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Foto: Eva-Maria Gebhardt / Dein SPIEGEL

Beruf Tierpräparator Biologe, Künstler und Handwerker in einem

Joseph Kälberer arbeitet im Naturkundemuseum in Stuttgart. Er richtet tote Tiere so her, dass sie lebendig wirken – und macht aus ihnen Ausstellungsstücke.
Von Christine Frischke aus Dein SPIEGEL 5/2024

Joseph Kälberer, 26, öffnet den Kühlschrank in seiner Werkstatt und holt ein längliches Etwas in einer Plastikfolie heraus. Doch es ist weder Wurst noch Käse. »Das ist ein Ger­falke«, sagt Joseph und wickelt den Raubvogel aus der Folie. Der Gerfalke wurde bei einem illegalen Züchter beschlagnahmt. Nun erweckt Joseph ihn zu neuem Leben. Zumindest fast.

Seit zwei Jahren arbeitet Joseph als Präparator im Stuttgarter Naturkundemuseum. Sein Job klingt ein bisschen gruselig: Er richtet tote Tiere so her, dass man sie für lebendig halten könnte. Das nennt man präparieren, man könnte auch sagen: haltbar machen. Denn nach der Behandlung verfaulen die Tierkadaver nicht und fangen auch nicht an zu stinken. Sie können hundert Jahre und länger halten. Der Gerfalke und andere präparierte Tiere werden später in der Ausstellung gezeigt.

Für den Gerfalken hat Joseph einen Körper aus Holzwolle geformt. Später muss er die Haut mit den Federn über dem Bauch zunähen.

Für den Gerfalken hat Joseph einen Körper aus Holzwolle geformt. Später muss er die Haut mit den Federn über dem Bauch zunähen.

Foto: Eva-Maria Gebhardt / Dein SPIEGEL

»Im Gegensatz zu früher werden heute keine Tiere mehr extra für Museen getötet«, sagt Joseph. Demnächst wird er zum Beispiel ein junges Okapi präparieren, das von seiner Mutter nicht angenommen wurde und gestorben ist. Viele Tiere, die bei ihm landen, kommen aus Zoos, Vogelschutzzentren oder von Züchtern. Manchmal bringen Spaziergänger einen toten Vogel oder ein totes Eichhörnchen vorbei. Auch einen Bären hatte Joseph schon auf dem Tisch. Und im Tiefkühlraum im Museumskeller wartet ein Tiger aus einem Freizeitpark.

Dein SPIEGEL: »Demokratie beginnt bei euch«
Foto: Dein SPIEGEL

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Zunächst aber ist der Gerfalke dran. In den Tagen zuvor hat Joseph die Vogelhaut mit den Federn vom Fleisch getrennt. Das Federkleid hat er mit einem Spezialwaschmittel gereinigt und gegerbt. Durch die Gerbstoffe wird die Haut stabiler und verliert ihren Geruch. Dass der Vogel keinen Geruch mehr ausströmt, sorgt dafür, dass später keine Insekten über das Präparat herfallen und es beschädigen.

Joseph hat Drähte durch die Flügel und die Beine des Vogels geführt. Sie machen ihn stabiler, und mit ihnen kann Joseph den Falken später in die gewünschte Haltung biegen. Als Nächstes füllt er den Schädel mit Ton und setzt Glasaugen in die leeren Augenhöhlen.

Für den Kopf des Vogels hat Joseph farblich passende Glasaugen ausgesucht

Für den Kopf des Vogels hat Joseph farblich passende Glasaugen ausgesucht

Foto: Eva-Maria Gebhardt / Dein SPIEGEL

Bevor Joseph losgelegt hat, hatte er einen 3D-Abdruck des Kopfes gemacht. Das Modell hilft ihm, die Augen in die richtige Position zu schieben. »Der erste Blick fällt immer auf die Augen des Tieres«, sagt er. »Ein schielender Vogel sieht doof aus, egal wie toll ich das Gefieder hinbekomme.« Oft fertigt er auch Zeichnungen der Tiere an oder legt sich Fotos auf den Werktisch.

Weil das Fleisch des Vogels verfaulen würde, hat Joseph den Körper aus Holzwolle nachgeformt. Dafür hat er ihn genau vermessen. Jetzt legt er die Haut mit den Federn um den Holzwollekörper, als würde er eine Puppe anziehen. Früher haben Präparatoren die Tierhaut einfach mit allen mög­lichen Materialien ausgestopft. Dadurch sahen die Tiere oft sehr unförmig aus.

Zum Schluss muss Joseph den Falken noch trocken föhnen. Mit Druckluft und einem Föhn plustert er die Federn auf. Und damit die Federn nicht kreuz und quer liegen, muss er sie anschließend mit einer Pinzette einzeln sortieren. Das dauert ein paar Stunden.

Langsam nimmt der Gerfalke Gestalt an. Vorsichtig dreht Joseph den Kopf in Position. Ab und zu geht er in den Zoo und beobachtet, wie sich die Tiere bewegen

Langsam nimmt der Gerfalke Gestalt an. Vorsichtig dreht Joseph den Kopf in Position. Ab und zu geht er in den Zoo und beobachtet, wie sich die Tiere bewegen

Foto: Eva-Maria Gebhardt / Dein SPIEGEL

Meistens arbeitet Joseph an mehreren Präparaten parallel. Auf einem anderen Werktisch liegt ein fast fer­tiges Lamm. Die vergangenen an­derthalb Wochen ist es getrocknet. Allerdings fehlen ihm die Lippen. Die modelliert Joseph nun mit einer knetähnlichen Masse. Seine Arbeit am Lamm und an anderen Tieren zeigt er auf seinem Instagram-Kanal »praeparation_jk«.

