Fisker Ocean im Test Surf & Curve
Niko Bünten, Videojournalist:
»Äh, Jürgen – bist du nicht ein bisschen dick angezogen zum Wellenreiten?«
Jürgen Pander, Ressort Mobilität:
»Es ist ja auch frisch heute, Niko. Und das Brett habe ich dabei, weil wir die Elektroautowelle surfen. Cool, lässig. Man könnte auch sagen, kalifornisch. Und das passt zu dem Auto, denn es hat einen »California Mode«. Pass auf, Niko.
Auf einen Knopfdruck öffnen sich alle Seitenscheiben, die Heckscheibe und das Glasdach. Das ist doch mal was Besonderes. Wir drehen eine Runde mit dem »Fisker Ocean«.
Der Name hinterlässt erst mal ein Fragezeichen, doch das lässt sich rasch auflösen. Die Firma »Fisker«, ein Elektroautohersteller, sitzt in Kalifornien, in den USA. Gegründet wurde sie 2016 von Henrik Fisker, einem in Dänemark geborenen Autodesigner. Der arbeitete zunächst für BMW, wo er unter anderem den Z8 entwarf, später für Aston Martin, wo er unter anderem den DB9 designte. Jetzt also hat er seine eigene Firma, und der Ocean ist das erste Modell dieser Elektroautofirma. Ein mächtiges SUV, das von der Firma Magna im österreichischen Graz gebaut wird.
Wenn wir uns das Design anschauen, fallen klare Linien, geschmeidige Oberflächen und schmale Scheinwerfer auf, auch sehr schmale Rückleuchten. Die geben der Karosserie einen Schuss Aggressivität. Außerdem rollt unser Testwagen auf mächtigen 22-Zoll-Rädern. Es gibt hellblau lackierte Bremssättel, ausfahrbare Türgriffe vorne und hinten und ein großes Solardach, was sich öffnen lässt. Dieses Solardach liefert Energie für bis zu 2400 Kilometer Fahrstrecke pro Jahr, in Kalifornien zumindest. In Deutschland mit rund 133 Tagen Regen, da dürften es deutlich weniger sein. Und die weitere Besonderheit ist natürlich der schon angesprochene »California Mode«, den das Auto bietet. Auf einen Knopfdruck öffnen sich alle Seitenscheiben. Davon gibt es insgesamt sechs am Auto, die Heckscheibe und eben das Glasdach. Und so wird aus dem Fisker Ocean eine Art SUV-Cabrio mit Dachgerüst. Drinnen gibt es noch viel mehr zu sehen. Also springen wir mal rein in den Ocean.
Der Innenraum des Fisker Ocean, wir sitzen übrigens in der Ausstattungslinie Sea Salt, der wirkt auf den ersten Blick vertraut. Edel, angenehm ausgestattet und trotzdem eben vertraut, weil viele Elektro-SUVs heutzutage so ähnlich aussehen. Auf den zweiten Blick allerdings entdeckt man eine ganze Reihe Besonderheiten. Beispielsweise: Es gibt kein Handschuhfach, dafür aber hier einen ausziehbaren Tisch, ein Tischchen. Fisker nennt das Taco Tray. Und das gibt es auch für Fahrerin oder Fahrer. Kann man sich hier ausklappen. Die große Frage ist nur: Wozu?
Außerdem gibt es unter beiden Vordersitzen Staufächer, wo man Papiere unterbringen kann, und es gibt gefaltete Sonnenblenden, die nach vorne weggeklappt werden. Ablagemöglichkeiten gibt es auch hier in der breiten Mittelkonsole. Es gibt gleich zwei induktive Handyladeschalen, Getränkehalter und hier einen Parkplatz für den Schlüssel. Bei den Bedienelementen, da bietet der Fisker Ocean eine gelungene Mischung aus analogen Tasten, etwa hier für Scheiben- und Spiegeleinstellungen oder hier am Lenkrad und digitalen Touchflächen. Hier auf dem großen hochformatigen Bildschirm. Es gibt eine reiche Auswahl an Menüs, durch die man hier durchklicken und sich das Auto konfigurieren kann. Und zudem lässt sich, allerdings nur im Stand, dieser Bildschirm ins Querformat drehen. Beispielsweise, wenn man an der Ladesäule hier einen Film anschauen möchte. Fahren kann man den Fisker Ocean aber nur, wenn der Bildschirm hochformatig ausgerichtet ist. Und die wichtigsten Fahrinformationen, die bekommt man als Fahrerin oder Fahrer auch noch mal auf einem kleinen Digitaldisplay, ganz schmal, aber für die wichtigen Informationen reicht es, hinter dem Lenkrad. Und dann gibt es noch eine kleine Besonderheit, denn überall hier im Innenraum sind kleine Surfer versteckt, sozusagen Grüße aus Kalifornien, einer davon beispielsweise auf dem Bremspedal. Die aber interessieren uns jetzt nicht weiter. Wir wollen den Blick nach vorne richten, auf die Straße, denn wir drehen eine Runde.
Wir fahren hier in einem Auto, das rund zweieinhalb Tonnen wiegt, zwei Meter breit ist und auf 22-Zoll-Rädern rollt. Und wenn man wollte, könnte man den Wagen in weniger als vier Sekunden im Boostmodus von 0 auf 100 beschleunigen. Das wollen wir gar nicht. Aber diese Kennzahlen machen deutlich, dass das, was Fisker als eines der nachhaltigsten Autos der Welt anpreist, tatsächlich auf der altbekannten, schneller, stärker, schwerer Welle reitet. Und daran ändern auch die rund 50 Kilogramm Recyclingmaterialien nichts, die hier im Wagen verbaut sind. Denn 98 Prozent des Gesamtgewichts sind eben herkömmliche Materialien.
