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Deutschland auf der Klimakonferenz Warum Baerbock so freundlich zu den Emiraten ist

Der Chef der Klimakonferenz ist ein Mann des Öls, Protest wird in den Vereinigten Arabischen Emiraten unterdrückt. Trotzdem ist aus Deutschland vor allem Lob zu hören. Welches Kalkül hinter der neuen deutschen Sanftheit steckt.
Aus Dubai berichtet Jonas Schaible
Außenministerin Baerbock, Kanzler Scholz, COP-Präsident Al Jaber in Berlin: Wandel durch Annäherung

Außenministerin Baerbock, Kanzler Scholz, COP-Präsident Al Jaber in Berlin: Wandel durch Annäherung

Foto: Bernd Elmenthaler / IMAGO

Es waren seine Sätze zu fossilen Energien, die den Präsidenten der Weltklimakonferenz COP28, Sultan Al Jaber, dieser Tage in die Schlagzeilen brachten. Es gebe keine wissenschaftlichen Erkenntnisse und keine Szenarien, wonach man mit einem Ausstieg aus den fossilen Energien die Erwärmung von nur 1,5 Grad erreichen könne. Medien berichteten weltweit. Wissenschaftler widersprachen entschieden.

Mindestens gleichermaßen bemerkenswert ist aber der Ton des Gesprächs . Al Jabers Gegenüber war Mary Robinson, ehemalige irische Präsidentin und ehemalige Uno-Sondergesandte für Klimaschutz, eine der wichtigen Netzwerkerinnen in der Klimadiplomatiewelt.

Der COP-Präsident, zugleich Industrieminister der autoritären Vereinigten Arabischen Emirate und Chef des Öl- und Gaskonzerns Adnoc, behandelte sie wie eine Schülerin. »Ma’am, ma’am«, blaffte er immer wieder, fiel ihr ins Wort. Als es um Pläne seines Unternehmens ging, sagte er: »Sie lesen Ihre eigenen Medien, die voreingenommen sind«.

Und dann ergänzte er diesen Satz: »I am the man in charge«, was man wohl am präzisesten mit »Ich bin schließlich der Chef« übersetzen könnte.

Ich-bin-schließlich-der-Chef-Attitüde, autoritäre Herrschaft mit prekärer Menschenrechtslage, und auch noch fossile Interessen, so jemand und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, das musste eigentlich schiefgehen.

Erstaunlicherweise geht es nicht schief. So weit sich das einige Tage vor Abschluss der Konferenz sagen lässt, ist eher das Gegenteil wahr.

Alle Artikel zur Klimakonferenz

Seit Ende November trifft sich die Staatengemeinschaft in Dubai zur 28. Uno-Klimakonferenz, der COP28. Lesen Sie hier alle Artikel zum Gipfel.

Das Verhältnis zwischen der Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate und der deutschen Delegation sei ausgesprochen eng, die Zusammenarbeit sehr gut, heißt es beständig aus dem Auswärtigen Amt. So, wie man auch öffentlich fast nur Lob und Wohlwollen über die Präsidentschaft und das Land ausdrückt.

Was ist da los? Woher kommt diese bemerkenswerte Freundlichkeit, diese demonstrative Nähe – und was ist anders als im vergangenen Jahr?

Andere Haltung als gegenüber Ägypten

Denn die neue Sanftheit fällt nämlich umso mehr auf, weil sie in krassem Gegensatz zum Auftritt auf der letzten Konferenz steht.

In Scharm al-Scheich, auf der COP27, gewann man zwischenzeitlich das Gefühl , die Bundesregierung wolle es sich mit der ägyptischen Regierung verscherzen. Man stellte den eigenen Pavillon als Veranstaltungsort der Zivilgesellschaft zur Verfügung. Jennifer Morgan selbst setzte sich auf ein Panel mit der Schwester des inhaftierten Alaa Abd el-Fattah, dessen Haft und Hungerstreik die Proteste auf der Konferenz beherrschten.

