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Franziska Gilli / Dein SPIEGEL

Berufscheck So arbeitet ein Fluglotse

Jonathan Strenske sorgt am Flughafen Hannover dafür, dass in der Luft kein Unfall passiert. Was bei der Arbeit wichtig ist, erzählt er hier.
Von Deborah Weber aus Dein SPIEGEL 4/2024

Wenn Jonathan, 23, ins Mikrofon spricht, klingt es ein bisschen so, als würde er eine Fantasie-Sprache benutzen. Er sagt Dinge wie »DLH049« oder »RWY27R«. Diese Abkürzungen stehen für Flugzeugnamen oder Rollbahnen. Alle Menschen, die im weltweiten Flugverkehr arbeiten, können solche Abkürzungen verstehen, egal welche Sprache sie sprechen. Wer einen Buchstaben sagen will, muss sich an international einheitliche Bezeichnungen halten. P nennen alle Fluglotsinnen und Fluglotsen »Papa«, M »Mike« und N »November«. Zahlen werden auf Englisch ausgesprochen.

Vom Tower aus kontrolliert Jonas, dass alle Flugzeuge geordnet starten und landen.

Vom Tower aus kontrolliert Jonas, dass alle Flugzeuge geordnet starten und landen.

Foto: Franziska Gilli / Dein SPIEGEL

Jonathans Job ist es sicherzustellen, dass Flugzeuge geordnet nacheinander starten und landen, ohne zusammenzustoßen. Sein Büro befindet sich in 65 Meter Höhe, im Tower des Flughafens Hannover. Von unten ähnelt der Kontrollturm einem Ufo, von innen einer Kommandozentrale aus Glas. Aus dem Tower hat man eine Sicht von 360 Grad, kann also einmal rundherum blicken. Flugzeuge, Häuser und Bäume sehen von hier winzig klein aus.

Dein SPIEGEL: Anpfiff für die Schule
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Für manche Kinder ist der Sport das Lieblingsfach in der Schule, für andere eine wöchentliche Demütigung. Wie kann der Sportunterricht aussehen, damit alle etwas davon haben? Und warum funktioniert das an vielen Schulen Deutschlands nicht? Darum geht es in der neuen Ausgabe von »Dein SPIEGEL«, dem Nachrichten-Magazin für Kinder. Außerdem im Heft: Ein Fluglotse berichtet von seinem Berufsalltag auf dem Tower. Und: der Konflikt im Roten Meer für Kinder erklärt – worum geht es den Huthi-Kämpfern? »Dein SPIEGEL« gibt es am Kiosk, ausgewählte Artikel online. Erwachsene können das Heft auch hier kaufen:

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Überall im Raum stehen aneinandergereihte Bildschirme. Auf manchen davon behält Jonathan den Luftraum im Blick. »Den kann man sich vorstellen wie eine Käseglocke über dem Flughafen«, sagt er. Alles, was hier passiert, beobachtet Jonathan genau. »Auf dem Radar sehe ich, was sich in der Luft auf mich zubewegt«, erklärt er. Wenn ein Flugzeug in Hannover landen möchte, erhält das Fluglotsen-Team im Tower einen Anruf. »Dann ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Flugzeuge immer genügend Abstand zueinander haben und sicher an ihr Ziel kommen. Alle Flugzeuge zu koordinieren ist wie ein 3D-Puzzle. Mit Puzzleteilen, die sich bewegen«, sagt Jonathan und grinst. Kleine Segelflugzeuge fliegen nied­riger als internationale Passagier­maschinen. Die Flugzeuggröße und -höhe berechnet Jonathan daher mit ein, genau wie die Geschwindigkeit und die Windstärke.

Die Bildschirme zeigen wichtige Informationen an, beispielsweise wie hoch und schnell ein Flugzeug fliegt oder wie stark der Wind weht.

Die Bildschirme zeigen wichtige Informationen an, beispielsweise wie hoch und schnell ein Flugzeug fliegt oder wie stark der Wind weht.

Foto: Franziska Gilli / Dein SPIEGEL

Auf einem Bildschirm blinkt die Uhrzeit: 10.20 Uhr. Dabei zeigt Jonathans Armbanduhr bereits 11.20 Uhr an. »Im Flugverkehr arbeiten wir mit einer Uhrzeit, die weltweit gleich ist. So vermeiden wir Verwirrungen, wenn Flugzeuge aus verschiedenen Zeitzonen kommen«, erklärt Jonathan.

Um zu funken, spricht Jonathan in ein schwarzes Mikrofon, das aus dem Tisch ragt. So kann er mit allen Pilotinnen und Piloten Kontakt aufnehmen. Mit jeweils drei Wörtern erlaubt er Flugzeugen zu starten oder zu landen. »Cleared for take-off« heißt startklar, »cleared to land« gibt die Landeerlaubnis. Jonathan sagt diese Wörter unzählige Male am Tag.

