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Opfer der DDR-Diktatur »Das SED-Unrecht wirkt nach, teils bis heute«

Wer in der DDR politisch verfolgt wurde, hat oft noch gesundheitliche und finanzielle Probleme. Die SED-Opferbeauftragte kritisierte nun den Bundesjustizminister und forderte, Betroffenen besser zu helfen.
SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke (2021)

SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke (2021)

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Michael Kappeler / dpa

Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR leiden nach Darstellung der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke immer noch Zehntausende Menschen gesundheitlich und finanziell unter den Folgen ihrer Unterdrückung. Ihnen müsse besser geholfen werden, sagte Zupke in Berlin bei der Vorstellung ihres Jahresberichts 2024. Die Pläne von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zur Reform der Unterstützung nannte sie »mutlos«.

»Das SED-Unrecht wirkt nach, teils bis heute«, sagte Zupke. »Dies betrifft die soziale Lage der Opfer und die bei vielen Betroffenen häufig weitreichend geschädigte Gesundheit.« Die Erfahrung von Unrecht und politischer Gewalt in der DDR sei keine Episode im Leben eines Menschen, nach der er auf seinen normalen Lebensweg zurückkehre.

Zu den Verfolgten aus DDR-Zeiten gehören nach Zupkes Angaben etwa 250.000 politische Häftlinge sowie 138.000 Heimkinder und 100.000 Menschen, die berufliche Nachteile erlitten. Viele Verfolgte sind bereits gestorben. Derzeit beziehen etwa 38.000 Menschen eine SED-Opferrente. 20.000 weitere erhalten andere Arten von Unterstützung. Der Bund gab nach Zupkes Angaben zuletzt 160 Millionen Euro für die SED-Opferrenten aus.

Leichtere Anerkennung von Krankheiten

Im Koalitionsvertrag der Ampel sind Verbesserungen angekündigt, die Justizminister Buschmann jetzt angehen will. »Unter dem Strich aber wirkt der Vorschlag mutlos auf mich«, sagte Zupke. Unter anderem fordert sie, dass Krankheiten einfacher als Konsequenz der Verfolgung anerkannt werden, ähnlich wie bei Bundeswehrsoldaten nach Kampfeinsätzen.

Zupke erzählte das Beispiel einer Frau aus Norddeutschland, die nach einem Ausreiseantrag in DDR-Haft saß und von der Bundesrepublik freigekauft wurde. Jahrzehnte später entwickelte sie Angst- und Schlafstörungen und beantragte Hilfe. »Das Amt sah keinen Zusammenhang«, berichtete Zupke. Die Opferbeauftragte fordert eine »kriterienbasierte Vermutungsregelung«: Wenn Menschen nachweislich verfolgt wurden und später bestimmte Krankheitsbilder entwickeln, soll ein Zusammenhang als gegeben angenommen werden.

Zudem monierte sie, dass die sogenannte Dynamisierung der Opferrente – also die jährliche automatische Erhöhung entsprechend den Altersrenten – erst Mitte 2025 greifen soll. Erwartet werde dann eine Erhöhung um neun Euro im Monat, und das fünfeinhalb Jahre nach der letzten Anpassung, sagte die Opferbeauftragte. »Die Renten der Stasi-Offiziere sind im gleichen Zeitraum über 25 Prozent gestiegen, die Opferrente nur um drei bis vier Prozent.« Der Bundestag solle sich dafür einsetzen, vor der Dynamisierung die Opferrenten zunächst zu erhöhen.

»Die Opferrente erst fünfeinhalb Jahre nach der letzten Anpassung mit Blick auf die aktuelle Rentenprognose nur um rund neun Euro zu erhöhen, schützt weder die Opfer vor Altersarmut noch trägt ein solches Vorgehen zur Würdigung der politisch Verfolgten bei.« Die Beauftragte fordert deshalb »eine angemessene Erhöhung der Opferrente« der Dynamisierung voranzustellen. Nur so könnten die hohen Preissteigerungen in den vergangenen Jahren »in gewissem Maße« aufgefangen werden.

Zupke wurde 2021 in das Amt der Opferbeauftragten beim Bundestag gewählt. Ihren Jahresbericht übergab sie am Mittwoch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD).

kry/dpa