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Peter Wagner

Santoku-Messer im Test Der schnittige Japaner

Obst, Gemüse Kräuter und Fleisch: Für jede dieser Küchenzutaten kann man ein Spezialmesser kaufen – oder ein Santoku. Wir haben drei sehr unterschiedliche Varianten getestet.

Welche Bedeutung den Schneidwerkzeugen in der japanischen Kochkunst beigemessen wird, zeigt die Tatsache, dass dort nicht nur die Köche gewisse Tugenden aufweisen können, sondern auch verschiedenen Messerarten so etwas wie eine Haltung zugeschrieben wird. Was hierzulande schnöde als »Allzweckmesser« verkauft wird, findet in seinem japanischen Pendant, dem Santoku, eine scharfe Verbindung dreier Fähigkeiten: Das »San« (drei) »Toku« (Tugenden) eignet sich gleichermaßen für Fleisch, Fisch und Gemüse.

Natürlich hat die Ausdifferenzierung Dutzender Messertypen in Asien viele für die einzelnen Schneide-»Tugenden« weitaus besser spezialisierte Formen hervorgebracht. Doch mit einem ordentlichen Santoku kommt man im Küchenalltag schon recht weit.

Auf den ersten Blick ist der typische Stil vieler in Europa gebräuchlicher Santokumesser an den markanten »Kullen« erkennbar. Diese ovalen Einbuchtungen im unteren Drittel der Klinge sorgen dafür, dass besonders adhäsives Schneidegut wie etwa rohe Kartoffeln nicht ganz so penetrant am Messer hängen bleibt wie an glatten Schneiden. Auch aus diesem Grund ist der Stahl der Santokus nie auf Hochglanz poliert, sondern minimal mattiert.

Gemeinsam ist diesen Schneidwerkzeugen die stumpfe Oberkante, die in einer mehr oder minder geraden Linie von der Schneide bis zum Ende des Schafts verläuft, sowie die leicht konische Klinge mit der abgerundeten Spitze – die typische Form eines Santoku. Die Klingen mit mittlerer Dicke (ca. drei Millimeter) sind deutlich breiter als der Griff. Bei der Form des Bartes, so heißt der Übergang von der Klinge zum Griff, finden sich von der typisch asiatischen rechtwinkligen Form über Schrägen bis zum Viertelkreis viele unterschiedliche Designs. Fast immer sind am Kropf mit dem Zeigefinger gehaltene Santokus perfekt ausbalanciert, was ermüdungsfreies Arbeiten ermöglicht.

Wir haben in einem monatelangen Test mit drei typischen Vertretern dieser Allzweckmesser gekocht – von Herstellern aus Italien, Frankreich und Deutschland.


Berkel Teknica Santoku

Foto: Peter Wagner

Es soll Schinken-Sommeliers geben, die am Geschmack eines lange gereiften Parmaschinkens erkennen können, ob die hauchdünnen Scheiben mit einer elektrischen Aufschnittmaschine geschnitten wurden oder mit einer Berkel. Seit 1924 werden die 1898 von Wilhelmus van Berkel in Rotterdam erfundenen manuellen Schwungrad-Aufschnittmaschinen in Mailand im ikonischen Dunkelrot-Finish gefertigt und gelten bis heute als die Bentleys der Aufschneider-Szene. Modelle für den Heimgebrauch beginnen mit dreistelligen Preisen, Profigeräte kratzen hart an der 20.000-Euro-Marke.

Im Jahr 2015 übernahm die Firma die traditionsschwere Del-Ben-Manufaktur aus der nordostitalienischen Klingenmetropole Maniago, dem »Solingen des Südens«. Seitdem wird der geschwungene Berkel-Schriftzug auch auf die Klingen hochwertiger Küchenmesser gelasert.

Das getestete Santoku gehört zur modern anmutenden Serie »Teknica« und wird in Maniago von Hand gefertigt. Markant sind der für diesen Messertyp eher untypisch leichte Schwung an der Oberkante sowie die aufwendige Griffkonstruktion. Der auch im typischen Berkel-Rot erhältliche Griff aus thermoplastischem Kunststoff ist nicht nur angenehm ergonomisch geformt, sondern sorgt durch seine aufgeraute Oberfläche dafür, dass das Messer auch mit verschwitzten oder fettigen Händen sicher in der Hand liegt. Stahlkugeln im Inneren des Griffes bewirken eine minimale Kopflastigkeit.

Weil die Schneide zudem etwas stärker abgerundet ist, als bei anderen Santokus, kann man mit dem Berkel große Mengen Gemüse, Zwiebeln und Kräuter ermüdungsfrei schneiden und wiegen. Auch für Fleisch und Fisch ist sie scharf und stabil genug. Die Klinge wird aus Stahl mit der Bezeichnung X50CrMoV15 gefertigt, dem deutschen Standard für hochwertige Küchenmesser. Ihm werden geringe Mengen Molybdän (Mo) und Vanadium (V) beigemischt, um Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit zu verbessern.

Berkel liefert die Schneide mit dem in Europa üblichen 20°-Schleifwinkel aus. Und das in einer brauchbaren Schärfe und Schnitthaltigkeit: Die Klinge musste im Test erst nach fünf Wochen häufiger Benutzung nachgezogen werden. Mit nur 155 Gramm ist dieses Modell das leichteste Santoku im Test.

Was ist das? Ein leichtes, gut in der Hand liegendes Allzweckmesser für stundenlanges ermüdungsfreies Schnippeln.

Wer braucht das? Jeder, der ein robustes und praktisches Messer für die meisten Alltagsaufgaben in der Küche sucht.

Was kostet das? 139 Euro (Herstellerangabe).


