen Follower auf den sozialen Medien feiern den Autodidakten am Herd. Kochen lernte der von Gordon Ramsey geförderte Amerikaner mit persischen, italienischen und deutschen Wurzeln schon als Kind bei seiner Urgroßmutter. Und weil er dazu auch noch in Harvard studierte, kann er sein Denken und seine Küchenarbeit hervorragend strukturieren.

Genau diese Talente fließen nun in sein erstes Kochbuch (256 Seiten; Original-Untertitel »Anyone Can Cook«) ein: Hier wird nicht gezippelt und gezappelt, sondern der jungen Zielgruppe systematisch gezeigt, wie Kochen funktioniert. Ohne auch nur eine Sekunde zu langweilen, erklärt er zu Beginn, welche Utensilien und Zutaten unverzichtbar sind. Er gibt 13 wirklich brauchbare Einsteiger-Tipps wie »Folge nicht blind Rezepten – auch nicht meinen«, oder »Lege ein feuchtes Küchentuch unter dein Schneidebrett, so hat es rutschfesten Stand«.

Bevor es zu einfachen Speisen wie Snacks, Dips oder Frühstück geht, rezeptiert DiGiovanni seine Lieblings-Basics von Grillhähnchenbrühe, selbst gemachten Ricotta, Nussbutter, Pastateig bis zu geröstetem Pesto. Keine Frage: Hier geht es nicht um Haute Cuisine, sondern um Spaß und Genuss.

Dieser Maxime folgen auch die weiteren der knapp hundert Rezepte, beispielsweise für Sandwiches, Fleisch, Seafood, Salate, Pasta oder Carbs. Zu Letzteren gehört Unerwartetes wie gegrillte Pizza, Naan aus der Gusspfanne, brasilianische Käsebällchen oder eine 24-Stunden-Focaccia. DiGiovannis Rezepte sind Technologie-offen (Lachs aus der Heißluftfritteuse), unverschämte Sauereien (Sandwich »Benedict« mit über das Kinn fließendem Eigelb oder knusprige Hähnchenhaut), aber auch Happy-Food (frittierte Artischocken mit Sauce Tatar und schmackige Pasta-Ideen).

Alle Zubereitungsanleitungen sind verständlich aufgebaut, appetitanregend fotografiert und durch die Bank auch für Küchennovizen problemlos nachkochbar. Bei DiGiovanni geht es um Spaß an richtig gutem Essen ohne Chichi und im Gegensatz zu vielen TikTok-Blödeleien auch ohne Selbstdarstellungsgepose. Wer dennoch nur Quatsch mit Soße kochen will, wird mit einem eigenen Tunken-Kapitel zufriedengestellt.

Wer braucht das? Alle, die frisch und lecker draufloskochen und nebenbei noch ein paar Basics mitbekommen wollen.

Typisches Rezept? »Speck mit Ahornsirup & Zitrone«

Was kostet das? 26,95 Euro

Can Akpinar: »Simply Can«

Foto: ZS

Ebenfalls noch jünger als 30 Jahre, erreicht der studierte Wirtschaftswissenschaftler und Jung-Unternehmensberater Can Akpinar  mit seinen in deutscher Sprache geschriebenen Rezepte natürlich nicht den US-Weltmarkt – kommt aber zusammengerechnet doch schon auf gut zwei Millionen Follower in den üblichen sozialen Medien.

Küchenarbeit muss auch bei ihm im wesentlichen Spaß machen und mit einfachen Strategien zu leckeren Ergebnissen führen. Deshalb ist der Titel seines Kochbuch-Erstlings mit »Simply Can« gut gewählt, wenngleich der Autodidakt in den Einleitungskapiteln deutlich tiefer geht als die meisten seiner TikTok-Kollegen. Obwohl Akpinar seine primär aus der türkischen Cuisine stammende familiäre Kocherfahrung erst seit der Corona-Abgeschiedenheit in die weite Social-Welt hinaus sendet, lieben ihn seine Follower auch für die gut durchdachte und strukturierte Herangehensweise.

Im Buch schlägt sich dies nieder in leicht verständlichen und vor allem seine Zielgruppe nie langweilenden Informationen jenseits der 60 Kochrezepte auf 176 Seiten. Akpinar nimmt seine Leser mit auf seinen eigenen Weg: Er erklärt, warum sich jeder mit dem Thema Kochen beschäftigen sollte, gibt eine kleine Übersicht der Nährstoffe und ausgewogener Ernährung. Dazu findet sich hilfreiche Küchenpraxis zu Hülsenfrüchten, Brotbacken, saisonalen Zutaten, nachhaltigem Kochen, den wichtigsten Gewürzen, Küchenutensilien und Kochtechnologien.

