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Armin Himmelrath

SPIEGEL-Bildungsnewsletter Dauerzwist um den Digitalpakt

Die Digitalisierung in den Schulen stockt: Der Digitalpakt von Bund und Ländern ist ausgelaufen, jetzt wird ums Geld für eine Fortsetzung gestritten. Ein Ende des Zanks ist nicht in Sicht.

Das kann man schon als handfesten Knatsch bezeichnen: Bund und Länder verhaken sich derzeit massiv im Kampf um den Digitalpakt 2.0. »Wir wissen im Moment leider nicht, in welcher Höhe sich der Bund an dem Programm in Zukunft beteiligen will. Und das macht uns eigentlich handlungsunfähig«, sagt etwa Christine Streichert-Clivot, Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und SPD-Bildungsministerin im Saarland.

Der Buhmann ist nach dieser Lesart das Bundesministerium für Bildung und Forschung unter Bettina Stark-Watzinger (FDP). Mitte Mai war der erste Digitalpakt ausgelaufen. An dem hatte sich der Bund seit 2019 mit 6,5 Milliarden Euro beteiligt und damit 90 Prozent der Kosten für die Digitalisierung in den Schulen übernommen. Die restlichen zehn Prozent trugen Länder und Kommunen.

Wie eine Neuauflage des Paktes aussehen könnte und vor allem wie sie finanziert werden soll, ist derzeit jedoch völlig offen. »Ich würde nicht mehr darauf wetten, dass es in dieser Legislaturperiode noch eine Einigung zwischen Bund und Ländern gibt«, hieß es im Hintergrundgespräch mit der Spitze eines Landesministeriums, das wir in der vergangenen Woche führen konnten. Die Länder seien frustriert und pessimistisch und hätten alle längst einen Plan B für den Fall, dass die Verhandlungen scheitern (siehe »Debatte der Woche«).

Befördert wurde die schlechte Laune in dem einen oder anderen Landesministerium womöglich auch durch die neue Ifo-Bildungsstudie: Die bescheinigte dem deutschen Schulsystem nämlich (mal wieder) massive Ungerechtigkeiten – und das insbesondere in zwei Bundesländern, Sachsen und Bayern.

Der Verband der Gymnasiallehrkräfte wiederum fand die Studie selbst hochgradig ungerecht. »Es ist äußerst bedenklich, wenn ausgerechnet ein Wirtschaftsforschungsinstitut mit Daten von gestern eine leistungsvergessene Schulpolitik für morgen gestalten will!«, schimpfte Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Philologenverbands (»Das ist los«).

Und dann ist da noch die Europawahl in zweieinhalb Wochen. Sie wollen den Urnengang zum Europäischen Parlament noch in zwei bis drei Unterrichtsstunden thematisieren? Da hätten wir etwas für Sie (»SPIEGEL Ed«).

Wie immer freuen wir uns auch dieses Mal über Lob, Kritik und Themenanregungen zur »Kleinen Pause« – gern per E-Mail an bildung@spiegel.de . Kommen Sie gut durch die Woche!

Für das Bildungsteam des SPIEGEL

Armin Himmelrath

Feedback & Anregungen? 

Das ist los

1. Ungerechte Bildung
Ob ein Kind aufs Gymnasium geht, hängt entscheidend vom Einkommen und Bildungsgrad der Eltern ab – das ist bekannt. Forschende des ifo Zentrums für Bildungsökonomik in München haben jetzt auch herausgefunden: In einigen Bundesländern ist dieser Zusammenhang deutlich stärker ausgeprägt als in anderen.

