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Studienfächer erklärt Was ich als Erstsemester gern über Pharmazie gewusst hätte

Pharmazie, das ist die Wissenschaft der Arzneimittel. Doch was lernt man im Studium genau? Ist es wirklich so stressig, wie viele sagen? Und muss ich danach Apotheker werden? Student Paul Zeeb gibt Antworten.
Aufgezeichnet von Benjamin Ansari
Wer Pharmazie studiert, verbringt viel Zeit im Labor (Symbolbild)

Wer Pharmazie studiert, verbringt viel Zeit im Labor (Symbolbild)

Foto: Solskin / Getty Images
Studienfächer erklärt

In der Reihe »Studienfächer erklärt« stellen wir die beliebtesten Studienfächer in Deutschland vor. Wie viele Studierende an deutschen Hochschulen in welchem Fach eingeschrieben sind, ermittelt das Statistische Bundesamt einmal im Jahr . Unser Ranking bezieht sich auf die Zahlen für das Wintersemester 2019/2020.

Für die Fächer auf den ersten 30 Plätzen dieses Rankings gibt es jeweils ein Porträt – von Betriebswirtschaftslehre auf Platz 1 bis Wirtschaftsrecht auf Platz 30. Für die weiteren Porträts haben wir zusätzlich mit einbezogen, nach welchen Fächern besonders viele Menschen suchen. Weit oben stehen dann etwa Soziologie, Philosophie und Pharmazie. Grundlage ist hier eine Auswertung von Google für den Zeitraum 2021 bis September 2022.

Salben, Pillen, Tabletten, Impfungen: Pharmazeut:innen entwickeln Arzneimittel und versorgen die Bevölkerung damit. Das Berufsfeld ist breit, Pharmazeut:innen arbeiten in Pharmaunternehmen, Apotheken und Krankenhäusern, aber auch in der Industrie, an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, bei Behörden und in der Bundeswehr. Doch zuvor müssen sie es durch ein anspruchsvolles Studium schaffen, Stress, Leistungsdruck und hohem Lernaufwand trotzen.

Paul Zeeb, 23, studiert im achten Semester Pharmazie auf Staatsexamen an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Hier erklärt er, wieso sich das Durchhalten lohnt, warum er später nicht als Apotheker arbeiten will – und wieso er sich schon darauf freut, seinen Laborkittel zu verbrennen.

Die Entscheidung fürs Pharmaziestudium

»Nach dem Abi fühlte ich mich erst überfordert von der großen Entscheidung für einen Beruf. Dann besann ich mich auf meine Lieblingsschulfächer: Naturwissenschaften. Ich ging zu einem Orientierungstag der Uni und stellte fest, dass Pharmazie alle naturwissenschaftlichen Bereiche vereint. Das fand ich echt spannend!

Leider hat mein Abischnitt nicht ganz für das NC-Verfahren gereicht – doch über das hochschulinterne Auswahlverfahren konnte ich einen Platz ergattern. Im Gespräch mit einer Prüfungskommission aus einem Professor, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter und einem Studenten konnte ich mit meiner Motivation überzeugen. Leider gibt es das Format heute nicht mehr, nun zählt vor allem der 2020 eingeführte Studieneignungstest.«

Formale Voraussetzungen für ein Pharmaziestudium:

Das Pharmaziestudium ist zulassungsbeschränkt und mit einem Numerus clausus, kurz NC, belegt. In den vergangenen Jahren lag der zwischen 1,4 und 2,4.

  • Wer Pharmazie studieren möchte, muss sich über das Portal hochschulstart.de  bewerben.

  • 30 Prozent der Studienplätze werden unter den Abiturbesten nach Durchschnittsnote verteilt. Zudem gibt es eine Quote von zehn Prozent, bei der die Abinote ganz unberücksichtigt bleibt, die sogenannte Zusätzliche Eignungsquote (ZEQ) . Hier spielen etwa die Ergebnisse des Pharmazeutischen Studierfähigkeitstests (PhaST)  oder eine vorherige Berufsausbildung eine wichtige Rolle.

  • Die restlichen 60 Prozent der Studienplätze vergeben die Universitäten über eigene Auswahlverfahren. Hier zählt neben Eignungstests weiterhin die Abiturnote, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

Was man sonst noch mitbringen sollte:

Interesse an Naturwissenschaften, vor allem an Chemie, hohe Lern- und Leistungsbereitschaft, Spaß an der Laborarbeit, Geduld und Stressresistenz

Inhalte und Aufbau des Studiums

»Der Chemieanteil ist sehr dominant. In der Schule hatte ich Chemie abgewählt, das sollte ich an der Uni schnell bereuen. Mir fehlten viele Grundlagen. So bestand ich die Eingangsklausur erst im Zweitversuch. Zwar bekommen wir nur für die drei Staatsexamina Noten und müssen normale Klausuren lediglich bestehen – doch wer durch eine Prüfung fällt, kann sie meist erst ein Semester später wiederholen. Ich selbst habe nach acht Semestern von den Prüfungsleistungen erst sechs abgehakt.

Im Grundstudium prügelten uns die Dozenten viel abstraktes Grundlagenwissen ein. Mitunter habe ich mich gefragt, wieso ich mir das antue: Fast jeden Tag in der Uni oder im Labor zu sein, von 9 Uhr bis 18, manchmal 20 Uhr, Seminare mit Anwesenheitspflicht. Der Stressfaktor ist enorm hoch. Es ist viel zu viel Stoff für zu wenig Zeit. Die Prüfungsordnung ist gefühlt von 1705. Wir müssen sehr viel auswendig lernen: die Namen von Arzneipflanzen und Stoffen, anatomische Begriffe auf Deutsch und Latein, Strukturformeln, Namensreaktionen. Leider fällt mir das schwer – dafür erkenne ich Zusammenhänge sehr schnell.

