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SPD-Abgeordneter Diaby verzichtet auf Bundestagskandidatur »Der Ton ist rauer geworden«

Elf Jahre saß Karamba Diaby als erster schwarzer Mann für die SPD im Bundestag. Bei der nächsten Wahl wird er nicht mehr antreten. Hier zieht er Bilanz.
Ein Interview von Paula Haase
aus DER SPIEGEL 28/2024
SPD-Politiker Diaby

SPD-Politiker Diaby

Foto: Julia Steinigeweg / DER SPIEGEL

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SPIEGEL: Herr Diaby, wie schwer fiel Ihnen die Entscheidung, nicht erneut zu kandidieren?

Diaby: Ich habe mehrere Monate damit gerungen. Da kommen mehrere Gründe zusammen. Letztlich habe ich sie in Abwägung mit meiner Familie getroffen. Und jetzt bin ich froh, dass die Entscheidung steht. Ich wünsche mir, dass auf mich ein junger Mensch im Wahlkreis folgt, der meine Aufgaben übernimmt.

Zur Person

Karamba Diaby, Jahrgang 1961, wurde im Senegal geboren. In den Achtzigerjahren kam er zum Studium der Chemie an die Universität Halle-Wittenberg in der damaligen DDR. Von 2009 bis 2015 war Diaby Stadtrat in Halle (Saale), seit 2013 sitzt er für die SPD im Bundestag.

SPIEGEL: In den vergangenen Jahren gab es drei Anschläge auf Ihr Wahlkreisbüro in Halle. Vor einem Monat haben Sie erneut Morddrohungen gegen Ihre Person öffentlich gemacht. War das jetzt einfach zu viel?

Diaby: Die ganzen Anfeindungen und Drohmails, die ich bekommen habe, kann man nicht einfach wegwischen. Die beschäftigen mich – und auch mein Team. Mein Team wurde angegriffen, bedroht und erpresst. Man kann bei solchen Anfeindungen nicht zur Tagesordnung übergehen. Deswegen habe ich die Drohungen öffentlich gemacht. Ich bin der Meinung, dass der Rechtsstaat für seine Bürger da ist. Soziale Medien sind keine rechtsfreien Räume. Wenn wir das zulassen, dann haben wir etwas versäumt.

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SPIEGEL: Hat der Rechtsstaat genug Mittel zur Hand, um gegen offenen Hass vorzugehen?

Diaby: Die ganze Gesellschaft, die Politik und die Regierung sind herausgefordert, um dem etwas entgegenzusetzen. Wenn Mitarbeiter vom Technischen Hilfswerk, Polizisten und Politiker angegriffen werden, dann müssen wir darüber diskutieren, ob die beschlossenen Gesetze ausreichen – oder ob wir nachbessern müssen. Wenn ich bedroht werde, dann zeige ich das konsequent an. Nur so können wir die Rahmenbedingungen immer wieder überprüfen. Zudem müssen wir in Strukturen investieren, die sich um Betroffene von Hass kümmern.

»Das ist der Nährboden für Gewalt auf der Straße.«

SPIEGEL: Hat sich die Stimmung im Parlament verändert seit dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017?

Diaby: Der Ton ist rauer geworden, und das hat meiner Meinung nach auch die Spannungen innerhalb der Gesellschaft erhöht. Die Botschaften der AfD sind besonders gegen Minderheiten beleidigend, herabwürdigend und aggressiv. Das ist der Nährboden für Gewalt auf der Straße.

SPIEGEL: Es wird immer gefordert, dass der Bundestag diverser werden muss. Aber Sie werden regelmäßig rassistisch angefeindet. Würden Sie jungen Menschen mit Migrationsbiografie noch raten, in die Politik zu gehen?

Diaby: Die Gesellschaft kann sich nur zum Positiven hin verändern, wenn man mitmacht. Wer nicht mitmacht, überlässt es den anderen. Mein Appell an diese Menschen: Geht wählen! Beteiligt euch in Gewerkschaften und Parteien!

SPIEGEL: Sie werden für Ihr politisches Engagement als schwarzer Mann mit dem Tod bedroht. Können Sie es nicht verstehen, wenn junge Menschen Angst haben, sich politisch zu engagieren?

Diaby: Ich kann das natürlich verstehen. Aber es ist eine kleine Gruppe, die sehr laut ist. Wenn wir ihnen das Feld überlassen, haben wir schon verloren. Ich bin davon überzeugt, dass die überwiegende Mehrheit in Deutschland für eine offene und demokratische Gesellschaft einsteht. Wir sollten die Mehrheit im Blick haben und nicht die kleine Gruppe an Menschen, die Hass und Hetze als Geschäftsmodell nutzen. Nur wenn junge Menschen sich politisch beteiligen, können ihre Ideen einer vielfältigen, demokratischen und toleranten Gesellschaft umgesetzt werden.

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