Ägypten reagierte, Störer tauchten auf Veranstaltungen im deutschen Pavillon auf, Männer begannen, die deutsche Delegation zu verfolgen, zu filmen. Die Regierung warnte alle Teilnehmer vor aufdringlichen Sicherheitskräften.

Auch diesmal gibt Deutschland Nichtregierungsorganisationen Raum, etwa zur Gefahr für Klimaaktivismus. Zur Ruhe trägt gewiss bei, dass die Emirate verhindert haben, dass ein Gesicht wie Abd el-Fattah überhaupt prominent werden kann, und dass sie nicht so unbeherrscht repressiv sind wie Ägypten. Dafür umso effektiver.

Schwer zu sagen, meint ein Mitglied der Deutschen Delegation, wie es wäre, gäbe es Menschen, die verfolgt und sichtbar und laut wären und deren Sache man nicht ignorieren könnte. Aber es gibt sie eben nicht.

Es ist paradox, aber gerade weil die VAE noch repressiver sind als Ägypten, kann Deutschland das Autoritäre besser ausblenden. Und sich stattdessen auf die geteilten Interessen konzentrieren, von denen es einige gibt.

Hoffen auf die Eigenlogik einer Verhandlung

Da ist zunächst das ganz allgemeine Interesse: Deutschland und die VAE wollen beide die COP aus womöglich unterschiedlichen Gründen zum Gelingen bringen. Baerbock, damit es mit dem Klimaschutz vorangeht. Al Jaber, damit er sich als Macher inszenieren kann, als perfekter Organisator, als verlässlicher Mittler und fähiger Verhandler.

Diese Klimakonferenz soll den »Global Stocktake« zu einem Ende bringen, die erste große Bestandsaufnahme der Klimaschutzbemühungen nach dem Pariser Klimaabkommen, die wiederum die Grundlage für neue nationale Ziele werden soll. Schon inhaltlich geht es also um viel. Aus den Emiraten wurde entsprechend der Anspruch formuliert, eine erfolgreiche COP abzuhalten.

Damit, so das deutsche Kalkül könne man arbeiten. Von verschiedenen Seiten ist zu hören, bei allen Schwächen und trotz der fossilen Interessen seines Landes wirke Al Jaber als Moderator und Verhandler aufrichtig und verlässlich.

Man hofft auch darauf, dass sich auch der Präsident der Eigendynamik einer solchen Verhandlung nicht entziehen könne: Nach einigen Tagen wolle man einfach, dass sie gelinge.

Es ist jene Dynamik, die der grüne Vizekanzler Robert Habeck kürzlich auf dem Parteitag so beschrieb: Wenn man aus harten Verhandlungen komme, könne es sein, »dass man am Ende auch ein Stück weit an das, was man erreicht hat, zu stark glauben kann.« Man stimmt dann, hieß das, Dingen zu, denen man sonst vielleicht nicht zugestimmt hätte. Was für Habeck in der Ampel gilt, könnte auch für Al Jaber auf der COP gelten.

Die Eitelkeit des Präsidenten

Dabei setzen auch die Deutschen auf das, was sie als Al Jabers große Schwäche identifiziert haben: Er sei ungemein eitel, er wolle wirklich allen etwas beweisen. »Sein Interesse daran, gut dazustehen, ist noch größer als sein Interesse an Öl«, sagt eine Beobachterin.

Mit dem reibungslosen Ablauf, der in extremem Kontrast zur letztjährigen Konferenz steht, der verblüffend schnellen Einigung auf einen Fonds zur Entschädigung von dauerhaften Schäden und Verlusten (Loss and Damage) gleich zu Beginn der Konferenz hat er reichlich vorgelegt. Aber ohne eine Einigung auf irgendein Ziel zum Ausstieg aus den fossilen Energien wäre die COP28 trotzdem ein Fehlschlag.