»Wir lernen wirklich, was die Welt im Innersten zusammenhält.«

Student Paul Zeeb

Es ist spannend zu sehen, wie jetzt im Hauptstudium die ganzen Grundlagen aus dem Grundstudium endlich Sinn ergeben. Alles verbindet sich im größeren Kontext. Wir sprechen mehr über pharmazeutisch relevante Themen, Biochemie, Pharmakologie, analysieren Stoffe und ihre Wirkung auf Menschen. Wir lernen wirklich, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Das Studium ist sehr verschult, die Lernatmosphäre wie in einer Klasse: Die Stundenpläne sind vorgegeben, die Kommilitonen bleiben die gleichen. So findet man leicht Freunde.

Studienverlauf im Pharmaziestudium:

Das Pharmaziestudium wird zentral organisiert, die Inhalte sind daher von Hochschule zu Hochschule größtenteils gleich. Es dauert acht Semester und besteht aus zwei Phasen, dem Grund- und dem Hauptstudium. Nach dem vierten Semester legen die Studierenden das erste Staatsexamen ab, nach dem achten Semester das zweite. Die Studienordnung schreibt zudem zwei Famulaturen vor: je vier Wochen in einer öffentlichen Apotheke und in einer frei wählbaren pharmazeutischen Stelle.

Damit endet der universitäre Teil des Studiums. Es folgen ein Praktisches Jahr und ein drittes Staatsexamen. Erst dann dürfen ausgebildete Pharmazeut:innen die Approbation als Apotheker:in beantragen.

Mittlerweile lässt sich Pharmazie an einigen Hochschulen auch auf Bachelor und Master studieren, die Zulassung als Apotheker:in fällt dann aber weg. Diesen Weg sollte also nur einschlagen, wer schon weiß, dass er nach dem Studium in Forschung, Industrie oder Verwaltung arbeiten möchte.

Typische Pflichtmodule: Organische Chemie, Allgemeine und Anorganische Chemie, Pharmakologie und Toxikologie, Pharmazeutische Biologie/Technologie/Physik, Mathematik, Klinische Pharmazie, Arzneimittelanalytik

Spaß macht auch die Laborarbeit. Solange es keine Pandemie verunmöglicht, sind wir 60 Prozent der Zeit im Labor, mit Schutzbrille und Kittel. Nervig sind nur die ganzen Laborprotokolle. Wir müssen so viele schreiben, dass es sich anfühlt wie zwei zusätzliche Hausarbeiten pro Semester.

Doch durchhalten lohnt sich, wenn die eigenen Erwartungen stimmen: Pharmazie ist eines der härtesten Fächer, dafür enorm spannend und abwechslungsreich. Auf keinen Fall sollte man einfach so drauflosstudieren, nur weil der Papa Apotheker ist und seine Apotheke vererben will. Ohne eine gute Lerngruppe schafft man das Studium nicht – und ohne Ausgleich: Ich spiele Rugby im Unisport und engagiere mich in der Fachschaft.«

Berufsaussichten nach dem Studium

»Viele Pharmazeuten gehen nach dem Studium in die Apotheke. Ich stelle mir das auf Dauer zu eintönig vor und würde es höchstens mal eine Zeit lang machen, etwa wenn ich Papa werden sollte. Dann könnte ich dort in Teilzeit arbeiten, hätte flexible Arbeitszeiten und ein gutes Gehalt. Diese Option immer in der Hinterhand zu haben, das ist schon cool.

Beruflich bleibe ich lieber erst mal dort, wo ich schon bin, in der Forschung in der Industrie: Seit 2020 arbeite ich als Werkstudent beim Pharmaunternehmen Merz, wo ich davor meine zweite Famulatur gemacht habe. Der Job lässt sich mit der Uni vereinbaren, weil ich meine Arbeitszeit frei einteilen darf, teils am Wochenende arbeite.

Nächstes Jahr steht bei mir aber erst einmal das zweite und wichtigste Staatsexamen an, das einen Großteil der Endnote ausmacht: Fünf mündliche Prüfungen, davor graut es mir schon. Dafür freue ich mich sehr auf die traditionelle Kittelverbrennung nach dem letzten Labor, wenn wir Studenten unsere Kittel gemeinsam ins Feuer schmeißen und so Scheinfreiheit feiern. Das wird ein Fest.«

Branchen und Gehälter:

Die Berufsaussichten für Pharmazeut:innen sind gut, es mangelt an Fachkräften. Seit Jahren listet die Agentur für Arbeit den Job als Apotheker:in offiziell als Mangelberuf, weil so viele Stellen unbesetzt bleiben.

In der Apotheke regeln Tarifverträge den Verdienst: Berufseinsteiger:innen starten mit einem Monatsgehalt von etwa 3780 Euro brutto . Danach steigen die Gehälter schnell, im Schnitt liegen sie bei etwa 4500 Euro. Das Gehalt variiert aber stark nach Bundesland, am besten verdienen Apotheker:innen in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein. 

Pharmazeut:innen arbeiten auch in Kliniken und in der Krankenhausverwaltung, in der Pharmaindustrie, an privaten und staatlichen Forschungseinrichtungen, bei der Bundeswehr (im Sanitätsdienst und der Wehrpharmazie) oder in für Arzneimittelzulassung und -sicherheit zuständigen Behörden.

In der Industrie sind höhere Gehälter möglich. Behörden zahlen nach der Lohntabelle des gehobenen und höheren Dienstes.