»Dass der Funk ausfällt, ist sehr unwahrscheinlich. Aber für den Notfall haben wir diese Leuchtkanone«, erklärt Jonathan und zieht etwas von der Decke, das wie ein Scheinwerfer aussieht. »Das Gerät funktioniert wie ein Laserpointer. Falls wir nicht mehr per Funk mit den Pilotinnen und Piloten kommunizieren können, kann ich hiermit das Zeichen für die Start- und Landeerlaubnis geben.« Er richtet die Leuchtkanone schräg nach unten. Auf der Landebahn erscheint ein roter Kreis. Wenn der Fluglotse einen Hebel umlegt, wird das Licht grün.

Berufsinfo

Was ist das Schönste an dem Beruf?

»Die Aussicht. Man hat freie Sicht auf den Sonnenaufgang und kann beobachten, wie sich ein Gewitter anbahnt. Ich habe das schönste Büro der Welt.«

Und was ist das Schlimmste?

»Wir arbeiten dann, wenn Flugzeuge fliegen – also immer. Manchmal auch an Feiertagen oder am Wochenende.«

Wie viele Fluglotsinnen und Fluglotsen gibt es in Deutschland?

Ungefähr 2200. Jedes Jahr werden etwa 140 neue ausgebildet.

Wie lange dauert die Ausbildung?

Zwei bis drei Jahre. Sie beginnt mit einem Theorieteil. Darin lernt man in 12 bis 15 Monaten die Grundlagen und übt an Simulationsgeräten. Danach folgt der praktische Teil, in dem die Auszubildenden 12 bis 18 Monate in einer Kontrollzentrale oder in einem Tower arbeiten.

Wie viel verdient man?

Zu Beginn der Ausbildung 1400 Euro, dann etwa 4500 Euro pro Monat. Später im Job bis zu 10.000 Euro monatlich.

Was muss man können?

  • Schnell Entscheidungen treffen

  • Mit anderen zusammenarbeiten

  • Sich gut und lange konzentrieren

  • Mit Zahlen umgehen

Für wen ist das eher nichts?

  • Für Menschen, die Verantwortung scheuen

  • Für Menschen, die in Stress-Situationen schnell die Nerven verlieren

Der Arbeitstag eines Fluglotsen besteht aus verschiedenen Schichten, die jeweils maximal drei Stunden am Stück lang sein dürfen. Dazwischen liegen verpflichtende Pausen. »Je nach Verkehrslage sind die wirklich nötig. Wenn man stundenlang dauerhaft am Funken ist, braucht das Gehirn Erholung«, sagt Jonathan. Dafür gibt es im Tower einen Ruheraum mit Liege­sessel, Fernseher und Bett. Manchmal muss Jonathan auch nachts arbeiten, dann nimmt er für die Pausen seinen Schlafsack mit zur Arbeit. An vielen Flughäfen Deutschlands herrscht nachts ein Flugverbot, etwa weil startende und landende Flugzeuge zu viel Lärm machen würden. In Hannover ist das nicht so. Nachts ist hier zwar weniger los, aber trotzdem ist es wichtig, dass der Fluglotse konzentriert bleibt. »Es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Zum Beispiel kann ein Rettungshubschrauber un­seren Luftraum kreuzen. In solchen Fällen muss man schnell reagieren und Flugzeuge notfalls warten lassen«, sagt Jonathan.

In seinem Job trägt der Fluglotse viel Verantwortung. Deshalb ist es schwer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Man muss jünger als 24 Jahre alt und körperlich fit sein, außerdem gut sehen und hören können. Bei der Aufnahmeprüfung gibt es nur einen Versuch. Wer nicht zugelassen wird, darf sich kein zweites Mal bewerben. Das liegt daran, dass es nicht um Wissen oder Auswendiglernen geht, sondern um räumliches Vorstellungsvermögen, Teamfähigkeit und Konzentration. Es wird beispielsweise getestet, wie gut man sich Zahlen- oder Buchstabenreihen merken kann. »Deshalb kann man sich nicht so gut auf die Prüfung vorbereiten. Entweder man hat die notwendigen Fähigkeiten oder eben nicht«, sagt Jonathan.

Vorurteile-Check

Fluglotsen wedeln mit Schildern auf dem Vorfeld herum

STIMMT NICHT: »Das ist ein weitverbreitetes Vorurteil. Meine Großeltern denken das immer noch. Dabei hat unser Job gar nichts damit zu tun.«

Fluglotsen müssen sich auf Abruf konzentrieren können

STIMMT: »Sowohl über längere Zeiträume als auch kurzfristig, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert.«

Fluglotsen dürfen während ihrer Schicht nicht aufs Klo gehen

STIMMT NICHT: »Wir sind fast nie allein im Tower. In einer ruhigen Minute kann man immer kurz zur Toilette gehen, währenddessen übernimmt das Team.«

Fluglotsen sind meistens männlich.

STIMMT EHER: »Ein Drittel in Deutschland sind Frauen. Und es werden immer mehr Fluglotsinnen.«

Inzwischen ist die Schicht des Tower-Lotsen fast zu Ende. Unten auf der Rollpiste setzt sich ein weißes Flugzeug in Bewegung. »Der darf als Nächster starten«, sagt Jonathan und konzentriert sich auf einen der Bildschirme. Jonathan spricht einen letzten Funkspruch an den Piloten ins Mikrofon, »cleared for take-off« – und dann hebt das Flugzeug ab.

Dieser Artikel erschien in »Dein SPIEGEL« 04/2024.

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