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Druck auf Bildungsministerium Länder schalten Bundesrat in Streit über Digitalpakt ein

Im Ringen um den Digitalpakt 2.0 herrscht ein scharfer Ton: Als die Länder über den Bundesrat Druck machen, spricht ein BMBF-Vertreter von einer »teils unverschämten Märchenstunde«. Die Gegenseite zeigt sich entsetzt.
Digitales Lernen: Bund und Länder ringen um neues Förderprogramm (Symbolbild)

Digitales Lernen: Bund und Länder ringen um neues Förderprogramm (Symbolbild)

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Matthias Balk / picture alliance / dpa

Er ist ständig im Gespräch, aber nicht greifbar: Seit Monaten streiten Bund und Länder über einen Digitalpakt 2.0, um die digitale Ausstattung an Deutschlands Schulen weiter zu fördern. Doch die Verhandlungen scheinen festgefahren und der Ton hat es mittlerweile in sich. Nun warfen sich die Verhandlungspartner (erneut) gegenseitig vor, den Prozess auszubremsen – und die Wahrheit zu verdrehen.

Der Anlass: Um beim Bund weiter Druck zu machen, hatten die 16 Kultusminister am Freitag einen weiteren Spieler aufs Feld geholt: den Bundesrat. Das Saarland brachte hier einen »Entschließungsantrag zur sofortigen Sachentscheidung« ein. Der Bundesrat sollte die Bundesregierung auffordern, die nötige Verwaltungsvereinbarung für einen Digitalpakt 2.0 unverzüglich abzuschließen. Der Bund müsse Mittel von mindestens 1,3 Milliarden Euro jährlich für den gesamten künftigen Förderzeitraum 2025 bis 2030 sicherstellen, hieß es darin. Dieser Antrag wurde angenommen.

Die Länder pochen auf das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag. Darin hatte sich die Ampelregierung eindeutig zur Fortführung des Digitalpakts bekannt. Die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) und amtierende Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) mahnte: »Wir brauchen eine Bildungsinfrastruktur, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Das erreichen wir nur gemeinsam – Bund, Länder und Kommunen.« Die Länder stünden beim Digitalpakt 2.0 in den Startlöchern, sagte Streichert-Clivot und blieb dann – passend zur Europameisterschaft – im Fußballjargon: »Die Aufstellung steht, die Taktik auch.«

Die Ministerin kritisierte, die Bundesregierung habe nun zwar den Bundeshaushalt in Eckpunkten vorgestellt, doch es sei »weiterhin nicht erkennbar, ob und in welcher Höhe die Bundesregierung Mittel für den Digitalpakt zur Verfügung stellt. Diese Unklarheit setzt die soziale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen aufs Spiel.« Auch Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) verlangte vom Bund mehr finanzielles Entgegenkommen: »Wenn wir die gemeinsame Erfolgsstory Digitalpakt Schule tatsächlich fortsetzen wollen, dann brauchen wir jetzt ein klares Bekenntnis des Bundes – und zwar mindestens in der Größenordnung des ersten Digitalpakts.«

»Teils unverschämte Märchenstunde«

Der erste Digitalpakt, den Bund und Länder 2019 gemeinsam aufgelegt hatten, war im Mai ausgelaufen. Daran hatte sich der Bund mit 6,5 Milliarden Euro beteiligt. Er trug damit 90 Prozent der Kosten. Die restlichen 10 Prozent wurden von Ländern und Kommunen übernommen. Künftig besteht der Bund jedoch darauf, dass sich Bund und Länder die Förderung 50:50 teilen. In den Verhandlungen ist dies einer der wesentlichen Streitpunkte.

Jens Brandenburg, Staatssekretär im Bundesbildungsministerium (BMBF), beharrte am Freitag im Bundesrat auf dieser Position und warf den Ländern vor, darauf nicht einzugehen. Der FDP-Mann spielte den Ball ins Feld der Länder zurück: »Es ist nicht der Bund, der auf der Bremse steht.« Brandenburg sorgte für erheblichen Unmut, weil er die Aussprache als eine »teils unverschämte Märchenstunde« bezeichnete und den Ländern eine »teils scheinheilige Schuldzuweisung« vorwarf.

»Der Digitalpakt 2.0 ab dem Jahr 2025 muss kommen. Die Finanzierung ist Gegenstand der laufenden Haushaltsaufstellung«, betonte Brandenburg laut einer Mitteilung des BMBF. Trotz schwieriger Haushaltslage habe die Ampel bereits unter anderem das Startchancen-Programm und weitere Vorhaben finanziell abgesichert. »Genau das werden wir auch beim Digitalpakt 2.0 tun.« Doch dieselbe Klarheit erwarte er auch von den Ländern, erklärte der BMBF-Vertreter und teilte dann kräftig in Richtung der Länder aus: »In Ihrem Antrag klafft doch eine große Lücke«, darin stehe »kein Wort zur nötigen 50:50 Kofinanzierung der Länder« und »kein Wort dazu, dass die Last, eben nicht auf finanzschwache Kommunen abgewälzt« werden solle.

»Unwürdiges Schauspiel«

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien und Koordinatorin der B-Länder zeigte sich später von Brandenburgs Auftritt »entsetzt«. Der Staatssekretär habe »die Wahrheit verdreht« und ein »parteipolitisches Kampffeld aufgemacht«, sagte sie dem SPIEGEL. Dabei hätten die Länder angesichts der abgeschlossenen Haushaltsverhandlungen eigentlich von ihm erwartet, »dass er endlich sagt, ob und in welchem Umfang das BMBF Gelder für den Digitalpakt im Haushalt beantragt hat. Das hat er wieder nicht getan«. Sie empfinde dies als »unwürdiges Schauspiel« und »sehr enttäuschend«, erklärte Prien.

»Der Verdacht liegt nahe, dass diese polemische Rede vom mangelndem eigenem Durchsetzungsvermögen ablenken soll«, so die CDU-Politikerin. Die Darstellung, die Länder würden die Dinge verzögern, sei absurd. Seit 2,5 Jahren lägen die Eckpunkte der Länder auf dem Tisch. Die Bund-Länder-Vereinbarung sei Ende Januar weitgehend ausverhandelt gewesen. Der Bund habe einseitig erklärt, dass die Kosten nun nicht mehr 90:10, sondern 50:50 aufgeteilt werden. Außerdem dürften zukünftig die Kommunen als Schulträger nicht mehr beteiligt werden, obwohl die Digitalisierung ihre Aufgabe sei. »Über so etwas muss man auf Augenhöhe verhandeln und kann das nicht einseitig festlegen«, sagte Prien, zumal viele Länderhaushalte ohnehin stark belastet seien.

Eine Vereinbarung zum Digitalpakt 2.0 habe eigentlich bereits Mitte Mai unterschriftsreif vorliegen sollen, doch Anfang März habe das BMBF die Verhandlungen unterbrochen und völlig neue Forderungen aufgestellt, so die Ministerin. Einige Vorschläge zielten demnach darauf, dass sich der Bund tief in die Kompetenz der Länder einmischen wolle. Im föderalen System liegt die Kultushoheit bei den Ländern. »Trotz allem«, betonte die CDU-Politikerin, »waren und sind die Länder weiter verhandlungsbereit«. Der Digitalpakt 2.0 müsse dringend kommen. Schon jetzt sei erkennbar, dass Schulträger angesichts der anhaltenden Unsicherheit, bestimmte Investitionen in die digitale Ausstattung an Schulen nicht mehr vornehmen und etwa IT-Personal nicht weiter beschäftigen würden.

fok/dpa