Zum Inhalt springen

Milliardärsgattin aus Simbabwe »Sie glauben nicht, dass ich eine echte Philanthropin bin«

Tsitsi Masiyiwa und ihr Mann haben ein Vermögen mit einem Mobilfunkunternehmen gemacht. Die Afrikanerin will ihren Reichtum nun einsetzen, um kleine Organisationen vor Ort zu finanzieren – ein Gegenmodell zur westlichen Entwicklungshilfe.
Ein Interview von Heiner Hoffmann, Nairobi (Kenia)
Will vieles anders machen: Philanthropin Tsitsi Masiyiwa

Will vieles anders machen: Philanthropin Tsitsi Masiyiwa

Foto: David Fisher
Globale Gesellschaft

In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung globaler Probleme.

Alle Artikel

Tsitsi Masiyiwa, 59, gehört zu den reichsten Frauen Afrikas. Ihr Vermögen stammt aus einem Mobilfunkunternehmen, das sie – trotz vieler Rückschläge – gemeinsam mit ihrem Mann Strive aufgebaut hat. Aufgewachsen in Simbabwe, wurde Masiyiwas Leben stark von der Aids-Pandemie in den Achtzigerjahre geprägt. Sie habe damals viele Familienmitglieder und Freunde verloren – und sich geschworen: Falls sie jemals die Mittel dazu hätte, würde sie den Menschen, vor allem den vielen Waisenkindern, helfen. Sie hat es geschafft und ist heute eine gefragte Philanthropin, reist durch die Welt, gibt Interviews. DER SPIEGEL erreicht Masiyiwa per Videocall in einem ihrer Büros in Südafrika.

SPIEGEL: Wie ist es, als wohlhabende Philanthropin aus Afrika zu kommen – werden Sie von Menschen aus dem Globalen Norden ernst genommen?

Masiyiwa: (lacht) Es ist nicht immer einfach. Wenn sie mich sehen, glauben sie erst mal nicht, dass ich eine echte Philanthropin bin. Es hat lange gedauert, bis die Menschen aus dem Westen akzeptiert haben, dass auch wir Dinge organisieren können. Man muss schon härter arbeiten, um die Leute zu überzeugen. Und wenn man eine schwarze Frau aus Afrika ist, ist es noch komplizierter. Als ich jünger war, habe ich um meinen Platz in der Gesellschaft hart gekämpft. Aber mittlerweile sage ich mir: Wenn du nicht akzeptierst, wer ich bin, dann ist das dein Problem, nicht meins.

Zur Person

Tsitsi Masiyiwa, geboren 1965 in Simbabwe, leitet die Stiftungen Higherlife Foundation und Delta Philanthropies. Ihr Mann Strive Masiyiwa ist ein simbabwischer Unternehmer, der unter anderem eine Mobilfunkfirma gegründet hat. Das Paar lebt mittlerweile in London. In mehreren afrikanischen Ländern engagiert sie sich vor allen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Umgang mit Katastrophen.

SPIEGEL: In den vergangenen 30 Jahren wurde geschätzt mehr als eine Billion US-Dollar Entwicklungshilfe für Afrika bereitgestellt, doch die Armut ist nicht verschwunden. Was läuft schief in der globalen Entwicklungszusammenarbeit?

Masiyiwa: Zunächst einmal ist es ein Problem der Haltung. Diejenigen, die große Budgets verwalten und die finanziellen Ressourcen kontrollieren, glauben, dass sie auch die Lösungen kennen. Die Geber aus dem Globalen Norden haben die Macht zu entscheiden, wie die Mittel zugewiesen werden. Und sie glauben, dass sie die Situation besser verstehen als die Menschen, die tatsächlich vor Ort leben. Es mangelt ihnen an Respekt und sie gehen zu wenig auf die Bedürfnisse der Leute ein.

SPIEGEL: Was dann dazu führt, dass man an ihnen vorbei plant.

Masiyiwa: Gerade die mangelnde Bereitschaft, in Infrastruktur und in kleine Organisationen vor Ort zu investieren, ist problematisch. Anstatt sich auf Langfristiges zu konzentrieren, finanzieren Spender lieber Projekte, die gerade en vogue sind, und nach drei oder vier Jahren ziehen sie das Geld wieder ab und investieren in etwas völlig Neues. Das wollen wir ändern. Wir stellen langfristige Mittel für kleine Organisationen bereit, die auf lokaler Ebene tätig sind und in ihren Gemeinschaften verankert sind. Wir versuchen, auf die kulturellen Besonderheiten und spezifischen Umstände einzugehen.

Bisher kommt Entwicklungshilfe vor allem aus dem Globalen Norden: Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze in Niger

Bisher kommt Entwicklungshilfe vor allem aus dem Globalen Norden: Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze in Niger

Foto: Achille Abboud / IMAGO

SPIEGEL: Wenn man einer sehr kleinen Organisation so viel Geld gibt, ist dann das Risiko des Scheiterns nicht hoch?

