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Chaos auf der 9. Etappe der Tour de France Schotter und Champagner

Es war die Renaissance der staubigen Helden: Tour-Favorit Pogačar attackierte 88 Kilometer vor dem Ziel, Konkurrent Vingegaard verfolgte ihn auf einem fremden Rad durch die Champagne. Und am Ende jubelten die Franzosen.
Tadej Pogačar in Gelb: Staubige Etappe

Tadej Pogačar in Gelb: Staubige Etappe

Foto: Bernard Papon / AP

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Szene der Etappe: Der neunte Tour-Tag war mit Spannung erwartet worden. Hier sollten die Schotterpisten, wie die Pedaleure sie in den Anfangsjahren der Tour de France befahren hatten, ihre Renaissance erleben. Bereits am Chemin blanc de Baroville hatten dann viele Fahrer Probleme. Hinterreifen rutschten im tiefen Kies weg. Das große Peloton konnte nicht gemeinsam über die schmale und staubige Straße fahren, einige Fahrer mussten am Fuße des Hügels warten, das Hauptfeld fiel auseinander. Manche Profis schafften den Anstieg nicht, stiegen ab und schoben ihr Rad hinauf. Die Etappe hatte Chaos versprochen, sie hielt ihr Versprechen.

Die staubigen Helden der Landstraße:

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Der Zielsprint: Mitfavoriten wie Primož Roglič ließen zwischenzeitlich im Kies abreißen, Defekte stoppten die Fahrer, zahlreiche Ausreißer versuchten ihr Glück auf den staubigen Straßen rund um Troyes. Auf den letzten Kilometern drückten die acht verbliebenen Flüchtigen mit Zorn auf die Pedale. Der Kanadier Derek Gee attackierte wenige Kilometer vor dem Ziel, seine Konkurrenten hielten ihn zurück. Dann sprintete Jasper Stuyven davon. Doch kurz vor dem Ziel holte die Gruppe auch ihn wieder ein, auf den letzten Metern gingen die Profis aus dem Sattel, legten alles in den Sprint – und der Franzose Anthony Turgis gewann seine erste Tour-Etappe.

Mythos Tour: Turgis war danach erschöpft, aber vor allem glücklich. Und sagte: »Ich habe nie daran gedacht, hier zu gewinnen, bei dieser mythischen Etappe, unglaublich.« Fanden die französischen Kommentatoren wohl auch:

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Ergebnis der Etappe: Turgis triumphierte auf der 9. Etappe der diesjährigen Tour de France über 199 Kilometer mit Start und Ziel in Troyes. Es ist bereits der dritte französische Etappensieg. An der Spitze der Gesamtwertung änderte sich derweil nichts. Tadej Pogačar führt weiter mit 33 Sekunden vor Remco Evenepoel, Vorjahressieger Jonas Vingegaard liegt 1:15 Minuten zurück.

Unter Schock: Der Unfalltod des norwegischen Radprofis André Drege bei der Österreich-Rundfahrt am vergangenen Samstag überschattete auch den Beginn der Tour-Etappe. »Es ist schwer zu begreifen, was geschehen ist«, sagte Pogačar: »Es ist sehr traurig. Wir stehen alle ziemlich unter Schock.« Und: »Wir haben einen ziemlich coolen Job, aber die meiste Zeit ist es wirklich gefährlich.« Fünf Minuten vor dem Start rollten die Fahrer des norwegischen Teams Uno-X Mobility an die Startlinie, um ihres verstorbenen Kollegen zu gedenken.

Das Team Uno-X Mobility an der Startlinie: Gedenken an André Drege

Das Team Uno-X Mobility an der Startlinie: Gedenken an André Drege

Foto: Jan De Meuleneir / Photo News / IMAGO

Schotter und Champagner: Bereits im Vorfeld hatten Größen des Radsports die Konzeption der Etappe kritisiert. Richard Plugge, CEO von Toursieger-Team Visma-Lease a Bike, etwa sprach schon im vergangenen Oktober von einem »unglaublich anspruchsvollen Kurs«. Es sei unnötig, Schotteretappen in die Tour-Karte einzubauen. »Es erhöht die Chance auf Pech. Wir wollen, dass der Kampf so fair wie möglich ist. Eine Strecke wie diese trägt meiner Meinung nach nicht dazu bei.« Inmitten der Champagne-Felder in der Region Côte des Bar war es dann so weit: Das Peloton rollte erstmals auf eine der weißen Straßen, und als das Peloton später zerfiel, machte eine Mannschaft Tempo, um den Konkurrenten in dieser misslichen Lage noch mehr Probleme zu bereiten: Visma-Lease a Bike, das Team von Plugge.

Der Radtausch: Am Chemin blanc des Hauts Forêts passierte dann, was Plugge befürchtet hatte. Tour-Titelverteidiger Jonas Vingegaard ließ sich wegen eines technischen Defekts an seinem Rad aus dem Peloton zurückfallen. Sein Kollege Jan Tratnik opferte sich auf, überließ Vingegaard sein Rad und wartete selbst am Straßenrand auf den Teamwagen. Vingegaard kämpfte sich zurück in die Spitze. Auf den engen Feldwegen kam der Teamwagen lange nicht zu ihm durch, der Däne fuhr etliche Kilometer auf Tratniks Rad. Das wäre eigentlich ein Problem, denn die Rennmaschinen sind speziell auf die einzelnen Profis eingestellt. Vingegaard hielt es aber so lange auf Tratniks Rad aus, dass etwa Eurosport-Experte Robert Bengsch mutmaßte, das Jumbo-Team hätte womöglich mit so einer Situation gerechnet. Und Tratnik sei womöglich mit einem auf Vingegaard eingestellten Rad gestartet, um ihm jederzeit aushelfen zu können.

Jonas Vingegaad auf dem Rad mit der Nummer 7: Eigentlich ist er die 1

Jonas Vingegaad auf dem Rad mit der Nummer 7: Eigentlich ist er die 1

Foto: Marco Bertorello / AFP

Kampf um Gelb: Vorbei sind die Zeiten, in denen eine Mannschaft die Tour allein dominiert und der Mann im Gelben Trikot sich auf die letzten Meter eines Anstiegs verlässt, um seinen Verfolgern ein paar Sekunden zu entkommen. Diesmal attackierte Pogačar, der Mann in Gelb, allein 88 Kilometer vor dem Ziel. Bei der Strade Bianche, dem Rennen über die weißen Straßen der Toskana, hatte er im März nach einem 81-Kilometer-Solo gewonnen. Aber das hier ist die Tour, seine Konkurrenten blieben an ihm dran. Später attackierte dann der Zweitplatzierte Remco Evenepoel, Pogačar und Vingegaard setzten nach, das Trio beharkte sich so lange, bis es die Ausreißergruppe eingeholt hatte. Dann schien allen drei klar zu werden, dass dieser Angriff zu nichts führen würde. Pogačar, Evenepoel und Vingegaard ließen sich wieder zurückfallen, am Ende kamen sie zeitgleich ins Ziel.

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Am Ende: Mit von Staub bedeckten Gesichtern rollten die Profis ins Ziel, der Dreck klebte an ihren Rädern. Evenepoel sah aus, als hätte er sein Herz auf der Strecke gelassen. Pogačar-Helfer Nils Politt sagte: »Ich glaube, ich habe eine kleine Staublunge.« Die Schotter-Etappe hatte ihre Spuren hinterlassen.

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Und morgen? Erholung! »Endlich Ruhetag«, sagte der deutsche Sprinter Pascal Ackermann in der ARD und rollte zu seinem Teambus. Gut, dass am Montag ein Tag Pause ist.