Bei den Rezepten mit ihren zu der Zubereitungs-Simplizität passend authentischen Foodfotografien nehmen die Bereiche Frühstück, Mezze/Vorspeisen und Eintöpfe den größten Platz ein. Orientalisches wie Shakshuka, Menemen, Mücver, Baba Ganoush oder Sehriye Çorbasi (Tomatensuppe mit Reisnudeln) wechselt sich ab mit angesagten internationalen Kleinspeisen von Guacamole und Roasted Tomato Soup, Hirtensalat, Overnight Oats oder Pancakes bis zu geröstetem Rosenkohl mit Sour Cream, Linsen-Dal und französischer Zwiebelsuppe.

Die meisten Speisen sind pflanzenbasiert, Akpinar hat aber auch keine Probleme mit Fleisch. Er kocht Geflügel (Hühnersuppe, Butter Chicken, Hähnchenkeulen, Nuggets), Hackfleisch (Burger, Köfte, Moussaka, Lauch-Hack-Auflauf) und zeigt, wie man Filet Mignon rückwärts brät. Schmorgerichte wie Gulasch oder Ragù alla Bolognese würden aus dem Backofen noch besser schmecken. Aber Akpinar weiß, dass viele seiner Follower in der Studenten- oder WG-Küche nur eine Mikrowelle mit Grillfunktion haben, und lässt diese Rindergerichte deshalb einfach ein paar Stunden länger auf der Herdplatte mürbe schmurgeln.

Aus diesem Grund gibt es auch relativ wenige Teig- und Nachtischrezepte (Pizza, Naan, Cookies, Brownies, NY-Cheesecake). Dieser Bereich ist spürbar nicht die große Liebe des Autors, beim Kaiserschmarrn vergisst er sogar das für dieses Gericht wesensbildende Karamellisieren der Teigfetzen in der Pfanne. Macht aber nichts, denn Akpinar schafft es, die lockere und zugleich ernsthafte Art seiner TikTok- und YouTube-Videos auf das eher »kalte« Medium Kochbuch zu transferieren. Der Can kann’s!

Wer braucht das? Vor allem Kochnovizen, die sich dank Akpinars lockerer und gut strukturierter Anleitungen auch mal an eine selbst gemachte Spinatlasagne oder ein Gulasch trauen wollen.

Typisches Rezept? »Chicken Shawarma Wrap mit Gewürzgurken und Pommes«

Was kostet das? 25 Euro

Betina Wech-Niemetz: »Soulfood für Faule«

Foto: EMF

Die Berliner Foodfotografin Betina Wech-Niemetz ist zwar außerhalb ihres Foodblogs  noch ein relativ unbeschriebenes Social-Media-Blatt, die 50 Rezepte ihres ersten Kochbuches »Soulfood für Faule« (144 Seiten) sind dennoch wie geschaffen für die schnelle und undogmatische Küche der Generation TikTok. Ihre Gerichte sind meist in weniger als 30 Minuten auf dem Tisch, bringen aber deutlich mehr Soul im Sinne von Genusstiefe auf den Gaumen als die meisten Rezepte der unzähligen anderen Ratzfatz-Kochbücher auf dem Markt. Und das liegt nicht nur an den ausgesprochen appetitlichen und dennoch korrekt das Rezept abbildenden Foodfotos.

Die Autorin kocht mit viel Leidenschaft seelenwärmende Gerichte, die trotz der raschen Zubereitungszeiten häufig auch ein gewisses Maß an Raffinesse mitbringen. So garniert sie den 15-Minuten-Brokkoliauflauf mit rohem Prosciutto, der beim Mitgaren hart und zäh werden würde. Die finnische Lachssuppe Lohikeitto braucht zwar 45 Minuten, dafür ist der Fisch dennoch schön rosa und innen glasig. Makrelenfilets aus der Dose pimpt sie mit Avocados und Tomaten zu einer feinen Salat-Bowl, das Ziegenkäse-Laugencroissant mit einer cremigen Senf-Mousse und den Erbseneintopf mit dem Brät von Thüringer Bratwürsten, aus dem sie Klößchen für die Einlage formt.

Für das Soulfood aus dem Kapitel »Ofen zu und durch« braucht man natürlich einen Backofen. Viele der Rezepte wie mediterrane Flammkuchen, Knusperaubergine auf Linsenpüree, Pfannenlasagne und Pergament-Forelle gelingen aber auch in Kompaktgarern wie Toast-Backofen oder Multifunktionsmikrowelle. Und wer dann noch nicht satt ist, bekommt einen großen Schluck Baileys auf die crunchy Apfelcreme mit Cantuccini im Glas. Oder den perfekt karamellisierten Heidelbeerschmarrn. Aus dem Miniofen.

Wer braucht das? Alle, die schnell mal was wirklich Feines auf den Tisch bringen wollen, ohne gleich groß kochen können zu müssen.

Typisches Rezept? »Überfahrene Kartoffeln mit Bärlauchbutter und Schmand«

Was kostet das? 22 Euro

Hintergrund: Produkttests im Ressort Tests