Dem Deutschen Philologenverband ist die Ifo-Studie jedoch ziemlich sauer aufgestoßen. »Leistungsvergessen und wirtschaftsfeindlich« sei das ganze Papier, sagte Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Philologenverbands. Und methodisch unsauber obendrein: Denn die von Ifo genutzten Daten seien von 2018/19 und damit überhaupt nicht mehr aktuell. Die Kritik im Wortlaut finden Sie hier . Die Philologen-Landeschefin von Rheinland-Pfalz, Cornelia Schwartz, bescheinigte der Ifo-Studie gar, sie zeuge »von einer unerträglichen Arroganz gegenüber der guten Arbeit, die an Realschulen und Hauptschulen geleistet wird«. Harter Tobak.

Die Attacken auf die Forscherinnen und Forscher wiederum hat die Website news4teachers  auf den Plan gerufen – mit einer Replik auf die Kritik des Philologenverbands. »Die verbreitete Sozialauswahl der Schülerschaft schadet dem Gymnasium – nicht die Kritik daran«, stellt Andrej Priboschek fest und wirft seinerseits den Gymnasien Versagen vor: »Welches Potenzial hierzulande für die Gymnasien verloren geht, weil Talente nicht erkannt werden: Das ist der eigentliche Aufreger.« Die Debatte dürfe damit noch nicht beendet sein.

2. Exklusion an Schulen
In der vorherigen »Kleine Pause«-Ausgabe ging es ja schwerpunktmäßig um Inklusion – beziehungsweise um nicht stattfindende Inklusion. Auf das dazugehörige Interview  meiner Kollegin Silke Fokken mit Thekla Mayerhofer vom Grundschulverband weise ich gern noch einmal hin.
Zum Glück gibt es gelegentlich aber auch Berichte über Fortschritte – selbst wenn die, wie im vorliegenden Fall, mitunter hart erkämpft werden müssen. Eine gehbehinderte Schülerin aus dem Münsterland hat jetzt vom Bundessozialgericht bestätigt bekommen, dass die örtliche Sozialbehörde ihr ein Taxi für den Weg zur Schule zahlen muss – weil kein Schulbus fährt und auch eine Fahrradfahrt nicht möglich ist.

3. Handyverbot? Handygebot?

Schülerinnen eines Gymnasiums in Gelsenkirchen benutzen ihr Smartphone im Biologieunterricht

Schülerinnen eines Gymnasiums in Gelsenkirchen benutzen ihr Smartphone im Biologieunterricht

Foto: Roland Weihrauch / dpa

Aktuell wird eine Diskussion wieder aufgewärmt, die wir so ähnlich schon vor einem guten Jahrzehnt erlebt haben: Sollen die Schulen zu smartphonefreien Zonen werden? Nicht wenige Lehrkräfte und Eltern sehen darin eine Lösung für viele Probleme, die mit ausgeprägtem Social-Media-Konsum einhergehen. Einige Länder versuchen derzeit, ein solch striktes Verbot umzusetzen. Die Niederlande gehören dazu, auch Großbritannien und Neuseeland.
Die OECD, die unter anderem die Pisa-Studien verantwortet, sieht das jedoch ganz anders: Sie empfiehlt ausdrücklich den gezielten Einsatz von Handys im Unterricht. Dafür brauche es einen verantwortungsbewussten Umgang mit den Geräten, und dafür wiederum entsprechende Regeln und Konzepte an den Schulen – sonst drohe in der Tat eine Leistungsverschlechterung.

4. Und sonst?

Könnten Sie die Zeit zum Beispiel mit unserem Quiz zum Abitur verdaddeln: Was wissen Sie über die Prüfungen, an deren Ende bei erfolgreichem Bestehen das Reifezeugnis für den Hochschulbesuch verliehen wird? Wenn Sie ahnen (oder gar wissen), seit wann es das Abitur gibt, was in einer Prüfungsordnung von 1834 gefordert wurde und wer – leicht despektierlich – die Abschlussprüfung mit den Worten »Wir sollen junge nationale Deutsche erziehen und nicht junge Griechen und Römer« kommentierte, dann folgen Sie diesem Link.

