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Parteichefs Wissler und Schirdewan Linkenspitze signalisiert Bereitschaft zum Rückzug – aber geordnet

Die Anzeichen für einen Führungswechsel in der Linken verdichten sich. Die Partei ist nach immer neuen Tiefschlägen stark verunsichert. Über den Sommer soll nun eine Lösung gefunden werden.
Martin Schirdewan und Janine Wissler: Führungsduo am Ende?

Martin Schirdewan und Janine Wissler: Führungsduo am Ende?

Foto: IMAGO/Frank Gaeth

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Janine Wissler und Martin Schirdewan, die beiden aktuellen Vorsitzenden der Partei Die Linke, haben erstmals gemeinsam Bereitschaft für einen Rückzug aus der ersten Reihe signalisiert. Beide hätten sehr deutlich gemacht, »sie kleben nicht am Stuhl«, wurde dem SPIEGEL am Sonntag nach einer Klausurtagung des Parteivorstandes mit Vertretern der Landesverbände bestätigt.

Wissler und Schirdewan wollten jedoch »einen geordneten Prozess«. Der Parteivorstand setzte eine Arbeitsgruppe ein, die über den Sommer eine Klärung herbeiführen soll. Schirdewan und Wissler sollen ihr angehören, ebenso wie die beiden Vorsitzenden der Bundestagsgruppe, Heidi Reichinnek und Sören Pellmann.

Zu den Mitgliedern zählen unter anderem die Landesvorsitzenden aus Brandenburg, Berlin, Thüringen und Nordrhein-Westfalen, Sebastian Walter, Maximilian Schirmer, Christian Schaft und Kathrin Vogler.

Die Arbeitsgruppe soll helfen, unkontrollierte und disruptive Personaldebatten zu vermeiden. Hinter verschlossenen Türen sollen Wissler und Schirdewan inzwischen eigene Fehler eingeräumt haben – unter anderem im Europawahlkampf. Die Partei war bei der Wahl am 9. Juni nur noch auf 2,7 Prozent gekommen.

»Die Partei wird oft vielstimmig und widersprüchlich wahrgenommen«, heißt es in einem Vorstandsbeschluss, der dem SPIEGEL vorliegt. Die Gefahr sei, dass sich das in der Krise noch verstärke: »Statt Entscheidungsschlachten zu führen, wollen wir einen Weg gehen, der die Partei und die Menschen in der Partei mitnimmt, ernst nimmt und stärkt.«

Zuletzt waren Forderungen laut geworden, Wissler und Schirdewan sollten sich beim Bundesparteitag in Halle im Oktober nicht erneut um den Vorsitz bewerben. So hatten sich unter anderem die früheren Vorsitzenden der Linken-Bundestagsfraktion Dietmar Bartsch und Gregor Gysi sowie Eva von Angern, Linken-Fraktionschefin in Sachsen-Anhalt, geäußert. Außerdem läuft die Debatte über eine neue Strategie der Partei.

Bei den Landtagswahlen im September drohen der Partei weitere Tiefschläge. In Thüringen wird Linkenpolitiker Bodo Ramelow nach Einschätzung von Beobachtern kaum Regierungschef bleiben können. In Brandenburg und Sachsen kämpft die Linke dagegen, unter die Fünfprozenthürde abzusacken.

Thema verfehlt?

Im Vorstandsbeschluss der Linken heißt es, die Wahlstrategie bei der Europawahl sei »nicht aufgegangen«. Man habe versucht, das Soziale in den Mittelpunkt zu stellen. Im Fokus der gesellschaftlichen Debatte hätten aber andere Themen wie Frieden, Migration und Sicherheit gestanden.

Zudem habe in Teilen des Wählerpotenzials Unsicherheit bestanden, »ob es Die Linke noch gäbe, was mit der Kommunikation um das Ende der Bundestagsfraktion zusammenhing«.