Masiyiwa: Witzigerweise ist das Risiko des Scheiterns sehr viel geringer, weil viele dieser kleinen Community Champions nicht von dem Wunsch angetrieben sind, eine große Organisation aufzubauen oder sich darauf konzentrieren, ständig Projektvorschläge einzureichen, um noch mehr Geld zu bekommen. Sie widmen sich einer Sache, die sie direkt betrifft. Sie fangen also sehr bescheiden an. Sie nutzen beispielsweise ihr eigenes Haus, um Kinder aufzunehmen, die sexuell missbraucht wurden, oder die vor einer geplanten Kinderehe weglaufen. Sie tun das aus persönlicher Überzeugung. Das läuft völlig anders als bei einer großen Organisation mit überbordender Bürokratie und all diesen unnötigen, ineffizienten Prozessen, die so viel Personal benötigen. Das Schöne an der Philanthropie ist, dass wir selbst sehr flexibel finanzieren können. Weil es sich um mein persönliches Vermögen handelt, ist der Entscheidungsprozess viel kürzer.

»Es gibt definitiv mehr Wohlstand als früher«

Tsitsi Masiyiwa, simbabwische Philanthropin

SPIEGEL. Sie haben einmal gesagt, in Afrika sei eine Kultur des Gebens verankert. Es gibt inzwischen viele wohlhabende Menschen auf dem Kontinent. Warum gibt es dann nicht mehr Philanthropie?

Masiyiwa: Ja, es gibt definitiv mehr Wohlstand als früher. Gibt es auch mehr Spenden? Ja. Aber oft läuft das jenseits der Öffentlichkeit ab. Und leider ist die Philanthropie immer noch sehr unstrukturiert. Die meisten der vermögenden Privatpersonen, die ich kenne, spenden Geld für die Gemeinschaften, aus denen sie stammen. Sie bauen Schulen, sie spenden für Krankenhäuser, sie geben Geld für lokale Zwecke. Aber es ist nicht so systematisch, wie es sein könnte.

SPIEGEL: Welche Rolle spielen heute die Überweisungen der Afrikanerinnen und Afrikaner, die im Ausland leben und arbeiten?

Masiyiwa: Eine immer wichtigere: Die Geldtransfers von im Ausland lebenden Afrikanerinnen und Afrikanern in ihre Heimatländer haben während der Coronapandemie sogar zugenommen, obwohl viele Menschen ihre Arbeitsplätze verloren haben oder ihre Gehälter gekürzt wurden. Und warum? Die Menschen bleiben mit den Gemeinschaften, aus denen sie stammen, eng verbunden. Sie wollen dafür sorgen, dass es ihren Familien und ihren Bekannten besser geht.

SPIEGEL: Die Gesamtsumme der Überweisungen aus der Diaspora nach Afrika übertrifft inzwischen sogar die offizielle Entwicklungshilfe.

Matsiyiwa: Ja, man schätzt, dass die Summe bis 2035 auf 500 Milliarden US-Dollar anwachsen wird. Der größte Teil des nach Hause geschickten Geldes wird für Schulgebühren, Lebensmittel und Transportausgaben verwendet, Alltägliches also. Wir haben aber auch festgestellt, dass viele Menschen in der Diaspora mehr bewegen wollen, sie schicken Geld für Investitionen in die Infrastruktur oder an lokale Organisationen. Das sorgt für wirtschaftliche Stabilität. Das Problem ist, dass diese Gelder nicht strukturiert eingesetzt werden. Das wollen wir ändern. Wir haben vor Kurzem eine digitale Plattform eingerichtet, die es den Spendenwilligen ermöglicht, nach Organisationen vor Ort zu suchen, um gezielte Entscheidungen treffen zu können.

Vorbereitung auf Katastrophen: Masiyiwa will den Regierungen unter die Arme greifen

Vorbereitung auf Katastrophen: Masiyiwa will den Regierungen unter die Arme greifen

Foto: Dan Kitwood / Getty Images

SPIEGEL: Auf dem Kontinent herrscht extreme soziale Ungleichheit. Ist es nicht weniger Sache der Philanthropie als eine Kernaufgabe des Staates, den Wohlstand gerechter zu verteilen?

Masiyiwa: Es stimmt, es liegt in der Verantwortung der Regierung, dass die Ressourcen gerecht verteilt und ausgewogen eingesetzt werden. Die Volkswirtschaften auf dem afrikanischen Kontinent wachsen nicht in dem Maße, wie sie es müssten. Das Armutsniveau ist immer noch extrem hoch. Als ich geboren wurde, war China ärmer als Ghana.

SPIEGEL: Doch innerhalb einer Generation hat sich in China ein enormer Wandel vollzogen.

Masiyiwa: Die Regierungen in Afrika müssen dringend mutigere Entscheidungen treffen, um ein Wachstum zu erreichen, das allen zugutekommt. Philanthropie und Entwicklungszusammenarbeit werden die Armut niemals beenden. Aber sie können die Rolle eines Katalysators spielen. Am wirksamsten ist die Hilfe, wenn sie Dinge vollbringt, die unsere Regierungen zwar gern tun würden, für die ihnen aber die Mittel fehlen. So haben wir in Simbabwe etwa eine Notfalleinsatzzentrale für Naturkatastrophen errichtet, die künftige Extremwetter vorhersagen und dafür sorgen soll, dass sich die Leute besser vorbereiten können. Der Plan dafür wurde von der Regierung erstellt, die aber keine eigenen Mittel hatte. Wenn Entwicklungszusammenarbeit zielgerichtet umgesetzt wird, dann kann sie wesentlich zum Aufbau starker Systeme und Gemeinschaften beitragen.

Transparenzhinweis: Strive Masiywa sitzt auch im Aufsichtsrat der Bill & Melinda Gates Stiftung, die das Programm Globale Gesellschaft des SPIEGEL finanziell unterstützt.

Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft

Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.

Eine ausführliche FAQ mit Fragen und Antworten zum Projekt finden Sie hier.