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Kochbuch-Tipps Lebe lieber lecker

Gute Kochbücher vermitteln neben Rezepten auch Grundwissen und Tricks, die das Kochleben leichter und die Mahlzeiten delikater machen. Unser Küchenexperte stellt drei herausragende Beispiele vor.
Kochbücher: Gute sind mehr als nur Rezeptsammlungen

Kochbücher: Gute sind mehr als nur Rezeptsammlungen

Foto: Hinterhaus Productions / Getty Images

Im Zeitalter digitaler Reproduzierbarkeit haben es gedruckte Kochbücher schwer, die Auflagen sinken. Versuche der Verlage, diesen Trend mit Unmengen von Büchlein der Sorte »Vegane One-Pot-Leckereien in zehn Minuten« umzukehren, treiben nur noch mehr Kochinteressierte zu kostenlosen Rezepten aus dem Netz. Wer heute Werke sucht, mit denen sich kulinarisches Wissen und Fertigkeiten wirklich vertiefen lassen, muss lange suchen. Ich bin fündig geworden und freue mich über drei neue Standardwerke zu den Themen Reis, Schokolade und Sonntagsbraten.

Dieser Text enthält sogenannte Affiliate-Links, über die der Verlag, aber nie der Autor individuell, bei Verkäufen eine geringe Provision vom Händler erhält.

Sri Owen: Das Reis-Buch

»Es gibt Reis, Baby«. Wenn’s sein muss, auch mal auf 384 Seiten. Um so eine Mammutaufgabe zu stemmen, ist sie genau die Richtige: Sri Owen gilt als Grande Dame der indonesischen Küche. Sie wurde auf Sumatra geboren, studierte Englisch und Literatur, arbeitete als Bibliothekarin, bis sie einen englischen Kollegen heiratete und nach Großbritannien übersiedelte. Dort schrieb sie 1976 ihr erstes Kochbuch und eröffnete 1984 das damals einzige indonesische Delikatessengeschäft Londons. Owen ist eine der bedeutendsten Lehrerinnen und Forscherinnen der südostasiatischen Kochkultur, hat zahlreiche Standardwerke verfasst. Ihre Rezepte entwickelt sie gemeinsam mit ihrem Mann Roger.

Für diese Reis-Bibel unternahm das Ehepaar Owen ausgedehnte Reisen dorthin, wo dieses Nahrungsmittel einen ganz besonderen Stellenwert hat: neben Sris indonesischen Heimatinseln besuchte das Paar etwa Thailand und Südkorea, aber auch Russland, Iran, Afghanistan, Spanien, Italien und sogar Brasilien. Von diesen Recherchen hat sie einiges mitgebracht. Unter anderem auf mehr als 70 Buchseiten hervorragend aufbereitetes Grundlagenwissen über die Historie und Gegenwart des Anbaus sowie des kulturellen Stellenwerts der kleinen Körner in den jeweiligen Regionen. Außerdem eine ausführliche Sortenkunde bis hin zu neuen Reisstämmen mit niedrigem glykämischem Index zur Bekämpfung der in Thailand grassierenden Diabetes.

Der Kern des »The Rice Book« entstand zwar bereits 1993, es wurde aber immer wieder aktualisiert und 2010 vom britischen »Guardian« zu einem der 50 besten Kochbücher aller Zeiten gewählt. Man kann sich wundern, dass ein so wichtiges Grundlagenwerk erst mit der überarbeiteten Auflage von 2023 in die deutsche Sprache übersetzt wurde.

Schließlich bieten die knapp 150 Kochrezepte, von Yuki Sugiura appetitanregend und angenehm schnörkellos fotografiert, einen wertvollen und zum Nachkochen animierenden Überblick über weltweite Zubereitungsmethoden und Spezialitäten. Das reicht von Klassikern wie koreanischen Bibimbab, Waldpilzrisotto, vegetarischen Kohlrouladen, Paella Valenciana, Ziegencurry aus Sumatra, Flusskrebs-Etouffée, russischem Fisch-Pilaw und Wachteln mit Camargue-Reis bis zu kreolischem Jambalaya mit Huhn und philippinischem Sinigang.