Dann gibt es da noch zwei spezifischere deutsche Interessen. Der Loss-and-Damage-Fonds, der zu Beginn auf den Weg gebracht wurde, ist nicht vor allem ein deutsches Werk, jedenfalls beanspruchen auch andere Länder, eine wichtige Rolle gespielt zu haben – in der deutschen Erzählung klingt es aber gern mal so. Im Auswärtigen Amt ist man sehr stolz darauf, im Entwicklungsministerium auch. »Darauf haben wir eineinhalb Jahre hingearbeitet. Hartnäckige Klimadiplomatie, die vorangeht und Bündnisse knüpft, zahlt sich aus«, sagte Baerbock.

Es ist eben auch so: Außenpolitik ist in den allermeisten Fällen weniger konkret als, beispielsweise, Energiepolitik. Sie besteht aus Gesprächen, Netzwerken, Signalen, aus Geben und Nehmen, besprochen zumeist hinter den Kulissen. Das Ergebnis eines Durchbruchs ist oft eher Vertrauen als ein Gesetz. Man hat als Klimaaußenministerin daher nicht so viele vorzeigbare Erfolge – und der Fonds soll erkennbar als einer von Baerbocks Erfolgen bleiben.

Die alte Welt überwinden

Am Loss-and-Damage-Fonds hängt aber auch noch etwas: Ein Grundkonflikt des UN-Klimasystems ist die Rolle von Staaten, die vor 30 Jahren noch wenig entwickelt waren, heute aber wohlhabend sind und große Emittenten. China etwa, das weltweit eindeutig die meisten Treibhausgasemissionen verursacht. Auch die arabischen Staaten. Industriestaaten wie Deutschland versuchen seit Langem, zu erreichen, dass die alte Ordnung aufgebrochen wird, dass auch die Neureichen als Verursacher der Krise Geld etwa für Klimaanpassung oder Schäden und Verluste bezahlen.

Die Emirate haben nun angekündigt, 100 Millionen in den Fonds einzuzahlen. Das ist ein Bruch mit der alten Logik – von dem man in Deutschland hofft, dass er Folgen haben wird. »Durch unser Tun zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ist das Zeichen gesetzt worden: Die alte Welt ist vorbei«, sagt Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Entwicklungsministerium und einer der wichtigsten deutschen Verhandler auf Klimakonferenzen.

Schließlich ist da ein zweites eher allgemeines deutsches Interesse. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind ein effektiver Vermittler, ein geschickter Akteur in der Weltpolitik, den man über kurz oder lang sicher braucht. Jetzt in Klimafragen, um trotz des Widerstands Saudi-Arabiens etwas zu bewegen. Oder, ebenfalls aktuell, im Nahostkonflikt.

Es geht um die Haltung arabischer Staaten zu Israel – und die Emirate haben schon einen Friedensvertrag mit Israel. Es geht um die Minderung der regionalen Auswirkungen des Konflikts, um Gesprächskanäle und Hilfe. Auch da wird man ohne die VAE kaum weiterkommen. Auch wenn die zu Beginn der Klimakonferenz in Abu Dhabi auch Wladimir Putin empfingen und damit deutlich machten, dass sie sich als ganz und gar unabhängig verstehen.

Am Sonntagmorgen besuchte Baerbock ein Lager des Welternährungsprogramms in der Nähe von Dubai. Von dort wird mehr als die Hälfte der Hilfen für den Gazastreifen derzeit verschickt. Die Emirate zahlen, so erklärt es ein Mitarbeiter vor Ort, der Uno-Organisation das Logistikzentrum. Man wolle alles dafür tun, den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern auf Dauer zu beenden, sagte Baerbock: »Dafür brauchen wir arabische Partner. Ich bin sehr dankbar gerade für den Austausch, den wir mit den Vereinigten Arabischen Emiraten haben.«

Man kann die Strategie vielleicht so beschreiben: Wandel nicht nur durch Annäherung, sondern sogar durch Umarmung. Ein Delegierter aus einem anderen europäischen Staat, der das auch beobachtet hat, drückt es in etwa so aus: Es sei eine gute Strategie, ein anderes Land zu umgarnen, um etwas zu bekommen. Man müsse nur aufpassen, dass man sich nicht ausnutzen lasse.

Das Endergebnis der Klimakonferenz wird einen ersten wichtigen Hinweis geben, ob die Strategie aufgegangen ist.