Lion Sabatier Idéal Santoku 18 cm

Foto: Peter Wagner

So wie Maniago das Solingen Italiens ist, kann Thiers, eine Gemeinde in der Auvergne, dieses Prädikat für Frankreich beanspruchen. Aus Thiers kommen viele legendäre französische Klingen, so auch das getestete Lion Sabatier. Das mit 172 Gramm ebenfalls angenehm leichte Santoku ist aus einem ähnlichen Stahl wie das Berkel gefertigt.

Sabatier erhöht bei seinen Klingenrohlingen die Härte dieses Metalls allerdings durch die Zugabe von Stickstoff, was die im Test auffallend lange Schnitthaltigkeit erklärt. Die Franzosen erreichen damit zwar nicht die Härten japanischer Messerschmieden, trauen ihrer Schneide dennoch den für asiatische Messer typischen spitzen Schleifwinkel von 15° zu. Bei weicherem Material würde der dazu führen, dass man sein Messer täglich nachschleifen müsste.

Auch wenn das Sabatier deshalb seltener ein Nachziehen benötigt – mit Schleifgeräten wie dem Graef Diamant-Messerschärfer CC 120 DE kommt man bei ihm nicht weit. Dessen Schleifwinkel von 20° würde entweder den Schliff versauen, oder – bei Benutzung der groben Scheibe – die Schneide auf diesen Winkel umschleifen. Es wäre schade, die gelungene Kombination aus japanischer Form und Schleifwinkel mit einem komfortablen Nietengriff auf diese Weise zunichtezumachen. Zudem ist das Sabatier perfekt ausbalanciert, lässt sich auf dem ausgestreckten Zeigefinger balancieren.

Ähnlich wie bei Berkel gibt es auch von Sabatier-Messern Fernostkopien. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Markenpiraterie, sondern um von den Franzosen selbst beauftragte Billigmodelle, die unter dem Label »Sabatier International« vertrieben werden. Beim Test eines solchen Sabatier-Santokus mit Plastikgriff mussten wir feststellen, dass dessen Schneide sehr oft nachgeschärft werden muss.

Wer billig kauft, zahlt doppelt – warum sollte das bei Santokus anders sein?

Was ist das? Das perfekte Santoku mit europäischer Genetik für sicheren, ausdauernden Schnitt durch Gemüse, Fleisch und Fisch.

Wer braucht das? Alle, die nicht zu große Hände haben und ein Allzweckmesser suchen, das sie viele Jahre treu begleiten kann.

Was kostet das? 105,50 Euro (Herstellerangabe).


Chroma Type 301 P-21 Santokumesser

Foto: Peter Wagner

Anfang dieses Jahrtausends entwickelte das Designstudio F.A. Porsche eine damals neuartige Messerserie, die sich rasch zum Liebling der internationalen Sternekochszene entwickelte. Alle Messertypen der von Chroma mit Stahl aus Japan in Europa produzierten Serie »type 301« werden aus jeweils einem einzigen Stück Metall geschmiedet. Statt den Erl in Holz oder Plastik zu verpacken, läuft er hier verbreitert aus und bildet zugleich den Griff. Das wirkt wie aus einem Guss, liegt gut in der Hand und die eingelassene Edelstahlperle markiert als sensorischer Stopper gut fühlbar den Übergang zwischen Griff und Klinge.

Doch für den Massenmarkt hat diese Bauweise auch Nachteile. Zum einen fordert der Metallgriff seinen Preis in Sachen Handling – das Chroma ist denn mit knapp 250 Gramm das mit Abstand schwerste der drei getesteten Santokus. Und: Wer ein sich wärmer anfühlendes Griffmaterial aus Holz oder Plastik bevorzugt, wird mit dem Chroma nicht glücklich. Andererseits liegt dieses Ganzstahlmesser selbst bei verschwitzter oder fettiger Haut sehr sicher auch in größeren Händen. Mit seinem japanischen V-Schliff eignet es sich für exaktes und sicheres Schneiden.

Wie alle Santokus unterscheidet sich das Chroma durch seine schräg abfallende Spitze von seinem europäischen Gegenstück, dem spitz zulaufenden Kochmesser. In Japan ist diese komplett gerade, was die dort beliebte Schiebe-Schneidetechnik unterstützt. Im Westen werden Gemüse, Obst und Kräuter dagegen meist mit einer wippend-wiegenden Technik geschnitten, worauf auch bei den drei getesteten Santokus Rücksicht genommen wurde. Das Chroma liegt hier zwischen dem ausgeprägt konkaven Berkel und dem fast geraden Sabatier.

Der in Japan gefertigte Stahl mit der Bezeichnung Pure 301 ist gerade noch hart genug für seinen 15°-Schleifwinkel. Im Langzeitvergleich mit dem Sabatier behielt es die absolute Schärfe ein wenig kürzer und muss wie dieses möglichst winkelgenau nachgezogen werden.

Andererseits – in Zeiten des Klimawandels ist ein Porsche in der Küche ja ein wenig nachhaltiger als einer in der Garage.

Was ist das? Ein aus einem Stück Japanstahl durchgeschmiedetes Ganzmetallmesser – todschick, aber auch polarisierend.

Wer braucht das? Profis und Hobbykochschaffende mit viel Schneide-Output und nicht zu kleinen Händen.

Was kostet das? 149,90 Euro (Herstellerangabe).

Hintergrund: Produkttests im Ressort Tests

Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Beschreibung der typischen Form von Santokumessern präzisiert und ergänzt, dass Kullen eine in Europa gebräuchliche Eigenheit von Messern dieses Typs sind. Ursprünglich waren in diesem Artikel Straßenpreise angegeben. Stattdessen haben wir nun die Preisempfehlungen der Hersteller eingefügt.