In der Ausstellung werden die Präparate oft in einer passenden Umgebung gezeigt. Joseph setzt Vögel auf Äste, lässt einen Waschbären über einen Felsen spazieren oder baut ganze Landschaften nach. Er muss auch helfen, die Tiere in den Vitrinen zu positionieren.

Vorurteile-Check

Der Beruf hat einen hohen Ekelfaktor.

STIMMT NICHT: »Für die Präparation eignen sich nur Tiere, die erst vor Kurzem gestorben sind. Die riechen nicht. Und wenn man sauber arbeitet, hat man wenig Kontakt mit Blut.«

Präparatorinnen und Präparatoren sind tote Tiere am liebsten.

STIMMT SO NICHT: »Ich könnte mir auch vorstellen, als Tierpfleger im Zoo zu arbeiten. Mir tut es leid, wenn ein Tier stirbt. Aber wenigstens kann ich ihm ein zweites Leben schenken.«

Bei Haustieren wie Hund oder Katze ist Schluss.

STIMMT NICHT: »Manche selbstständigen Präparatoren machen das. Ich finde das nicht gut. Das Haustier wird nie so aussehen, wie man es in Erinnerung hat. Ich kann eine Katze nachbilden, aber eben nicht den geliebten Kater Karlo.«

Die meisten Präparate bekommen die Besucherinnen und Besucher allerdings nie zu sehen. Sie lagern in klimatisierten Räumen ohne Sonnenlicht wie in einem Tresor. Die Museumssammlung steht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Verfügung. Es gibt dort zum Beispiel Schubladen voller Rotkehlchen. Sie sind nach den Jahren sortiert, in denen sie gefunden und präpariert wurden. So können die Forschenden nachvollziehen, ob und wie sich das Aussehen der Vögel über Jahrzehnte verändert hat.

Diese Vogelschar ist Teil der Sammlung des Stuttgarter Naturkundemuseums. Sie umfasst rund zwölf Millionen Tiere und andere Objekte

Diese Vogelschar ist Teil der Sammlung des Stuttgarter Naturkundemuseums. Sie umfasst rund zwölf Millionen Tiere und andere Objekte

Foto: Eva-Maria Gebhardt / Dein SPIEGEL

Besonders freut sich Joseph aber, wenn eines seiner Tiere in der Ausstellung landet. Er steht jetzt im Meeressaal des Museums und blickt zur Decke. Dort breitet ein Wanderalbatros seine langen Flügel aus. Er stammt von einer kleinen Insel im Südatlantik. Joseph musste viel telefonieren und Papiere ausfüllen, damit der tote Seevogel in die EU und schließlich nach Deutschland eingeführt werden durfte. Auch das gehört zu seinen Aufgaben.

Berufsinfo

Was ist das Schönste an dem Beruf?

»Jedes Tier ist anders und bringt neue Herausforderungen, da kann ich mich kreativ ausleben. Wenn ich Urlaub habe, vermisse ich die Arbeit schnell.«

Und was ist das Schlimmste?

»Wenn die Haut kaputtgeht. Oder wenn ich wochenlang an einem Tier gearbeitet habe und es nachher trotzdem nicht überzeugend aussieht.«

Wie viele Präparatorinnen und Präparatoren gibt es in Deutschland?

Die Deutsche Gesellschaft für Präparationstechnik hat rund 225 Mitglieder, die im Bereich zoologische Präparation arbeiten. Das sind aber nicht alle. Der Berufsverband schätzt, dass es deutschlandweit etwa 1800 bis 2000 Präparatorinnen und Präparatoren gibt.

Wie lange dauert die Ausbildung?

Der Beruf nennt sich offiziell Präparationstechnischer Assistent oder Präparationstechnische Assistentin. Lernen kann man ihn in Deutschland nur in Bochum am Walter-Gropius-Berufskolleg. Die Ausbildung dauert drei Jahre.

Wie viel verdient man?

Das hängt vom Bundesland und von der Größe des Museums ab, in dem man angestellt ist. Es können anfangs zwischen 3000 und 3900 Euro im Monat sein. Viele Präparatoren arbeiten zudem selbstständig.

Was muss man können?

  • Eine gute Vorstellungskraft haben: Wie wird aus einem toten Körper ein lebendig wirkendes Tier?

  • Geduldig sein: Oft arbeitet man mehrere Tage oder Wochen an einem Präparat.

  • Kreativ sein: Man verwendet viele verschiedene Materialien und muss sich für jedes Tier einen neuen Plan erarbeiten.

Für wen ist das eher nichts?

Für Menschen, die sich vor toten Tieren gruseln, handwerklich unbegabt sind oder sich wenig für die Natur interessieren.

Eigentlich hat Joseph nicht nur einen Beruf, sondern viele verschiedene. Er ist Biologe, weil er sich gut mit Tieren auskennt. Er modelliert Körper wie ein Künstler, ist Handwerker, Landschaftsarchitekt, Vogelfriseur und ein bisschen auch Schönheitschirurg.

Dieser Artikel erschien in »Dein SPIEGEL« 05/2024.

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