Und noch etwas haben wir für Sie: »Dein SPIEGEL«, unser Magazin für Kinder, hat jetzt auch einen eigenen Podcast. »Wer? Wie? BUZZ!« heißt er und ist als Wissenspodcast für die ganze Familie konzipiert. Hier entscheiden Kinder, worüber geredet wird – und wie lange. In jeder Folge treten Redakteurin Claudia Beckschebe und Redakteur Marco Wedig mit je drei Themen gegeneinander an. Mal geht es um künstliche Intelligenz, mal um Taylor Swift. Ein junger Studiogast beurteilt, was gefällt und was nicht: Langeweile wird weggebuzzert. Alle vierzehn Tage erscheint eine neue Episode. Hören Sie mal rein!

Debatte der Woche

Die Länder machen Druck, und zwar so richtig: 1,3 Milliarden Euro pro Jahr fordern sie vom Bund für den Digitalpakt 2.0. »Schicksalsfragen für Deutschland« stünden da gerade auf der Tagesordnung, heißt es mit deutlichem Pathos aus den Kultusministerien. Doch bisher erweckt das Bundesministerium für Bildung und Forschung nicht den Anschein, davon besonders beeindruckt zu sein.

Das ärgert KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot. »Jetzt geht der Bund davon aus, dass es eine 50-zu-50-Finanzierung gibt«, sagte die saarländische Ministerin. »Diese Entscheidung hat der Bund allerdings allein getroffen.« Sie beruhe angesichts der angespannten Haushaltslage des Bundes auf einer Vorgabe aus dem Finanzministerium – überfordere aber die Länder. Die Zusagen, die die Länder Anfang des Jahres noch vom Bund bekommen hätten, seien jetzt im Grunde zurückgenommen worden und nichts mehr wert.

Grundschüler am Computer

Grundschüler am Computer

Foto: Friso Gentsch/ dpa

Streichert-Clivot verwies darauf, dass die Länder keine Investitionsentscheidungen mehr treffen könnten, solange nicht klar sei, wie es weitergehe. Der Länderanteil müsse in den jeweiligen Haushalten eingeplant werden. »Aber wir kommen da auch erst weiter, wenn wir wissen, was der Digitalpakt wirklich mit sich bringt. Im Moment stecken wir da alle fest.«

Material wie Laptops oder digitale Tafeln müssten ersetzt werden, inhaltliche Veränderungen seien ebenfalls nötig – und vor allem müsse Personal weiterbeschäftigt werden: »Ich muss planen und in Aussicht stellen können, dass ich bestimmte Arbeiten brauche.«

Im Juni will die SPD-Politikerin bei der Konferenz der KMK im Saarland den Digitalpakt erneut zum Thema machen. Die Haushaltsplanung des Bundes sehe vor, dass man Anfang Juli den nächsten Schritt gehen wolle. »Unsere Hoffnung länderseitig ist natürlich, dass dort eine Hausnummer auf dem Tisch liegt, mit der man arbeiten kann. Aber das ist im Moment noch nicht der Fall.«

Wie’s weitergeht? Das ist, glaubt man Hinweisen aus mehreren Länderministerien, derzeit völlig offen. Und das wiederum ist kein gutes Zeichen für die Schulen, die Lehrkräfte und vor allem die Kinder und Jugendlichen.

Neues von SPIEGEL Ed

Die Europawahl steht vor der Tür. Zu diesem Anlass bieten wir Ihnen zwei neue Unterrichtsmodule (für die Mittel- und Oberstufe) zur Europäischen Union und zur Wahl des Europäischen Parlaments an, kostenfrei über unsere Bildungsinitiative SPIEGEL Ed.

Schülerinnen und Schüler entdecken dabei die Alltagsrelevanz von Europapolitik, lernen ihre Europaabgeordneten (besser) kennen und erhalten grundlegende, praktische Informationen zur Wahl des Europäischen Parlaments – bei der ja erstmals auch 16- und 17-Jährige wahlberechtigt sind.

Foto: DER SPIEGEL

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mit Material von dpa