Das Fahrgefühl im Fisker Ocean ist typisch Elektroauto: kraftvoll, leise und antrittsschnell. Es gibt drei Rekuperationsstufen und drei Fahrmodi. Aber anders als sonst – Fahrmodi sind ja normalerweise Eco, Normal und Sport – heißen sie hier im Fisker Ocean: Earth, Fun und Hyper. Wobei die Wirkung vergleichbar ist: Earth ist der schonende Fahrmodus, Fun der mittlere und Hyper der Hochleistungsfahrmodus.
Den Fisker Ocean gibt es mit Front- oder Allradantrieb, mit großer oder sehr großer Batterie. Wir fahren das Modell mit Allradantrieb, also zwei E-Maschinen und der sehr großen Batterie mit einer Speicherkapazität von 113 Kilowattstunden. Der Durchschnittsverbrauch laut WLTP-Norm liegt bei 19,7 Kilowattstunden je 100 Kilometer und die Reichweite bei 701 Kilometer. Realistisch sind ungefähr 500 bis 600 Kilometer bei moderater Fahrweise.
Der Akku kann geladen werden mit bis zu elf Kilowatt Wechsel- oder bis zu 180 Kilowatt Gleichstrom. Und am Schnelllader unter besten Bedingungen dauert es rund 33 Minuten, dann ist der Akku wieder von 10 Prozent auf 80 Prozent geladen.
Auf den Rücksitzen gibt es wirklich ein großzügiges Platzangebot für die Beine, für den Kopf und es gibt Komfort. Beispielsweise lassen sich die Rücksitzlehnen elektrisch in der Neigung verstellen. Das geht auch hier auf meiner Seite. Man kann hier eine Armauflage ausklappen. Man hat hier Getränkehalter und es gibt auch nochmal ein Touchfeld für die Klimatisierung im Fond oder für die Lautstärkeregelung. Und auch hier hinten gibt es einen kleinen Surfer, nämlich hier oben am Glasdach. So, und jetzt schauen wir noch in den Kofferraum. Unter die vordere Klappe schauen wir übrigens nicht. Da kann man auch gar nicht druntergucken. Das ist nämlich eine reine Serviceklappe, die wird nur in der Werkstatt geöffnet. So, jetzt geht es aber nach hinten.
Der Fisker Ocean ist ein bulliges, voluminöses SUV. Der Kofferraum dagegen ist eher unterdurchschnittlich groß für ein Auto dieses Kalibers. Das Fassungsvermögen beträgt 476 Liter. Werden die Rücksitzlehnen umgeklappt, sind es 918 Liter. Gut ist, die Rücksitzenlehne ist dreigeteilt. Das Ladevolumen kann also flexibel erweitert werden. Es gibt hier einen faltbaren Ladeboden. Den kann man so zum Beispiel einklinken, um das Ladegut ein bisschen vor dem Verrutschen zu sichern. Hier drunter gibt es noch mal ein Ablagefach. Da passt beispielsweise das Ladekabel rein. Und wir haben hier an der Seite eine 230-Volt-Steckdose. Auf der ist allerdings derzeit noch keine Spannung, denn bidirektionales Laden wird erst nach dem nächsten Update möglich sein. So lange aufs Softwareupdate warten wir jetzt nicht. Wir drehen noch eine Runde.
Ach, Niko, komm doch noch mal her. Hier ist auch noch mal ein kleiner Surfer auf dem Türgriff.
California Mode, Riesenbatterie, viele Extras und originelle Details. Der Fisker Ocean hat eigentlich das Zeug zum Erfolgsmodell – einerseits. Andererseits handelt es sich bei diesem schicken Auto aber um ein klobiges, großes SUV, das seine beeindruckenden Fahrleistungen durch eine enorm große und schwere Batterie erkauft. Und dann gibt es da noch ein Fragezeichen. Denn zuletzt meldete die Firma Fisker ernsthafte wirtschaftliche Probleme. Allein im letzten Quartal des vergangenen Jahres häufte das Unternehmen einen Nettoverlust von 463 Millionen US-Dollar an. Gut gefallen uns am Fisker Ocean: das anregende Design, das Bemühen um Nachhaltigkeit, nachhaltige Materialien und der wirklich verblüffende California Mode. Minuspunkte sind, dass das Bemühen um Nachhaltigkeit vom Rest des Autos konterkariert wird, dass die Breite des Wagens und der große Wendekreis ihn ziemlich unhandlich machen und dass kein Mensch weiß, wozu man ein Tischchen am Fahrersitz braucht.«
Niko Bünten, Videojournalist:
»Das stimmt. Sag mal, was kostet der hier?«
Jürgen Pander, DER SPIEGEL:
»Den Fisker Ocean gibt es ab 43.900 Euro und unser Testwagen mit Allradantrieb, der großen Batterie und der Topausstattung kostet 69.075 Euro. Aber Niko, vielleicht wird das mit dem Geld auch überschätzt. Der kalifornische Surfer Dave Parmenter hat mal gesagt: Ich surfe am besten, wenn ich pleite bin.«
Niko Bünten, Videojournalist:
»Auch gut.«