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DER SPIEGEL

SPIEGEL-Livegespräch mit Sachsens Ministerpräsident Kretschmer verteidigt »wirtschaftliche Verflechtung« mit Russland

Die Rufe nach einem vollständigen Energieembargo gegen Russland werden immer lauter. Im SPIEGEL-Livegespräch erklärte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, warum er davon nichts hält.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat trotz des russischen Überfalls auf die Ukraine wirtschaftliche Beziehungen zu Russland verteidigt. »Ich glaube in der Tat, dass wir eine wirtschaftliche Verflechtung mit Russland brauchen«, sagte Kretschmer im SPIEGEL-Livegespräch mit Chefredakteurin Melanie Amann. Russland müsse »auch ein Stück weit von Europa abhängig« sein, so Kretschmer.

Es sei falsch, alle Beziehungen zu Russland abzubrechen. Man müsse dort diejenigen stärken, die eine »westliche Sicht« haben. Ein Russland ohne europäische Anbindung würde »unkalkulierbarer«.

Der sächsische Ministerpräsident hatte sich in den vergangenen Jahren für bessere Beziehungen zu Russland eingesetzt und auch für den Abbau der Wirtschaftssanktionen gegen Russland geworben, die aufgrund der Annexion der Halbinsel Krim verhängt worden waren.

Auch die nun gestoppte Erdgaspipeline Nord Stream 2 möchte Kretschmer nicht gänzlich aufgeben. Zuletzt hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) im SPIEGEL-Gespräch das Projekt als »Fehler« bezeichnet . Kretschmer sieht das anders, er betonte zugleich aber, dass Deutschland eine »eigene Stärke« brauche, auch in der Energieversorgung. Die Abhängigkeit von Russland müsse »viel, viel geringer« werden.

Auch nach den Gräueltaten von Butscha hält Kretschmer weiter an seiner Ablehnung eines vollständigen Energieembargos gegen Russland fest. Sein Nein begründete der CDU-Politiker damit, dass Deutschland sich mit diesem Schritt nur selbst schaden würde.

Kuscheln mit »Kumpelchen Putin«

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass russische Soldaten vor ihrem Abzug aus dem Kiewer Vorort Butscha Hunderte ukrainische Zivilistinnen und Zivilisten getötet hatten. Vielen waren die Hände gebunden, die Ukraine wirft dem Kreml gezielte Kriegsverbrechen vor.

Scharfe Kritik an Kretschmers Haltung kam vom ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk. Melnyk warf dem Ministerpräsidenten vor, mit seinem »Kumpelchen Putin« zu kuscheln. »Ihre unverschämte Anbiederung an diesen Kriegsverbrecher bleibt eine ewige Schande«, schrieb Melnyk auf Twitter.

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Kretschmer hatte zuvor die Kritik Melnyks an der deutschen Politik als »nicht immer sachgerecht« bezeichnet. Da die Ukraine ums Überleben kämpfe, könne man es Melnyk jedoch nicht »übel nehmen«, sagte Kretschmer.

Nach Bekanntwerden neuer Raketenangriffe auf Flüchtende in Kramatorsk legte Melnyk mit einem weiteren Tweet nach und bezeichnete die Haltung des Ministerpräsidenten als »erbärmlich«. »Ich lade Sie ein, mal nach Kramatorsk zu fahren, um mit eigenen Augen das wahre Antlitz Russlands und der ›großen russischen Kultur‹ zu genießen«, schrieb der Botschafter.

lme/mrc