Zum Inhalt springen

Forsa-Umfrage 70 Prozent der Deutschen halten Staat für überfordert

»Neuer Tiefpunkt« in puncto Vertrauen: Mehr als zwei Drittel der deutschen Bürger halten den Staat für außerstande, wichtige Themen wie die Flüchtlings- oder Bildungspolitik lösen zu können. Unter AfD-Anhängern sind es gar 90 Prozent.
Menschenmenge in der Stuttgarter Fußgängerzone: Vertrauen in Staat nimmt weiter ab

Menschenmenge in der Stuttgarter Fußgängerzone: Vertrauen in Staat nimmt weiter ab

Foto: Wolfgang Maria Weber / IMAGO

Die Zuversicht der Deutschen in die Fähigkeiten der Bundesregierung hat einen »neuen Tiefpunkt« erreicht, auch Bundeskanzler Scholz räumt in seiner Regierungserklärung eine Vertrauenskrise ein: 70 Prozent der Bürger halten den deutschen Staat laut einer Umfrage für überfordert. Nur noch 25 Prozent glauben demnach daran, dass er seine Aufgaben erfüllen kann. Das geht aus einer repräsentativen Bürgerbefragung im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes (dbb) hervor. Die Umfrage hatte das Meinungsforschungsinstitut Forsa in diesem Mai durchgeführt.

Für überfordert halten die Befragten den Staat demnach vor allem in der Asyl- und Flüchtlingspolitik, der Bildungspolitik sowie bei der inneren Sicherheit. In Ostdeutschland ist das Misstrauen größer als im Westen der Republik: Dort gaben 77 Prozent der Befragten an, dass der Staat aus ihrer Sicht seinen Aufgaben nicht gerecht werde. Im Westen waren es 69 Prozent.

Großes Misstrauen zeigte die Befragung auch unter Anhängern von AfD und FDP. So gaben 90 Prozent der AfD-Anhänger an, den Staat für überfordert zu halten. Bei der FDP waren es 85 Prozent. Unter den Anhängern von SPD und Grünen sind die Vertrauenswerte deutlich höher. Hier gehen nur jeweils 54 und 50 Prozent davon aus, dass der Staat seine Aufgaben nicht richtig erfüllen kann.

Vertrauen seit der Pandemie stetig gesunken

Das Vertrauen in die Fähigkeit des Staates, seine Aufgaben und Probleme zu bewältigen, ist seit dem ersten Pandemiejahr 2020 kontinuierlich zurückgegangen. Damals hatten lediglich 40 Prozent geantwortet, dass sie den Staat für überfordert halten. Allerdings hatten in der jährlichen Befragung auch schon 2019, also vor der Coronazeit, 61 Prozent den Staat für überfordert gehalten.

Für den dbb-Vorsitzenden Ulrich Silberbach ist die Entwicklung der vergangenen Jahre dennoch bedenklich. Er gehe nicht davon aus, dass die politisch Verantwortlichen aus diesen Misstrauenswerten bislang die richtigen Schlüsse zögen, sagte er in Berlin.

»Wir brauchen wirksame Investitions- und Modernisierungsprogramme bei den Themen Bildung und innere Sicherheit, und wir brauchen einen konsequenten Neuansatz in der Migrationspolitik«, forderte Silberbach. Die Stichworte bei letzterem Thema seien eine bessere Steuerung und intensivere Förderung. Was in der aktuellen Situation hingegen nicht weiterhelfe, seien »Symbolpolitik« sowie neue Sonderbeauftragte, Arbeitsgruppen und Staatssekretärsposten.

Online befragt wurden nach Angaben des Beamtenbundes 2001 repräsentativ ausgewählte Menschen ab 14 Jahren. Dabei ging es wie bereits in den Vorjahren auch um die Berufe des öffentlichen Dienstes, die die Befragten besonders schätzen und jene, die bei ihnen eher ein geringes Ansehen genießen. Auch in diesem Jahr führten Feuerwehrleute die Liste der Berufe mit dem höchsten Ansehen an. 94 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass diese Gruppe ein hohes oder sehr hohes Ansehen bei ihnen genieße. Dahinter folgen Krankenpflegekräfte (90), Ärztinnen und Ärzte sowie Altenpflegekräfte (jeweils 86).

Polizistinnen und Polizisten kommen auf einen Wert von 81 Prozent, Kita-Erzieher auf 78 und Müllentsorger sowie Richterinnen und Richter auf jeweils 70 Prozent. Lediglich 35 Prozent gaben an, Beamten und Beamtinnen besonders zu schätzen. Das geringste Ansehen haben wie bereits im vergangenen Jahr Politikerinnen und Politiker (14), Mitarbeiter in einer Telefongesellschaft (elf) oder einer Werbeagentur (sechs) sowie Versicherungsvertreter (sechs). Den größten Ansehensgewinn konnten in diesem Jahr Richterinnen und Richter sowie Soldaten (jeweils plus fünf Prozentpunkte) verzeichnen. Das Vertrauen in die Polizei sowie in Beamte ist jeweils um drei Prozentpunkte gestiegen.

eru/dpa/AFP