Damit auch Exoten wie Hühner-Galgant-Suppe mit Reis-Vermicelli, Gado-Gado mit gepresstem Reis, Rhabarber-Khoresht und Schwarzes Reissorbet gelingen, hat Owen einen gesunden Mittelweg zwischen Authentizität und Nachkochbarkeit gewählt. Die Zutaten sind größtenteils in gut sortierten Supermärkten, auf jeden Fall aber online erhältlich. Und falls der Laden um die Ecke ausnahmsweise mal keinen Calamondin-Orangensaft auf Lager hat: kein Problem, das Buch nennt die Alternative: statt Calamansi einfach zwei Limetten auspressen.

Wer braucht das? Alle, die sich mehr als nur einmal um die Reiswelt kochen wollen.

Typisches Rezept? »Birmanische Fischsuppe mit Reisnudeln«.

Was kostet das? 49 Euro.


Wolfgang Müller: Braten

In der überwältigenden Masse der Kochanleitungen mit tierfreien Zutaten sticht dieser Wälzer natürlich ins Auge: 232 Seiten voller Fleischeslust und richtig großer Teile von Rind, Schwein, Lamm und Geflügel. Wolfgang Müller absolvierte zunächst eine Metzgerlehre, bevor er sich zum Koch ausbilden ließ. Hier schreibt und rezeptiert einer, der Ahnung von der Materie hat und dieses Wissen kompetent weitergeben kann. Als Berliner Promikoch zog er zweimal im Jahr die G��ste mit der Hausschlachtung von Schweinen, die er in bestmöglicher Haltung bei einer Rotte in Brandenburg aufziehen ließ, in seinen Bann.

Dieser Nose-to-Tail-Gedanke prägt Müllers Schaffen seit jeher und auch in »Braten« kommt nichts weg. So zeigt er nach einem saftspritzenden Berliner Eisbein einen fein säuberlich zerlegten »Schweinekopf Korean Style« und rezeptiert mit schönen, klaren Sätzen: »Wenn der Schweinekopf noch Borsten hat, werden diese mit einem scharfen Messer entfernt. Alternativ Borsten mit einem Bunsenbrenner absengen. Den Kopf waschen und trockentupfen.« Müllers Schmorspaß reicht von Thanksgiving-Truthahn über gegrilltes Kalbsherz, Crepinette vom Spanferkelrücken, Sauerbraten vom Pferd, ganzen gefüllten Ochsenschwanz und geschmorten Hirschhals, bis hin zu im Erdloch gegartem Rinderrücken. Um es mit Wilhelm Busch zu sagen: »Es wird mit Recht ein guter Braten, gerechnet zu den guten Taten«.

Während Warenkunde und Hinweise zum nachhaltigen Fleischeinkauf leider viel zu kurz kommen, zeigt Müller auf Dutzenden Seiten mit Hunderten Fotos, was er als Ex-Metzger an Zuschneidetricks drauf hat. Anleitungen zum Einschneiden einer Schweinebratenschwarte sind nichts Neues. Aber wo wird schon mit 21 Bildern erklärt, wie man einen Ochsenschwanz pariert, auslöst, das Fleisch ausbreitet, mit einer Farce füllt und dann zu einem gefüllten Ochsenschwanz-Rollbraten rollt und bindet? Oder, wie man Geflügel hohl auslöst (20 Fotos) und unter der Haut füllt (21 Fotos)? Auch das Entbeinen, Ausnehmen, Füllen und Vernähen einer Spanferkelkeule wurde so noch nie gezeigt (18 Fotos). Das taugt auch als Blaupause für spektakuläre Keulenbraten von Lamm, Reh, Wildschwein oder Ziege.

