Humanitäre Katastrophe im Sudan Krieg, Hunger und kein Ende in Sicht
Roumaiza und ihre Familie sind aus dem Sudan geflohen, um sich in Sicherheit vor dem anhaltenden Krieg zu bringen. Die beiden Geschwister sind erst 14 und 12 Jahre alt, die Hilfsorganisation »Unicef« hat sie getroffen.
Roumaiza, Geflüchtete:
»Wir sind zu Fu�� gekommen. Unterwegs wurden Menschen getötet, und wir wurden geschlagen. Wir hatten keine Schuhe, nichts. Wir kamen hier an, ohne dass wir etwas von unserem Vater gehört haben. Mein Bruder wurde getötet.«
Die Familie überquerte die Grenze zum östlichen Tschad und lebt derzeit in Adré, in einer Region, in der die Menschen ohnehin schon zu wenig zum Leben haben. In dem Camp ist auch Aicha mit ihrer Tochter Yasmine untergekommen.
Aicha, Geflüchtete:
»Wir lebten friedlich, bis der Konflikt ausbrach. Dann kam es zu einer Schießerei in der Nähe unseres Hauses, und wir waren gefangen. Als wir es schließlich schafften, uns zu befreien, wurden wir geschlagen und ausgeraubt. Wir hatten nichts, als wir aus dem Sudan geflohen sind.«
Der Krieg im Sudan hat sich zur größten Vertriebenenkrise der Welt entwickelt. Mehr als zehn Millionen Menschen mussten nach Angaben der Vereinten Nationen mittlerweile ihre Heimatorte verlassen und sind im Land auf Hilfe angewiesen. Weitere zwei Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen, sagte ein Sprecher der Internationalen Organisation für Migration. 18 Millionen Menschen leiden Hunger. Wie konnte die Lage im Sudan so eskalieren?
Fritz Schaap, SPIEGEL-Afrikakorrespondent:
»Es sind im Endeffekt zwei Generäle, die im Sudan um die Macht kämpfen, den Zugang zu den Geldtöpfen, der Zugang zu den Goldminen. Das ist auf der einen Seite General Burhan, der im Endeffekt der De-facto-Präsident des Landes ist, und General Hemedti, der Befehlshaber einer paramilitärischen Einheit, einer paramilitärischen Gruppe, ist, namens Rapid Support Forces. Beide zusammen haben sich noch 2021 an die Macht geputscht und dann sollten die beiden militärischen Organisationen zusammengelegt werden. Und die Verhandlungen darüber sind so eskaliert, dass im April vergangenen Jahres dann dieser Krieg ausgebrochen ist.«
Der Machtkampf zwischen den beiden Generälen hat dramatische Folgen für die Menschen vor Ort. Die Lage sei verheerend, berichtet SPIEGEL-Afrikakorrespondent Fritz Schaap. In der Region Darfur soll sich die Situation zuspitzen. Mögliche Gräueltaten untersucht derzeit der Internationale Strafgerichtshof. Chefankläger Karim Khan forderte dazu auf, Beweise zu sammeln und ihm zu übergeben.
Karim Khan, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes:
»Die Beweise, die mein Büro bisher gesammelt hat, scheinen glaubhafte, wiederholte, sich ausweitende und stetige Angriffe auf die Zivilbevölkerung zu belegen, insbesondere Angriffe auf Lager für Binnenflüchtlinge. Sie scheinen weitverbreitete und häufige Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller Gewalt zu belegen. Sie scheinen den Beschuss ziviler Gebiete, Plünderungen und Angriffe auf Krankenhäuser offenzulegen. Ich bin besonders besorgt über den ethnisch motivierten Charakter dieser Angriffe gegen die Masaliten und andere Gemeinschaften.«
Die Stadt Al-Fashir im Südwesten war für viele ein Zufluchtsort, jetzt sollen dort hunderttausende Zivilisten eingeschlossen sein. Die humanitäre Lage ist kritisch. Im Krankenhaus der Organisation »Ärzte ohne Grenzen« wurde Ende vergangener Woche die Arbeit eingestellt. Der Notfallleiter schreibt auf X:
»Es ist ungeheuerlich, dass die RSF das Feuer im Süd-Krankenhaus eröffnet hat! Die Kriegsparteien müssen aufhören, Krankenhäuser anzugreifen. Ein Krankenhaus nach dem anderen wird beschädigt und geschlossen.«
Das Uno-Welternährungsprogramm warnte vor Nahrungsmittelknappheit im Sudan, die sich immer weiter verschärft. Einige Regionen sind derzeit von jeglichen Hilfslieferungen abgeschnitten. Mindestens 16.000 Tote und 33.000 Verletzte soll es geben, berichtet die Weltgesundheitsorganisation. Die bisherige Unterstützung der Menschen im Sudan reicht bei Weitem nicht aus.
Fritz Schaap, SPIEGEL-Afrikakorrespondent:
»Auf der einen Seite gibt es den Krieg in Gaza und den Krieg in Ukraine, die viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ich denke, das ist der Hauptgrund, weswegen der Sudan so ein bisschen im Windschatten der globalen Aufmerksamkeit kollabiert. Und dann ist es leider auch so, dass es, glaube ich, für viele einfach ein weiterer verheerender Bürgerkrieg in Afrika ist, dem traditionell nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird wie dem Krieg in der Ukraine zum Beispiel.«
Im April fand in Paris eine internationale Geberkonferenz statt. Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen, der Uno und Hilfswerken kamen zusammen und sagten zwei Milliarden Euro Hilfe für den Sudan zu. Einen Zeitpunkt, wann das Geld ankommt, nannte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron jedoch nicht.
Fritz Schaap, SPIEGEL-Afrikakorrespondent:
»Worauf es ankommt, ist, dass die internationale Gemeinschaft Druck machen müsste, vor allen Dingen auf die Emirate, die der Hauptunterstützer der RSF sind, also der einen Kriegspartei, sowie auch auf die Saudis, die nach wie vor einen unglaublich großen Einfluss haben auf die sudanesische De-facto-Regierung unter Burhan. Das passiert nicht im nötigen Maßstab.«
Der Krieg im Sudan dauert nun schon über ein Jahr, ein baldiges Ende ist nicht in Sicht. Eine Uno-Beauftragte warnt vor einem Genozid. Der Uno-Sicherheitsrat hat eine Resolution verabschiedet, in der ein Ende der Belagerung der Stadt Al-Faschir sowie der Gewalt im Sudan gefordert wird.
Fritz Schaap, SPIEGEL-Afrikakorrespondent:
»Viele Leute profitieren von dem Krieg, und wenn aufgehört werden würde, Waffen zu liefern, wäre der Krieg wahrscheinlich nächsten Monat vorbei, weil selbst versorgen können sich die Kriegsparteien nicht.«