Mit all dieser Detailverliebtheit wird der Autor dem vollen Buchtitel gerecht: »Große Stücke perfekt zubereiten. 70 köstliche Rezepte und kulinarisches Fachwissen von Sternekoch Wolfgang Müller«. Zumindest fast, denn Müllers besternte Schaffensphasen in den Berliner Restaurants »Adermann« und »Horváth« liegen schon fast zwei Jahrzehnte zurück. Egal, dieses Buch und seine gut nachkochbaren Rezepte brauchen kein Herumgesterne als Verkaufshilfe – es ist ein hell strahlender Fleisch-Leuchtturm über einem Meer von grauen Hafermilchporridgebratlingen.

Wer braucht das? Alle, die glauben, dass ein Leben ohne Sonntagsbraten möglich, aber sinnlos ist.

Typisches Rezept? »Gefüllter Kalbsfuß«.

Was kostet das? 49,90 Euro.


Le Cordon Bleu: Schokolade

Nachdem es einige Jahre lang so schien, als würde die Haute Cuisine Frankreichs nur noch die kulinarischen Rücklichter nachhaltig und modern kochender Köche aus anderen Ländern sehen, holen die Topkochschaffenden der Grande Nation nun wieder auf. Wer ungebrochen solcher Trends konstant auf Weltklasseniveau arbeitet, sind die Schokoladenkünstler unserer linksrheinischen Nachbarn. Wunderbar nachzulesen und zu -lernen in dem Prachtband: »Schokolade – Rezepte aus der renommierten Konditorschule Schritt für Schritt erklärt.« Mit der Lehranstalt ist natürlich die berühmte »Le Cordon Bleu« gemeint, jene Kaderschmiede für Köche und Patisserie-Maîtres, die seit mehr als 120 Jahren nicht nur in der Pariser Zentrale die Crème de la Crème der Küchenzauberer ausbildet.

Der weltumspannende Erfolg französisch basierter Patisserie erklärt sich auch dadurch, dass »Le Cordon Bleu« in 20 Ländern Franchise-Filialen betreibt. So stammen denn auch viele der 170 raffinierten Rezepte und zahlreichen Tipps in diesem Buch von Patisserie-Profis an Standorten wie Ottawa, Malaysia, London, Saigon, Lima und Mexiko-Stadt.

Ähnlich wie bei Owens Reis-Bibel ist auch dieses Standardwerk im Kern schon ein wenig älter, aber erst jetzt in deutscher Übersetzung erhältlich. Seit der Erstausgabe 2008 wurden im französischen Original immer wieder sorgfältig überarbeitete Versionen veröffentlicht. Die aktuelle umfasst 416 Seiten und wurde 2015 herausgegeben. Deshalb, das muss gesagt werden, bringt das Buch für erfahrene Patissière, Konditoren, Confisiers und Chocolatiers eventuell nicht den ersehnten Mehrwert. Für die Schulung in zeitgemäß veganer Schokoladenkunst muss man noch auf ein entsprechend ausgestattetes Lehrbuch warten, so etwas ist auf dem deutschen Markt noch nicht erschienen.

Wer aber – vom ambitionierten Hobbyisten bis zum Profi mit Nachschulungswillen – in allen Belangen der klassischen Kakaoveredelung die Nase vor etwaigen Mitbewerbern haben möchte, kommt um dieses Werk nicht herum. Selbst sein stärkster Konkurrent »Handwerk Schokolade: Techniken – Rezepturen – Schaustücke« von Edwald Notter (auf dem Antiquariatsmarkt kaum unter 150 € zu haben) schwächelt im Vergleich.

Etwa dann, wenn es um die vollständig bebilderte Erläuterung der superexakten Rezepte und ihrer Tricks geht: In bester Larousse-Tradition werden im »Großen Blauen« die Basistechniken in Dutzenden Workshops didaktisch aufbereitet. Das Ergebnis sind Highend-Leckereien wie Dacquoises mit Florentinern, Feuilles d’automne, Fondant Madame de Sévigné, aber auch alltägliche Schokofreuden wie Rumtrüffel, Nuss-Nougat-Creme, Sachertorte und Brownies.

Wer braucht das? Alle, die genau wissen wollen, wie man an die wahren Schokoladenseiten des Lebens herankommt.

Typisches Rezept? »Cheesecake Peruanita mit Bitterschokolade aus Tingo Maria«

Was kostet das? 78 Euro